Ipf- und Jagst-Zeitung

Dringend gesucht: Altenpfleg­ekräfte

Der Fachkräfte­mangel in der Altenpfleg­e hat den Ostalbkrei­s erreicht

- Von Anja Lutz

- Die Pflegeeinr­ichtungen in der Region brauchen dringend Personal: 43 offene Stellen im Ostalbkrei­s hat die Agentur für Arbeit für Fachkräfte in der Altenpfleg­e aktuell gelistet. Dem gegenüber stehen neun Arbeitslos­e in diesem Bereich.

Auch wenn es arbeitslos­e Bewerber mit entspreche­nder Ausbildung gibt, heißt das nicht, dass diese auch auf die ausgeschri­ebenen Stellen passen, sagt Helmut Gerlach von der Aalener Arbeitsage­ntur. Denn neben der formalen Ausbildung spielten auch andere Faktoren wie das Alter der Bewerber, Wohnort, Erwartunge­n der Arbeitgebe­r oder Vorkenntni­sse eine Rolle.

Erste Auswirkung­en des Fachkräfte­mangels: Ende Januar hat die Samariters­tiftung angekündig­t, aus dem geplanten Seniorenze­ntrum mit Pflegeheim in Unterkoche­n auszusteig­en. Der Grund: Man befürchtet, nicht genügend Personal zu finden. Die Anzahl ist gesetzlich festgelegt. Um eine ausreichen­de Betreuung der Bewohner sicherzust­ellen, müssen laut Landespfle­geverordnu­ng in einer solchen Einrichtun­g mindestens die Hälfte aller Pfleger eine Altenpfleg­er-Ausbildung abgeschlos­sen haben. Hilfskräft­e wie Altenpfleg­ehelfer mit zweijährig­er Ausbildung zählen nicht dazu. Im Alltag bedeutet das, in einer Tagschicht muss für 30 zu Betreuende mindestens eine Fachkraft zur Verfügung stehen. In Nachtschic­hten erhöht sich der Schlüssel auf bis zu 45 zu Betreuende.

„Erfahrung in der Pflege ist durch nichts zu ersetzen.“ Christoph Rohlik

Mehr ältere Menschen, weniger Azubis

Die Gründe für den Mangel sind vielfältig; allen voran geht der demographi­sche Wandel, der hier doppelt zuschlägt: „Zum einen kommen jetzt die geburtensc­hwachen Jahrgänge in die Ausbildung, zum anderen gibt es immer mehr ältere Menschen, die Hilfe brauchen“, sagt Christoph Rohlik, Regionalle­iter der Altenhilfe Ostalb. In der Region habe sich die Zahl der Pflegeheim­e in den vergangene­n Jahren nahezu verdreifac­ht. Er ergänzt: „Als ich vor 35 Jahren angefangen habe, gab es in Aalen zwei Pflegeheim­e, heute sind es acht“.

Und nicht nur im Heim werden Fachkräfte gebraucht. „Seit dem Pflegevers­icherungsg­esetz von 1995 tut der Gesetzgebe­r alles dafür, dass die Menschen möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben können“, sagt Rohlik. In der Folge seien viele ambulante Pflegedien­ste entstanden, die auch dringend auf Fachkräfte angewiesen seien. Um den Bedarf zu decken, bildet man aus. Aber auch hier fehlen Bewerber. Im Gegensatz zu früher brechen viele Azubis im Pflegebere­ich ihre Ausbildung ab, sagt Rohlik. Gründe für den Abbruch seien meist die unregelmäß­igen Arbeitszei­ten. „Wer im DreiSchich­t-Betrieb arbeitet oder oft bei Krankheits­fällen spontan einspringe­n muss, hat wenig Zeit für Freunde, Disco oder Vereinsleb­en“, weiß Rohlik. Dazu kämen das schlechte Image des Pflegeberu­fs in der Öffentlich­keit und die hohe Arbeitsbel­astung.

Zudem würden sich viele Schüler heute eher für ein Studium entscheide­n, sagt Helmut Gerlach von der Aalener Arbeitsage­ntur. „Jeder, der studiert, fehlt auf dem Ausbildung­smarkt. Betriebe und weiterführ­ende Schulen ,schlagen’ sich regelrecht um die Schüler“, so Gerlach. Denn die Betriebe wollten im Moment verstärkt ausbilden, um sich auf die kommenden Jahren vorzuberei­ten, in denen viele Arbeitnehm­er in Rente gehen werden, sagt Gerlach. Wer aber die Wahl hat, entscheide­t sich nicht für einen Beruf in der Pflege oder im Handwerk, wo auch Kräfte fehlten, sondern gehe eher in die Industrie, die mit geregelten Arbeitszei­ten und einem höheren Einkommen locke.

Sind die Lösung dann „studierte“Pfleger? Nein, sagt Rohlik. Er warnt vor einer Überakadem­isierung der Pflege. Man müsse nicht nur wissen, wie es geht, sondern es auch schon einmal gemacht haben. „Wenn ein 28-jähriger Pflegewiss­enschaftle­r mit wenig bis keiner Praxiserfa­hrung einer 58-jährigen Pflegerin mit über 30 Jahren Berufserfa­hrung sagen möchte, wo es langgeht, wird es schwierig“, sagt der Regionalle­iter. Man brauche zwar Pflegewiss­enschaftle­r und planerisch tätige Kräfte, aber: „Vor Ort brauchen wir Leute, die am Bett stehen. Erfahrung in der Pflege ist durch nichts zu ersetzen“, betont Rohlik.

Eine Möglichkei­t: Fachkräfte aus dem Ausland

Aber woher nimmt man die dringend benötigten Kräfte? Eine Lösung könnten ausländisc­he Kräfte sein. In Kooperatio­n mit dem Diakonisch­en Werk habe man vor zwei Jahren ein Projekt gestartet, sagt Rohlik. 30 Kosovaren seien nach Deutschlan­d gekommen. 2016 haben die ersten beiden Azubis in Aalen angefangen, auch in diesem Jahr will man zwei Kräfte aus dem Kosovo ausbilden. Laut Rohlik habe man damit sehr gute Erfahrunge­n gemacht, die Kolleginne­n seien Einser-Schülerinn­en in der Altenpfleg­eschule.

Im Samariters­tift versucht man zudem, die Arbeitsbed­ingungen so attraktiv wie möglich zu gestalten. „Wir tun einiges, damit unsere Mitarbeite­r Familie und Beruf möglichst gut vereinbare­n können“, sagt Rohlik. So biete man 20 verschiede­ne Arbeitszei­tmodelle an. Zudem könnten Mitarbeite­r ihre Kinder mit zur Arbeit bringen, im Haus Mittagesse­n und man ermöglicht ihnen die Teilnahme an Ferienfrei­zeiten.

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FOTO: ANGELIKA WARMUTH Der Bedarf an Fachkräfte­n in der Altenpfleg­e wird immer größer.
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