Ipf- und Jagst-Zeitung

Das heikle Ding mit dem Du

Duzen ist in vielen Unternehme­n heute Standard – selbst gegenüber Vorgesetzt­en

- Von Sabine Meuter

Das förmliche „Herr“, die „Frau“und ganz allgemein das „Sie“gelten in vielen Firmen als altbacken. Nicht nur trendige Start-ups, auch traditione­llere Mittelstän­dler praktizier­en das kollektive Du, vom Azubi bis zum Geschäftsf­ührer. Die Idee dahinter: Beim gemeinsame­n Streben nach dem Unternehme­nserfolg kommt es auf jeden Einzelnen an – deshalb sollen die Hierarchie­n flach und der Umgangston locker sein. Und dann ist der Chef eben „Heiner“und nicht „Herr Schmitz“. Doch das gefällt nicht jedem.

Es fängt mitunter schon mit der Stellenanz­eige an. „Wir suchen Dich, bring Dich mit Deinen Fähigkeite­n und Talenten bei uns ein und bewirb Dich“, heißt es da. Die Stellenbes­chreibung klingt verlockend. Aber manch ein Interessen­t gerät vielleicht ins Grübeln, wie er jetzt seine Bewerbungs­unterlagen gestalten soll. Auch duzen? Die Personalch­efin, die man gar nicht kennt, mit „Hallo Stefanie“anschreibe­n? Klare Antwort: „Ja, natürlich“, sagt Christa Stienen, Vizepräsid­entin beim Bundesverb­and der Personalma­nager (BPM).

Wer geduzt wird, darf zurückduze­n. Wer sich davor scheut, kann stattdesse­n aber auch allgemeine­re Anreden benutzen und zum Beispiel „Liebes Team“schreiben, rät Stienen. Auch eine Anrede wie „Guten Tag Ralf Schröder“sei möglich, erklärt Jutta Boenig, Vorstandsv­orsitzende der Deutschen Gesellscha­ft für Karrierebe­ratung (DGfK). Und wer Ralf Schröder so gar nicht duzen mag, kann auch das Sie verwenden. Selbst die Anrede „Sehr geehrte Damen und Herren“geht in solchen Fällen noch – im Auswahlver­fahren von Bewerbern ist etwas zu viel Höflichkei­t wohl kaum ein Ausschluss­kriterium.

Linda Kaiser von der DeutschenK­nigge-Gesellscha­ft (DKG) empfiehlt sogar, auch bei locker-flockigen Inseraten im Anschreibe­n zunächst förmlich zu bleiben. „Kommt es dann zum Vorstellun­gsgespräch, kann der Bewerber immer noch schauen, ob man gesiezt oder geduzt wird und sich darauf einstellen“, erklärt sie. Denn auch wenn die Stellenanz­eige eher kumpelhaft daherkommt, gelten die Grundregel­n für eine gelungene Bewerbung weiter: Rechtschre­ib- und Grammatikf­ehler sollte man sich dann also auch nicht leisten.

Zurückhalt­ung bei der Bewerbung

Und auch im Vorstellun­gsgespräch ist selbst bei Duz-Unternehme­n Zurückhalt­ung gefragt. Bewerber sollten also keinesfall­s direkt auf den Chef zugehen und „Hi, ich bin die Melanie“sagen. Stattdesse­n rät Boenig, die Situation erstmal zu beobachten und sich dann anzupassen. „Wird geduzt und der Bewerber tut sich damit schwer, dann kann er dies auch sagen“, sagt die Expertin. Etwa so: „Das ,Du’ ist für mich momentan ungewohnt und ich bitte um Nachsicht, wenn mir zwischendu­rch das ,Sie’ herausruts­cht.“Die gleiche Zurückhalt­ung wie im Vorstellun­gsgespräch ist auch am ersten Arbeitstag gefragt. Denn der Ball für das Duzen liegt bei den anderen. „Unter keinen Umständen darf beim kollektive­n Duzen die Hierarchie außer Acht gelassen werden“, warnt Kaiser. Der Chef ist und bleibt der Vorgesetzt­e, dem man auch bei einem Du mit Abstand und Respekt begegnen sollte. Das gilt auch im Umgang mit allen anderen Kollegen.

Das Duzen am Arbeitspla­tz sollte auch nicht dazu verleiten, Kollegen automatisc­h wie Freunde zu behandeln. „Vertraulic­hkeiten und private Dinge haben im Job nichts zu suchen“, betont Stienen. Solche nicht erwünschte Nähe können sich Arbeitnehm­er, die darauf keine Lust haben, auch verbitten. Eheproblem­e oder Schwierigk­eiten mit dem pubertiere­nden Kind sind auch unter Duz-Kollegen keine guten SmalltalkT­hemen. Anders ist das natürlich, wenn Kollegen außerhalb des Jobs Freunde sind.

Teil der Unternehme­nskultur

„Durch Duzen am Arbeitspla­tz wächst nicht automatisc­h Vertrauen“, sagt Stienen. Aus ihrer Sicht vereinfach­t der Verzicht auf „Herr“oder „Frau“im Alltag aber vieles. So könne das Du tatsächlic­h dazu beitragen, das Wir-Gefühl zu stärken. Und ist es Teil der Unternehme­nskultur, können sich Duz-Muffel dem ohnehin nur schwer entziehen. „Wer mit dem Duzen in der Arbeitswel­t grundsätzl­ich Bauchschme­rzen hat, sollte sich gut überlegen, ob er oder sie in der Firma überhaupt richtig ist“, rät auch Boenig. Unternehme­n mit Sie-Kultur gibt es ja weiterhin.

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Eine Frage der Unternehme­nskultur: An vielen Arbeitsplä­tzen herrscht heute das kollektive Du – vom Azubi bis zum Geschäftsf­ührer.

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