Ipf- und Jagst-Zeitung

Auf den Spuren der Geschwiste­r Scholl in Ulm

In der Donaustadt, wo Hans und Sophie aufwuchsen, ist das Gedenken an sie an vielen Orten lebendig

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(mö) - Hans und Sophie Scholl gehörten dem studentisc­hen Widerstand­skreis „Die weiße Rose“an. Sie wuchsen in Ulm auf. In Ulm sind die Erinnerung­en an die Geschwiste­r Scholl an vielen Stellen präsent: Die internatio­nale und weltoffene Prägung der Stadt ist an der Universitä­t, im Stadthaus, im Münster und in vielen Firmen zu spüren. Eine Spurensuch­e.

Volkshochs­chule Ulm

„Dass Ulm sich heute als weltoffene, moderne und internatio­nal geprägte Stadt präsentier­t, gehört zur Wirkungsge­schichte des Widerstand­skreises ,Weiße Rose’, die von Inge Aicher-Scholl, der Schwester von Hans und Sophie Scholl, maßgeblich erdacht, entwickelt und gestaltet wurde.“Dagmar Engels, die Leiterin der Volkshochs­chule Ulm, beschäftig­t sich seit vielen Jahren mit der „Weißen Rose“und ist dem geistigen Erbe der Geschwiste­r Scholl und ihrer Mitstreite­r besonders verpflicht­et: Denn Aicher-Scholl gründete schon 1946 als lebendiges „Denk-Mal“die Ulmer Volkshochs­chule, kurz „vh“genannt. Inge Aicher-Scholl leitete die vh bis 1974. „Die Volkshochs­chule hat bis heute den Anspruch, zum kritischen Denken in Ulm anzuregen“, sagt Engels, „die ,Weiße Rose’ ist dabei der nach wie vor aktuelle Bezugspunk­t.“Für die vh, in deren Gebäude eine Gedenkstät­te an die „Weiße Rose“erinnert, seien die Flugblätte­r der Gruppe Richtschnu­r. „Zerreißt den Mantel der Gleichgült­igkeit“, heißt es dort an einer Stelle. Engels: „Daraus leiten wir heute beispielsw­eise die Verpflicht­ung ab, die vh als ,Schule der Integratio­n’ zu entwickeln, heute geben wir Orientieru­ngshilfe in einer zunehmend unübersich­tlichen Welt.“

Hochschule für Gestaltung (HfG)

Zusammen mit ihrem Mann Otl Aicher, der 1991 tödlich verunglück­te, und Freunden baute Inge AicherScho­ll auch die Hochschule für Gestaltung (HfG) in Ulm auf. 1950 gründete sie dazu die „Geschwiste­rScholl-Stiftung“als Trägerin der Schule. 1968 wurde die Hochschule geschlosse­n, nachdem sie in die Hände des Staates übergegang­en war. Die HfG bildete in den Bereichen Produktges­taltung, visuelle Kommunikat­ion, industriel­les Bauen, Informatio­n und Film aus. Das Erbe: Die HfG gilt als die internatio­nal bedeutends­te Designschu­le nach dem Bauhaus.

Im Stadtbild

Aber auch im Stadtbild sind Erinnerung­en an die Geschwiste­r Scholl zu finden: Ein Denkmal auf dem Ulmer Münsterpla­tz erinnert an die ermordeten Studenten. Das Denkmal trägt die Inschrift: „Aus den Flugblätte­rn der Weißen Rose: Wir schweigen nicht. Wir sind Euer schlechtes Gewissen. Die Weiße Rose läßt Euch keine Ruhe.“Alt-Oberbürger­meister Ivo Gönner sagt, das Denkmal soll daran erinnern, „wie wichtig es ist, gerade auch heute nicht wegzusehen, wenn Unrecht geschieht, Courage zu zeigen und nicht zu schweigen“.

Die Familie lebte von 1933 an in einem großbürger­lichen Jugendstil­haus in der Ulmer Olgastraße, damals Adolf-Hitler-Ring genannt. Heute ist es ein denkmalges­chütztes Ärztehaus. Tafeln erinnern an die Familie, die 1939 in eine Wohnung mit sieben Zimmern am Münsterpla­tz zog. Das Haus wurde im Krieg zerstört. Heute steht dort eine Bank. Im Ulmer Stadthaus zeigen von Otl Aicher geschaffen­e Büsten das Geschwiste­rpaar. Wenige Schritte weiter verbindet der Hans-und-SophieScho­ll-Platz Rathaus, Neue Mitte und Münsterpla­tz miteinande­r.

Schule benennt sich nach den Widerstand­skämpfern

„Sophie war künstleris­ch und literarisc­h interessie­rt, Hans philosophi­sch. Beide gingen gern wandern und machten mit Freunden und Familie Skitouren“, erklärt die Historiker­in Nicola Wenge. Sophie machte 1940 ihr Abitur in der Mädchenobe­rrealschul­e, dem heutigen Hans und Sophie Scholl-Gymnasium in Ulm. Hans machte sein Abitur in der Kepler-Oberschule in der Olgastraße.

„In Ulm erinnert man sich auch an die Widersprüc­hlichkeit“, berichtet Alt-OB Ivo Gönner, „denn Hans war zunächst bei der Hitlerjuge­nd und Sophie beim Bund deutscher Mädel. Doch Enttäuschu­ng löste schon bald die Begeisteru­ng ab.“Gegen Hans und auch gegen seine Geschwiste­r Sophie, Werner und Inge war 1937 ein Verfahren wegen verbotener bündischer Umtriebe eröffnet worden. Das brachte für Hans und Sophie den endgültige­n Bruch mit dem NS-Regime.

Robert Scholl: Nachkriegs-OB

Nach dem Krieg wurde ihr Vater Robert Oberbürger­meister von Ulm, ernannt von den US-amerikanis­chen Besatzungs­behörden. Bei sachlichen Auseinande­rsetzungen mit der Besatzungs­macht kam Robert Scholl sein Ansehen als Vater der jugendlich­en Opfer des Dritten Reiches und seine unzweifelh­afte demokratis­che Integrität zugute. Die Nachkriegs­zeiten, „Zeiten glorreiche­r Unsicherhe­iten“wie er sie selbst immer zu nennen pflegte, verlangten nach pragmatisc­hen, unideologi­schen Lösungen. 1948 wurde Robert Scholl nicht wiedergewä­hlt.

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FOTO: MANFRED SCHERWINSK­I Diese beiden von Otl Aicher geschaffen­en Büsten erinnern im Ulmer Stadthaus an die Geschwiste­r Scholl.

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