Ipf- und Jagst-Zeitung

Die Zeit läuft gegen die gute alte Armbanduhr

Im Alltag verdrängt das Handy meist die Uhr am Arm – Manche Schweizer Hersteller setzen dennoch bewusst auf traditione­lle, mechanisch­e Zeitmesser

- Christiane Oelrich

Wenn sich die Uhrmacherm­eister in der MB&F-Werkstatt in Genf über ihre neueste Kreation beugen, spielt Zeit keine Rolle. Die Manufaktur hat im vergangene­n Jahr ganze 245 Zeitmesser hergestell­t. „Hinter jedem Stück stehen drei Jahre Design, und jedes Teil besteht aus 300 bis 600 Komponente­n“, sagt Firmengrün­der Maximilian Büsser. MB&F stellt exklusive mechanisch­e Armbanduhr­en und Zeitmesser her. Aber sind traditione­lle Armbanduhr­en in Zeiten von Smartwatch­es nicht Auslaufmod­elle? „Wenn ich im Preissegme­nt von 300 bis 500 Euro unterwegs wäre, wäre ich in Panik, da sehe ich praktisch keine Zukunft“, sagt Büsser.

Ein Blick an die Handgelenk­e junger Leute zeigt: Armbanduhr war offenbar gestern. Viele zücken das Handy zum schnellen Uhrzeitche­ck, andere haben smarte Minicomput­er umgeschnal­lt, die GPS-Koordinate­n zeigen, Fitnessdat­en sammeln und Passwörter verwalten. Die „Freunde mechanisch­er Uhren“lamentiere­n in ihrem Onlineforu­m: „Ich sehe doch die jüngere Generation viel eher mit Smartphone­s in der Hand, als mit Uhren am Arm.“Darauf ein anderer: „Es muss nicht immer jeder mit dem Strom schwimmen, nur weil alle anderen ihre Handys oder sonstigen Schnicksch­nack zum Zeitablese­n benutzen.“

Ein werbefinan­ziertes Nachrichte­n-Onlineport­al beschwört junge Leser, dass herkömmlic­he Uhren auch etwas für sich haben: „Nicht zu jedem Anlass empfiehlt es sich, das Handy aus der Tasche zu holen. Am Strand, bei einer Beerdigung oder einer Hochzeit ist eine Armbanduhr praktische­r, um nach der Uhrzeit zu schauen“, heißt es da. Oder: „Armbanduhr­en helfen Männern nicht nur dabei, ihren Terminplan einzuhalte­n, sondern auch, ihren Style darzustell­en.“

Mit Feder und Zahnrädche­n

Beim Verband der Schweizeri­schen Uhrenindus­trie schrillen keine Alarmglock­en. „Bis jetzt kann man nicht sagen, dass Smartwatch­es das Geschäft mit anderen Uhren beeinträch­tigen“, sagt Verbandspr­äsident Jean-Daniel Pasche. „Aber man kann auch das Gegenteil nicht beweisen.“In der Schweiz gehe der Trend seit Jahren sogar eher Richtung mechanisch­e Uhren, wert- und stückmäßig, sagt Pasche.

Allerdings ist der Schweizer Markt mit Marken wie Rolex, Omega, Baume & Mercier oder Piaget wegen seiner traditione­llen Uhrma- cherexpert­ise auch speziell: Während weltweit mehr als 90 Prozent der hergestell­ten Uhren elektronis­ch sind, also Strom etwa über eine Batterie brauchen, liegt der Anteil in der Schweiz nur bei 70 Prozent.

30 Prozent der Schweizer Uhren sind mechanisch, das heißt, sie haben Federn und Zahnrädche­n und werden von Hand oder durch Bewegung aufgezogen. Solche Uhren sind deutlich teurer. Deshalb machen mechanisch­e Uhren 80 Prozent des Schweizer Exporterlö­ses aus, so Pasche.

Einige Edelherste­ller versuchen den Spagat mit Armbanduhr­en, die wie traditione­lle Uhren aussehen, aber Smartfunkt­ionen bieten. Zum Beispiel Tag Heuer mit seiner Connected für mehrere Tausend Euro. Aber Büsser bleibt entspannt der Tradition verpflicht­et. „Zwei Dinge können Smartwatch­es uns nie geben: Ein Kunstwerk am Arm, das eine Seele hat, und Status“, sagt er. „Das wird unsere Industrie retten.“

Seine Manufaktur schaffe Präzisions­maschinen, die an Jahrhunder­te alte Tradition anknüpfen. „Diese Kunst, Stahl und Messing in Zeit zu verwandeln – genial“, schwärmt er. Die Kunst hat ihren Preis: Die MB&F-Zeitmesser in limitierte­r Auflage kosten zwischen 50 000 und 250 000 Euro.

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FOTO: THOMAS SABO Der Zeitmesser am Handgelenk dient vor allem als stilvolles Accessoire.
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FOTO: DPA Ein Schweizer Uhrmacher von MB&F bei der Arbeit in der Werkstatt in Genf. Zeit spielt keine Rolle bei der Herstellun­g solch exklusiver, mechanisch­er Stücke – sondern Tradition.
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FOTO: NEYBOX DIGITAL Die Smartwatch kann mehr als die Zeit anzeigen – etwa eine Schlafanal­yse erstellen.

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