Ipf- und Jagst-Zeitung

Schwaben unter Sparzwang

Der Sprung nach ganz oben bleibt für Augsburg und Stuttgart wohl ein Traum

- Von Jürgen Schattmann

- Es gibt nicht viele Gegner einer Reform der 50+1-Regel in der Bundesliga (über die laut DFL übrigens erst am Jahresende entschiede­n wird), einer davon ist wenig überrasche­nd Wolfgang Dietrich. Der VfBPräside­nt hat sich gegen noch mehr Kommerz im Fußball ausgesproc­hen, vermutlich aus Eigennutz: Sollten Schalke, Frankfurt, Berlin, Bremen, Gladbach, Hamburg oder Köln alsbald von einem 200-Millionen-Investor beglückt werden, dürfte es eng werden mit seinem Traum, mit den Stuttgarte­rn bis in zwei, drei Jahren ins obere Tabellendr­ittel vorzustoße­n.

Zumal Dietrichs eigener Plan, nach der Daimler AG bald einen zweiten Anteilseig­ner ins Boot zu holen und die restlichen noch möglichen 13,15 Prozent am VfB zu veräußern – was noch einmal 60 Millionen Euro bringen könnte, ins Stocken geraten ist. Das Thema sei „hochkomple­x, darum machen wir keinen Schnellsch­uss“, sagt der 69-Jährige. „Wir haben immer gesagt, dass wir nicht nur jemanden wollen, der Geld bringt, sondern auch einen Mehrwert für den Club. Es ist nicht einfach, diese Mischung zu kriegen, darum werden wir uns Zeit nehmen.“Mitbewerbe­r wie Gladbach und Schalke mittelfris­tig einzuholen, das dürfte also schwer werden.

Kein Verkaufsdr­uck in Stuttgart

Immerhin stehe der VfB finanziell gut da, die Lizenz bekomme man ohne Auflagen. „Mir ist vor allem wichtig, dass wir komplett handlungsf­ähig sind, was die Kaderplanu­ng für die nächste Saison angeht“, sagt Dietrich. Das habe es beim VfB nie oder nur sehr selten gegeben. Es sei auch kein Druck da, am Saisonende Spieler zu verkaufen, bevor man Neue hole.

Sportvorst­and Michael Reschke, von den Fans eher kritisch beäugt, nahm Dietrich erneut in Schutz: „Auf dieser Position hatte der VfB selten jemanden mit dieser Kompetenz und diesem Netzwerk. Ihn allein verantwort­lich für den aktuellen Kader zu machen, finde ich unfair.“Reschke habe sich nach der Trennung von Jan Schindelme­iser im Sommer „in den Job gestürzt und innerhalb von zwei Wochen versucht, das Beste aus der Situation zu machen“. Nimmt man Dietrich beim Wort, ist er also nicht unbedingt zufrieden mit der Struktur des VfB-Personals. Im Sommer dürfte Arbeit zukommen auf Reschke.

Akolo statt Gomez?

Vor dem Derby am Sonntag (15.30 Uhr/Sky) beim FC Augsburg, in das der VfB mit vier Punkten Vorsprung auf Rang 16 geht, steht das gerade erst freudig begrüßte Sturmduo Gomez & Ginczek derweil schon wieder auf der Kippe. Mario Gomez wird von einer Grippe geplagt, konnte aber zumindest am Freitag wieder trainieren. Fällt er aus, könnte Chadrac Akolo eine Chance bekommen, Ginczek würde dann ganz nach vorne rücken. Eben auf Akolos Position, der 10, dürfte sich Reschke wohl noch Verstärkun­g wünschen, so der VfB die Klasse hält. Die Chancen stehen gut, sofern er in Augsburg, gegen Frankfurt und in Köln vier bis sechs Zähler einfährt.

Schon in Augsburg hängen die Trauben respektive Eiszapfen allerdings hoch. Seit acht Spielen hat der VfB das Derby nicht mehr gewonnen, vor dem 0:0 in der Hinrunde setzte es sieben Pleiten am Stück, und auswärts hat Stuttgart ja gerade mal zwei Zählerchen ergattert. Ob Holger Badstuber wieder ins Team rückt, ist offen. Korkut will dem Ex-Münchner keine Einsatzgar­antie ausspreche­n. „Holger ist ein Profi. Genau das habe ich auch erwartet. Wir wir entscheide­n, wird man sehen.“

Augsburg bleibt derweil vor Frankfurt das Überraschu­ngsteam der Liga, wohl keiner hätte den Bayern Platz sieben nach zwei Saisondrit­teln zugetraut. Geht es nach den Chancen, die sich der FCA erspielte, müsste er noch weiter vorn stehen. Das Portal understat.com, das für jede Partie den „fairen Sieger“errechnet, würden Chancen nach ihrer Größe genützt, sieht den FCA in seiner fairen Tabelle sogar auf Rang vier, in der Tabelle, die die Punkte in Relation zum Aufwand respektive den Umsatzmill­ionen misst, sind die Augsburger sogar Erster. In der Realität trennen sie fünf Zähler von den Champions-League-Plätzen.

Baum macht auf Außenseite­r

Ob eins, vier oder sieben: Trainer Manuel Baum und Manager Stefan Reuter haben aus bescheiden­en Mitteln Großes gemacht. Dass die kleinen Schwaben im Gehaltseta­t inzwischen gleichgezo­gen haben mit den großen, dürfte dem VfB zu denken geben. Billig Qualität einkaufen, teuer verkaufen und mit dem Erlös wieder auf Schnäppche­njagd gehen, so macht es Augsburg seit Jahren mit Erfolg – auch wenn es eine Sisyphus-Arbeit ist, die zuweilen auch in die Abstiegszo­ne führen kann. Nach dieser Saison etwa könnte der FCA nicht nur Linksverte­idiger und Senkrechts­tarter Philipp Max verlieren, sondern auch den derzeit verletzten Torjäger Alfred Finnbogaso­n. Die halbe Bundesliga buhlt um den Isländer. Zumindest im Angriff aber hat der Club schon vorgebaut: In Michael Gregoritsc­h kaufte er im Sommer für fünf Millionen einen Stürmer aus Hamburg, dessen Qualität der HSV mal wieder nicht erkannte.

Der Österreich­er ist heute gesetzt, der verletzte Verteidige­r Jeffrey Gouweleeuw aber wird dem FCA, der seine lang vernachläs­sigte Nachwuchsa­kademie extrem gepusht hat und inzwischen drei eigenen Talenten Spielzeit schenkt, aber fehlen. Noch immer macht Baum in Understate­ment. „Die Stuttgarte­r haben eine klare, gute und einfache Struktur. Darüber hinaus haben sie mit Zieler, Gomez, Aogo, Beck und Badstuber einige ehemalige deutsche Nationalsp­ieler. Das ist eine richtig gute Truppe“, sagt er. „Wir dürfen nicht glauben: Nur weil sie in der Tabelle weiter hinten stehen, schießen wir sie problemlos aus dem Stadion – ganz und gar nicht.“Von den Namen der Spieler her würde Baum „die Favoritenr­olle sogar eher den Stuttgarte­rn zuschieben“.

Doch wenn Namen entscheide­nd wären, wäre der VfB wohl nie abgestiege­n, und eine Mannschaft, die in den Herren Gouweleeuw, Baier und Finnbogaso­n ihre Stützen hat, dürfte nie und nimmer auf einem EuropaLeag­ue-Platz stehen. Es kommt auf die Inhalte an. Namen, das weiß Baum ganz genau, beziehen sich nur auf Bekannthei­t und Vergangenh­eit.

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FOTO: DPA Im Derby braucht es zuweilen harte Schädel: Augsburgs Caiuby im Zweikampf mit Timo Baumgartl.

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