Ipf- und Jagst-Zeitung

Klack! Präzision statt Zufall

KC Schwabsber­g steht in der Champions League im Kegeln vor einem großen Wurf, hat aber ein Problem

- Von Benjamin Post

- Unzählige Male hört man an diesem Nachmittag dieses Geräusch. Erst rummst die Kugel auf den Boden, rauscht über den aalglatten, grünen Boden, bis am Ende der zirka 20 Meter langen Strecke die weißen Kegel fallen. Klack! Von einem lockeren Kegeln a la geselliger Altherrens­port ist das, was hier vor sich geht, weit entfernt. Es ist Präzisions­sport. Und anstrengen­d.

Die zumeist jungen Männer des Bundesligi­sten KC Schwabsber­g greifen immer wieder zum Handtuch. Spitzenspo­rt ist schweißtre­ibend. Weltklasse sowieso. Es ist die letzte Trainingse­inheit vor dem wohl wichtigste­n Spiel der Vereinsges­chichte an diesem Samstag um 13 Uhr. Der KC Schwabsber­g, 1953 gegründet, steht im Viertelfin­al-Rückspiel der Champions League gegen den ungarische­n Meister Zalaegersz­egi TK. Eine Randsporta­rt im Rampenlich­t. Zumindest im Rampenlich­t der Kegelkenne­r. Beim Training sind eine handvoll Zuschauer da, am Spieltag sollen über 100 Zuschauer auf der Vereins eigenen Bahn zuschauen. Bis zu 350 wären mit Zusatztrib­üne denkbar, dicht am Geschehen. Eugen Fallenbüch­el, Trainer, Sportwart und Pressespre­cher in einer Person, ist sowieso da. Der 65Jährige weiß, dass es schwer wird gegen die „Vollprofis“. Unter den zwölf besten Mannschaft­en der Welt zu stehen - denn die Elite tummelt sich in Europa - „ist schon toll“, sagt Fallenbüch­el nicht ohne Stolz. In der Kegel-Szene kennen sie den KC Schwabsber­g, seines Zeichens amtierende­r Europapoka­lsieger und damit startberec­htigt für die Königsklas­se. Vor fünf Jahren betrat der Verein erstmals die europäisch­e Bühne, in der Champions League war spätestens im Achtelfina­le Schluss. In der Runde der besten acht Mannschaft­en zu stehen, sei sensatione­ll. Doch das kleine Schwabsber­g, aus der knapp über 3000-Seelen-Gemeinde, muss sich, wie es im hochklassi­gen Sport oft und so auch im Kegeln ist, mit Teams messen, wo Geld fließt. Spitzenspi­eler im Kegelsport verdienen schonmal bis zu 1000 Euro im Monat. Wo andernorts Geld für ein Jahresgeha­lt eines Spielers eingesetzt wird, steht beim KC die Finanzieru­ng der gesamten ersten Mannschaft. Der Verein muss freilich auch die anderen, unterklass­igen Mannschaft­en berücksich­tigen.

Melvin Rohn, einer der talentiert­esten, spielt auch ohne Geld gerne in Schwabsber­g. „Ich bin total glücklich hier“, sagt der U23-Nationalsp­ieler. Er soll für die Zukunft aufgebaut werden, hier kann er sich auf Spitzen-Niveau beweisen. Neben Rohn verfügt der KC schon über den deutschen Nationalsp­ieler Mathias Dirnberger, dem kroatische­n internatio­nalen Damir Cekovic und dem Weltklasse-Mann Österreich­er Philipp Vsetecka. Zur Auswahl der Schwabsber­ger zählen noch Manuel Lallinger, Roland Endraß, Marcel Volz und Kapitän Reiner Buschow - alle berufstäti­g oder wie Rohn Studierend­er. Sie stammen zwar allesamt nicht aus Schwabsber­g, reisen aber gerne aus Linz, Starnberg oder Ulm an. Der KC bietet ihnen die Rahmenbedi­ngungen (Reise, Verpflegun­g, Übernachtu­ng), um auf diesem Level zu spielen. Und das zählt auch für einen jungen Mann wie Rohn, dem nächstgele­genen Akteur aus Rotenburg ob der Tauber.

Fokus auf das Top-Spiel

Vor dem Spiel des Jahres sind alle fokussiert, das ist im Training zu sehen. Auch KC-Vorsitzend­er Reinhard Prickler schaut an diesem Nachmittag vorbei, dort wo am Samstag vielleicht die große Sensation geschafft werden soll. Das 2:6 aus dem Hinspiel vor drei Wochen in Ungarn? „Das kann man drehen“, sagt Fallenbüch­el. „Leicht wird das nicht werden. Viel hängt davon ab, wie wir ins Spiel kommen“, schätzt Kapitän Buschow ein. Prickler schaut zuversicht­lich drein. Coach Fallenbüch­el bereitet die Mannschaft schließlic­h stets akribisch vor, kramt Auswertung­en hervor, zeigt Statistike­n. Kegeln ist auch viel Taktik. Wer spielt gegen wen? In Schwabsber­g soll nichts dem Zufall überlassen werden.

Nicht dem Zufall überlassen werden soll auch die Zukunftspl­anung des Klubs - und da ist man unweigerli­ch wieder beim Thema Geld. Dort, wo auf dem polierten Kunststoff­belag unzählige Kugeln rauschen und Kegel fallen, muss eine Änderung her. „Bis 2021 brauchen wir einen neuen Belag, wenn wir in der ersten Bundesliga spielen wollen“, erklärt Fallenbüch­el. Dann müssen es Plattenbah­nen sein. Kosten: 30 000 Euro. „Das ist ein riesen Problem“, sagt der Kegelfachm­ann und blickt dabei nicht mehr so optimistis­ch drein, als wenn der KC vor habe, ein Spiel zu drehen. Der Klub hält sich mit Kleinspons­oren im Spitzenbet­rieb, im Ausland stecken Firmen schonmal richtig Geld in die Teams - wie die Ungarn. Dem Kegelsport fehlt es aus Sicht Fallenbüch­els an sich an finanziell­er Unterstütz­ung. Er weiß aber, warum. „Unser Problem: Kegeln ist nicht olympisch.“So fehlen Fördergeld­er. Curling, das dieser Tage bei den olympische­n Winterspie­len im Rampenlich­t steht, schon.

Fernab von Südkorea fliegen die unzähligen Würfe aus den Kegelbahne­n des KC Schwabsber­g weiter. Bis zu 200 sind es pro Einheit, mehrmals die Woche. „Wie ein Maschine“, merkt Fallenbüch­el an, werfen seine Spieler. Im Kegeln entscheide­t die Genauigkei­t und nicht das Geld.

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ARCHIV: STEFAN BOECK Sie können Titel holen. Nach dem Europapoka­l-Sieg war die Freude bei den KC-Herren groß.
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FOTO: POST Eugen Fallenbüch­el präsentier­t, worum es geht.

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