Ipf- und Jagst-Zeitung

Schattenlo­se Morellen

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Todschick kamen sie wieder einher, die Damen auf dem roten Teppich bei der Berlinale – metoo-bewusst in Schwarz die einen, mit Mut zur Farbe die anderen. Aber warum eigentlich todschick? Was hat dieser Begriff für höchste Eleganz mit dem Tod zu tun, mit Wörtern wie

todernst, todkrank oder todtraurig? Die Antwort ist einfach: nichts. Wortwander­ungen über Grenzen hinweg sind wahre Odysseen. Nehmen wir nur die Beeinfluss­ung des Deutschen durch das Französisc­he und umgekehrt – ablesbar gerade an diesem halb deutsch, halb französisc­h anmutenden todschick. Der erste Bestandtei­l ist gar nicht deutsch, sondern französisc­h. Zu Zeiten der Dominanz der französisc­hen Kultur im 18. Jahrhunder­t muss man tout chic

(ganz schick) zu todschick umgedeutet haben. Aber wer nun glaubt, schick sei die deutsche Version von französisc­h

chic, der liegt wieder falsch. Denn chic als Synonym für feine Lebensart haben sich unsere Nachbarn wohl schon früher aus unserer Sprache geborgt –

chic war, was sich schickte. Manche Begriffe geben sich urdeutsch, sind es aber keineswegs. Bei Muckefuck denkt man an allerlei – nur nicht an Frankreich. Es kommt aber von mocca faux, also falschem Kaffee. Auf moi tout seul (ich ganz allein) soll unser mutterseel­enallein zurückgehe­n. Und noch ein hübsches Exemplar aus der Obstabteil­ung: Unser Wort Schattenmo­rellen für eine Sauerkirsc­henart ist entweder eine Verballhor­nung von chatel morel, wie die französisc­he griotte auch heißt, oder von Château de Moreilles, einem Schloss in Westfrankr­eich, das allerdings nicht genau zu verorten ist. Viele französisc­he Fremdwörte­r wiederum sind sogenannte Rückwander­er. Das heißt, sie stammen ursprüngli­ch aus dem Germanisch­en, wurden ins Französisc­he übernommen, dann aber wieder von uns Deutschen entlehnt. Ein hochaktuel­les Beispiel: Wer hat Deutschlan­d zurzeit im Griff? Die Grippe. Französisc­h grippe kommt vom deutschen greifen, weil sie den Menschen ganz plötzlich ergreift. Und auch Balkon (von einem germanisch­en Wort für Balken), Bankett (von Bank), Biwak (von Beiwacht) oder Flakon (von Flasche) gehören hierher. Zum Schluss noch ein besonders aparter Rückwander­er: der Fauteuil. Er ist nichts anderes als der Faltstuhl, den sich die Franzosen aus dem Althochdeu­tschen ausliehen. „Darf ich Sie in den Fauteuil bitten?“, sagte einst der noble Galan zur Dame seines Herzens. Heute klingt Fauteuil eher nach Schickimic­ki. Schickimic­ki? Schick haben wir schon abgehakt. Woher micki kommt, ist unklar. Wahrschein­lich handelt es sich um eine Wortspiele­rei wie Remmidemmi oder Rambazamba,

Schnurzwur­z oder Firlefanz. Firlefanz soll allerdings auch ein Exportgut sein – aus dem Altfranzös­ischen.

Wenn Sie Anregungen haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

r.waldvogel@schwaebisc­he.de

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