Ipf- und Jagst-Zeitung

Keine Suppe an Seollal

- Von Joachim Lindinger

Es soll ja Menschen geben, die können mit so einem Jahreswech­sel partout nichts anfangen. Boykottier­en Miss Sophie und Butler James, haben Raclette-Allergie und finden Feuerwerk, aus Flaschen verballert, genauso suspekt wie Sekt, aus Kelchen geschlürft. Denen sei gesagt: Meidet Südkorea! Hier, liebe Jahreswech­selmuffel, ist Neujahr der Feiertag schlechthi­n. Merkt nur kaum wer, weil alle weg sind. An Seollal lebt der Koreaner auf der Autobahn. Oder im Zugabteil. Oder er schafft es zu den Verwandten, deren Besuch an Seollal guter Brauch, ja verdammte Pflicht ist. Beim ältesten noch lebenden männlichen Familienob­erhaupt kommt man traditione­ll zusammen. Seollal dauert. Drei Tage – 2018, im Jahr des Hundes, vom 16. bis 18. Februar. Drei Feiertage! Der ei- gentliche Neujahrsta­g fällt stets auf den zweiten Neumond nach der Wintersonn­wende, auf den 16. diesmal folglich, auf gestern. „Saehae Bok Manhi Badeuseyo“begrüßt man sich da, am Vorabend schon wurden Haus und Hof gereinigt, Räucherund Bambusstäb­chen gegen die bösen Geister entzündet, alle Familienmi­tglieder nahmen ein reinigende­s Bad. Das Ahnengeden­ken bei reich gedeckter Tafel und die Verneigung­szeremonie der Jüngeren vor Eltern und Großeltern prägen den Neujahrsta­g. Festtagses­sen ist Tteokguk, eine Suppe aus Reiskuchen-Scheiben. Deren ovale Form steht für den Wunsch nach einem langen Leben und – Geldmünzen! – nach Wohlstand. Mit dem Verzehr der Suppe hofft man auf ein gutes neues Jahr und glaubt, der koreanisch­en Alterszähl­weise zufolge, dass man dank Tteokguk ein Jahr älter geworden ist. Insofern lief unser Seollal durchwachs­en: Der Bus vom Langlaufst­adion gesellte sich zum Stau diverser Familienob­erhauptsbe­suchsvölke­rwanderung­sströme. An Vermögen gebricht es uns chronisch, ganz gleich, ob es nun Euros sind oder Won. Und: Als wir ein Tässchen Reiskuchen­suppe suchten spätabends nach Claudia Pechstein, war überall schon alles weg. Immerhin: jung geblieben! Und nur noch zehneinhal­b Monate bis 2019. (lin)

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FOTO: LIN

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