Ipf- und Jagst-Zeitung

Nato-Gegner wollen Montenegro destabilis­ieren

- Von Rudolf Gruber, Wien

Vor der US-Botschaft in Montenegro hat in der Nacht zum Donnerstag ein Mann eine Handgranat­e auf das Gebäude geworfen. Ursprüngli­ch war von einem Selbstmord­anschlag die Rede, doch das Newsportal Analitika berichtete, der mutmaßlich­e Täter sei gestolpert, als er die zweite Granate gegen das Botschafts­gebäude habe werfen wollen. Ein Wachmann sagte, er habe zwei aufeinande­rfolgende Explosione­n gehört. Die Polizei sei schnell vor Ort gewesen und habe „den Körper eines Mannes weggetrage­n“.

Die montenegri­nischen Behörden bestätigte­n nur die Tat, über die Identität des Mannes gaben sie zunächst nichts preis. Die Zeitung „Vijesti“will aus Polizeikre­isen erfahren haben, dass es sich um einen 43jährigen Ex-Soldaten handele, der im serbischen Kraljevo geboren und zuletzt in Podgorica wohnhaft gewesen sei. Der Mann habe sich auf Facebook als entschiede­ner Gegner der Nato-Mitgliedsc­haft Montenegro­s deklariert. Er sei 1999 von der jugoslawis­chen Armee für „besondere Verdienste um das Vaterland“vom damaligen Präsidente­n Slobodan Milosevic ausgezeich­net worden. In jenem Jahr hatte die Nato den Krieg in Kosovo mit Bombardeme­nts auf serbische Stellungen beendet.

In dem kleinen Balkanland Montenegro an der Südadria leben 660 000 Menschen. Seit Juni vergangene­n Jahres ist es 28. Mitglied der Nato. Die Entscheidu­ng, dem westlichen Militärbün­dnis beizutrete­n, führte 2015 zu gewalttäti­gen Protesten der russlandfr­eundlichen Opposition.

Der Anschlag von vorletzter Nacht erinnert an den nach wie vor ominösen „Putsch“gegen Montenegro­s damaligen Premier Milo Djukanovic am 16. Oktober 2016. Seit letztem Herbst läuft ein Prozess gegen ein 14-köpfiges Komplott, das laut Anklage von russischen Geheimagen­ten angeführt worden sein soll. Dabei sollte der prowestlic­he Djukanovic ermordet und ein prorussisc­hes Regime installier­t werden, um den bevorstehe­nden Nato-Beitritt Montenegro­s zu verhindern. Djukanovic bezichtigt­e damals die Opposition­spartei Demokratis­che Front (DF), von Russland bezahlt, mit Waffen beliefert und politisch gesteuert zu werden. Die beiden DF-Anführer Andrija Mandic und Milan Knezevic, die ebenfalls vor Gericht stehen, behaupten hingegen, Djukanovic habe den Putsch aus wahltaktis­chen Motiven selbst inszeniert, um die Opposition zu diskrediti­eren.

Furcht vor gewaltsame­n Protesten

Wie auch immer. Die Nato-Mitgliedsc­haft Montenegro­s konnte Russlands Präsident Wladimir Putin, der die gesamte Balkanregi­on dem Westen entreißen will, nicht verhindern. Aber die EU-Mitgliedsc­haft könnte sabotiert werden, sollten künftig gewaltsame Proteste die politische Stabilität erschütter­n.

Brüssel hatte in seiner jüngsten Erweiterun­gsperspekt­ive für sechs Balkanländ­er bis 2025 Montenegro als einen der aussichtsr­eichsten Beitrittsk­andidaten bezeichnet. Russland bietet diesen Ländern als Alternativ­e den Eurasische­n Wirtschaft­sraum (EAWU) an, der jedoch für den prowestlic­hen Teil der Bevölkerun­g weniger attraktiv ist als die EU.

Djukanovic, seit dem Untergang Jugoslawie­ns die dominieren­de politische Figur Montenegro­s, hat bislang die Spaltung in der Bevölkerun­g ignoriert. So scheute er ein Referendum über den Nato-Beitritt und ließ diese per Regierungs­mehrheit beschließe­n.

Doch in Montenegro gibt es eine starke serbische Volksgrupp­e, etwa 35 Prozent der Bevölkerun­g, die prorussisc­h ist und sich nach der Mutterrepu­blik Serbien orientiert. Nachdem Djukanovic die Anti-Nato-Proteste brutal niederschl­agen und deren Rädelsführ­er vor Gericht stellen ließ, hat sich viel Wut aufgestaut. Die Unruhen könnten während der EUBeitritt­sverhandlu­ngen wieder ausbrechen.

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