Klack! Präzision statt Zufall
KC Schwabsberg steht in der Champions League im Kegeln vor einem großen Wurf, hat aber ein Problem
- Unzählige Male hört man an diesem Nachmittag dieses Geräusch. Erst rummst die Kugel auf den Boden, rauscht über den aalglatten, grünen Boden, bis am Ende der zirka 20 Meter langen Strecke die weißen Kegel fallen. Klack! Von einem lockeren Kegeln a la geselliger Altherrensport ist das, was hier vor sich geht, weit entfernt. Es ist Präzisionssport. Und anstrengend.
Die zumeist jungen Männer des Bundesligisten KC Schwabsberg greifen immer wieder zum Handtuch. Spitzensport ist schweißtreibend. Weltklasse sowieso. Es ist die letzte Trainingseinheit vor dem wohl wichtigsten Spiel der Vereinsgeschichte an diesem Samstag um 13 Uhr. Der KC Schwabsberg, 1953 gegründet, steht im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League gegen den ungarischen Meister Zalaegerszegi TK. Eine Randsportart im Rampenlicht. Zumindest im Rampenlicht der Kegelkenner. Beim Training sind eine handvoll Zuschauer da, am Spieltag sollen über 100 Zuschauer auf der Vereins eigenen Bahn zuschauen. Bis zu 350 wären mit Zusatztribüne denkbar, dicht am Geschehen. Eugen Fallenbüchel, Trainer, Sportwart und Pressesprecher in einer Person, ist sowieso da. Der 65Jährige weiß, dass es schwer wird gegen die „Vollprofis“. Unter den zwölf besten Mannschaften der Welt zu stehen - denn die Elite tummelt sich in Europa - „ist schon toll“, sagt Fallenbüchel nicht ohne Stolz. In der Kegel-Szene kennen sie den KC Schwabsberg, seines Zeichens amtierender Europapokalsieger und damit startberechtigt für die Königsklasse. Vor fünf Jahren betrat der Verein erstmals die europäische Bühne, in der Champions League war spätestens im Achtelfinale Schluss. In der Runde der besten acht Mannschaften zu stehen, sei sensationell. Doch das kleine Schwabsberg, aus der knapp über 3000-Seelen-Gemeinde, muss sich, wie es im hochklassigen Sport oft und so auch im Kegeln ist, mit Teams messen, wo Geld fließt. Spitzenspieler im Kegelsport verdienen schonmal bis zu 1000 Euro im Monat. Wo andernorts Geld für ein Jahresgehalt eines Spielers eingesetzt wird, steht beim KC die Finanzierung der gesamten ersten Mannschaft. Der Verein muss freilich auch die anderen, unterklassigen Mannschaften berücksichtigen.
Melvin Rohn, einer der talentiertesten, spielt auch ohne Geld gerne in Schwabsberg. „Ich bin total glücklich hier“, sagt der U23-Nationalspieler. Er soll für die Zukunft aufgebaut werden, hier kann er sich auf Spitzen-Niveau beweisen. Neben Rohn verfügt der KC schon über den deutschen Nationalspieler Mathias Dirnberger, dem kroatischen internationalen Damir Cekovic und dem Weltklasse-Mann Österreicher Philipp Vsetecka. Zur Auswahl der Schwabsberger zählen noch Manuel Lallinger, Roland Endraß, Marcel Volz und Kapitän Reiner Buschow - alle berufstätig oder wie Rohn Studierender. Sie stammen zwar allesamt nicht aus Schwabsberg, reisen aber gerne aus Linz, Starnberg oder Ulm an. Der KC bietet ihnen die Rahmenbedingungen (Reise, Verpflegung, Übernachtung), um auf diesem Level zu spielen. Und das zählt auch für einen jungen Mann wie Rohn, dem nächstgelegenen Akteur aus Rotenburg ob der Tauber.
Fokus auf das Top-Spiel
Vor dem Spiel des Jahres sind alle fokussiert, das ist im Training zu sehen. Auch KC-Vorsitzender Reinhard Prickler schaut an diesem Nachmittag vorbei, dort wo am Samstag vielleicht die große Sensation geschafft werden soll. Das 2:6 aus dem Hinspiel vor drei Wochen in Ungarn? „Das kann man drehen“, sagt Fallenbüchel. „Leicht wird das nicht werden. Viel hängt davon ab, wie wir ins Spiel kommen“, schätzt Kapitän Buschow ein. Prickler schaut zuversichtlich drein. Coach Fallenbüchel bereitet die Mannschaft schließlich stets akribisch vor, kramt Auswertungen hervor, zeigt Statistiken. Kegeln ist auch viel Taktik. Wer spielt gegen wen? In Schwabsberg soll nichts dem Zufall überlassen werden.
Nicht dem Zufall überlassen werden soll auch die Zukunftsplanung des Klubs - und da ist man unweigerlich wieder beim Thema Geld. Dort, wo auf dem polierten Kunststoffbelag unzählige Kugeln rauschen und Kegel fallen, muss eine Änderung her. „Bis 2021 brauchen wir einen neuen Belag, wenn wir in der ersten Bundesliga spielen wollen“, erklärt Fallenbüchel. Dann müssen es Plattenbahnen sein. Kosten: 30 000 Euro. „Das ist ein riesen Problem“, sagt der Kegelfachmann und blickt dabei nicht mehr so optimistisch drein, als wenn der KC vor habe, ein Spiel zu drehen. Der Klub hält sich mit Kleinsponsoren im Spitzenbetrieb, im Ausland stecken Firmen schonmal richtig Geld in die Teams - wie die Ungarn. Dem Kegelsport fehlt es aus Sicht Fallenbüchels an sich an finanzieller Unterstützung. Er weiß aber, warum. „Unser Problem: Kegeln ist nicht olympisch.“So fehlen Fördergelder. Curling, das dieser Tage bei den olympischen Winterspielen im Rampenlicht steht, schon.
Fernab von Südkorea fliegen die unzähligen Würfe aus den Kegelbahnen des KC Schwabsberg weiter. Bis zu 200 sind es pro Einheit, mehrmals die Woche. „Wie ein Maschine“, merkt Fallenbüchel an, werfen seine Spieler. Im Kegeln entscheidet die Genauigkeit und nicht das Geld.