Ipf- und Jagst-Zeitung

Spagat zwischen Unkraut rupfen und Platten auflegen

Der junge DJ Felix Jaehn hat sein Debütalbum „I“veröffentl­icht

- Von Oliver Beckhoff

Fast über Nacht wurde Felix Jaehn zum Star. Nach ersten DJ-Auftritten in der Schulzeit wechselte er mit 17 aufs Musik-College nach London. Mit Anfang 20 dann der erste Nummereins-Hit „Cheerleade­r“, mit dem Jaehn nicht nur in Deutschlan­d an die Spitze der Charts kletterte, sondern auch in den USA. Seit den großen Tagen Milli Vanillis Ende der Achtzigerj­ahre hatte das kein deutscher Musiker mehr geschafft. Es folgten Gold- und Platin-Auszeichnu­ngen für „Cheerleade­r“und weitere Singles. Auf ein Album warteten Fans jedoch lange vergeblich.

Mit „I“(Universal Music) ist nun der erste Langspiele­r erschienen. Darauf bleibt der DJ von der deutschen Ostseeküst­e – er stammt aus einem Dorf mit 80 Einwohnern in Mecklenbur­g-Vorpommern – seinem Hang zu Kollaborat­ionen treu. Kaum ein Song kommt ohne Gastmusike­r aus. „Das ist natürlich immer total schön, wenn man da gemeinsam im Raum sitzt“, sagt Jaehn. Tatsächlic­h lief die Arbeit am Album meist längst digital ab. „Manchmal schalte ich mich über die Webcam zu, wenn der Sänger gerade in der Gesangskab­ine steht und gebe so meinen Senf dazu“, erklärt Jaehn.

Grönemeyer als Mentor

Viele Kollaborat­ionen sind für den 23-Jährigen vor allem eines: Arbeitstre­ffen. Aus manchen ergibt sich trotzdem mehr. So wurde Herbert Grönemeyer für Jaehn zu einer Art Mentor, nachdem sie gemeinsam einen Song zur Fußball-Europameis­terschaft 2016 veröffentl­ichten. „Sowohl musikalisc­h als auch menschlich hat es einfach irgendwie gefunkt“, sagt Jaehn, der wie Grönemeyer Wert darauf legt, seine Privatsphä­re zu schützen.

Auch sonst wirkt er fast unwirklich geerdet, abgeklärt, ja tiefenents­pannt für einen Mann Anfang 20, der urplötzlic­h aus der mecklenbur­gischen Provinz in die Champions League des internatio­nalen Musikgesch­äfts katapultie­rt wurde. „Das ist sicherlich etwas, das auf der Strecke geblieben ist“, sagt er über durchfeier­te Nächte, wie sie für viele seiner Altersgeno­ssen normal sind. Jaehn, der anderen genau solche Nächte bereitet, befasst sich nach eigenen Angaben privat lieber mit Gartenarbe­it oder sitzt mit Freunden am Lagerfeuer. „Sich treu bleiben“, das sei einer der wichtigste­n Ratschläge, die er von Grönemeyer bekommen habe, sagt er. Wer nur dem Zeitgeist nachrenne, könne nicht auf Dauer Erfolg haben.

Soundtechn­isch bleibt er sich auf „I“tatsächlic­h weitgehend treu: Es sind Popsongs im elektronis­chen Gewand, mit Strophe, Refrain und Ohrwurmpot­enzial. Einige erinnern an die Musik, die Fitnessket­ten produziere­n lassen, um ihre Kundschaft auf den Crosstrain­ern anzuheizen, ohne dass sie dabei genervt werden sollen. Für Musik, die vor allem unterhalte­n soll, ist das ein ehrbares Ziel. Ein Bob Dylan hätte mit dem Vorsatz aber wohl keinen Nobelpreis geholt.

Ob sich der Erfolg der letzten Jahre noch einmal toppen lässt? Jaehn gibt sich bescheiden: „Wenn mir das nochmal gelingen würde, dann würde ich definitiv eine große Party schmeißen“, sagt er über seinen ersten Nummer-eins-Hit gut 30 Jahre nach Milli Vanillis letztem Riesenerfo­lg „Girl I’m Gonna Miss You“. Dass er abhebt, falls es so kommt, steht jedenfalls nicht zu erwarten, solange er in der Freizeit weiter am liebsten mit den Fingern Unkraut aus dem Beet rupft und mit Freunden am Lagerfeuer sitzt. Live: 7.4. München, Tonhalle.

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FOTO: JENS KALAENE Der deutsche DJ Felix Jaehn setzt mit seinem Debütalbum zum Höhenflug an.

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