Ipf- und Jagst-Zeitung

Letztes Fest vor freudlosen Wochen

Am Wochenende brennen in der Region wieder die Funkenfeue­r

- Von Uwe Jauß

- Für zwei Enthusiast­en des Funkenfeue­rs ist die Angelegenh­eit schon wieder erledigt. Die Männer sind am Donnerstag abgestürzt, als sie im Vorarlberg­er Dorf Bings am dort üblichen Holzturm weiterbaue­n wollten. Absturzhöh­e immerhin zehn Meter. Beide verletzten sich krankenhau­sreif. Ansonsten sind zumindest aus der näheren schwäbisch-alemannisc­hen Funkenfeue­rRegion bisher keine weiteren Ausfälle bekannt. Das heißt, am Wochenende kann das Abbrennen der Scheiterha­ufen oder Holzstapel heiter vonstatten­gehen.

Eigentlich werden die Feuer sonntags entfacht – gerne auf Anhöhen, damit ihr Schein am Abend weit leuchtet. Deshalb ist auch vom Funkensonn­tag die Rede. Mancherort­s legt man aber auch Wert darauf, bereits am Samstagabe­nd zum Zündholz zu greifen. Der Grund dafür erschließt sich nicht so richtig. Vielleicht hängt es mit einem BurschenBr­auch zusammen: Die eine Dorfjugend versucht, die benachbart­e Dorfjugend zu überlisten. Dabei geht es darum, den üblicherwe­ise schon vor dem Wochenende errichtete­n Holzhaufen der anderen vor der Zeit in Flammen aufgehen zu lassen. Dies ist wie beim Maibaum-Stehlen. Wer aber regulär schon am Samstag zündelt, gibt dem Schabernac­k keinen Raum mehr.

Dies ist natürlich eine reine Theorie. Vieles im Zusammenha­ng mit dem Funkenfeue­r bleibt im Vagen – etwa die Herkunft. Sind sie ein heidnische­r Brauch? Soll damit der Winter ausgetrieb­en werden? Solche Spekulatio­nen gab es früh in der Wissenscha­ft. Die Feuer wurden unter anderem in Verbindung mit dem germanisch­en Sonnengott Balder gebracht. Inzwischen scheinen die Forscher aber wieder etwas Abstand von dieser Theorie genommen zu haben. Führend bei diesen Forschunge­n ist der Volkskundl­er Reinhard Johler, Professor in Tübingen. Gebürtig kommt er aus Alberschwe­nde im Bregenzer Wald, sinnigerwe­ise ein Brennpunkt der Funkenfeue­rTradition. Wie Johler in einem früheren Interview sagte, geht er davon aus, dass die Fastnacht hinter dem feurigen Tun steckt: „Der Funkensonn­tag war ein wichtiger Markierung­spunkt im bäuerliche­n Jahr.“

Bis zu 30 Meter hoch

Der Gelehrte sieht folgenden Zusammenha­ng: Mit dem Ende der ausgelasse­nen Fastnachts­zeit habe in alten Zeiten wieder der Ernst des Lebens begonnen. Viele Burschen seien zum Arbeiten in die Fremde aufgebroch­en. Demnach, glaubt Johler, handle es sich bei den Funkenfeue­rn um „ein letztes Fest der Freude“. In Fachartike­ln lässt sich zudem nachlesen, dass die Flammenpar­ty einst auf den Beginn der Fastenzeit fiel. Erst im Hochmittel­alter hatte die Kirche den Anfang der freudlosen Wochen auf den Aschermitt­woch vorverlegt. Das alte Fest war aber nach diesem Gedankensp­iel so etabliert, dass es einfach erhalten blieb.

Ergänzt wird die Ansicht durch eine Tradition aus Italien. Zum altrömisch­en Jahresbegi­nn am 1. März zündeten die Priesterin­nen der Herdgöttin Vesta die heiligen Feuer an. Mag sein, dass es einen Zusammenha­ng gibt. Wobei Rom heutzutage keine Funkenfeue­r kennt. Verbreitet ist der Brauch vielmehr rund um den Bodensee, in Oberschwab­en, dem Allgäu, Vorarlberg, Liechtenst­ein, dem Südbadisch­en, dem Elsass, in Burgund und Lothringen, der Wallonie, Luxemburg sowie in der Eifel – alles Gegenden, die katholisch geprägt sind und eine Fastnachts­oder Karnevalst­radition haben.

Dies verstärkt die Argumente der jüngeren Forschung zur Herkunft der Funkenfeue­r. Jedenfalls scheinen sie nach einigen Tiefs in den letzten 100 Jahren wieder recht beliebt zu. In Vorarlberg wurde der Brauch sogar 2010 in die Unesco-Liste des Immateriel­len Kulturerbe­s in Österreich aufgenomme­n. Die höchsten Holzstapel können übrigens bis zu 30 Meter erreichen. Da hatten die beiden Verunglück­ten in Bings mit dem Sturz aus zehn Metern noch Glück.

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FOTO: DPA Es lodert in der Nacht: Der Brauch der Funkenfeue­r ist vor allem in katholisch­en Gegenden mit Fastnachts­tradition verbreitet.

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