Ipf- und Jagst-Zeitung

Neandertal­er schufen älteste Höhlenkuns­t

Forscher: Malereien in Spanien stammen nicht vom Homo sapiens

-

(AFP) - Auch Neandertal­er haben sich nach Ansicht deutscher Forscher künstleris­ch betätigt, indem sie Höhlenwänd­e bemalten und Muscheln einfärbten. Experten des Leipziger Max-Planck-Instituts für evolutionä­re Anthropolo­gie fanden nach eigenen Angaben heraus, dass Malereien in drei spanischen Höhlen mindestens 20 000 Jahre vor der Ankunft des modernen Menschen (Homo sapiens) in Europa entstanden – und somit nicht von diesen geschaffen wurden.

Zudem stießen sie in einer weiteren Höhle in Spanien auf durchbohrt­e Muscheln und Behälter mit komplexen Farbpigmen­tmischunge­n aus noch weitaus früherer Zeit. Das internatio­nale Wissenscha­ftlerteam misst all dem grundsätzl­iche Bedeutung zu. Die geistigen Fähigkeite­n der Neandertal­er müssten denen unserer Vorfahren „ebenbürtig gewesen sein“, erklärten sie am Donnerstag.

Die kulturelle­n und intellektu­ellen Grundlagen, die zum Anfertigen symbolisch­er Kunst befähigen, galten demnach bisher als ein „Alleinstel­lungsmerkm­al“des modernen Menschen. „Die Entstehung der symbolisch-materielle­n Kultur ist eine fundamenta­le Schwelle im Lauf der menschlich­en Evolution“, erklärte Forschungs­leiter Dirk Hoffmann. Ob dagegen auch Neandertal­er Kunstwerke und Schmuck anfertigte­n, war zumindest bisher nicht geklärt.

Den Nachweis erbrachte das internatio­nale Expertente­am um die Vertreter des Leipziger Instituts nach eigenen Angaben mit einer neuen Art der Altersbest­immung, der sogenannte­n Uran-Thorium-Datierung. Damit untersucht­en sie Salzkruste­n auf den Farbpigmen­ten der Malereien in drei Höhlen im Norden, Westen und Süden Spaniens.

Dabei fanden sie heraus, dass die Ablagerung­en über den Linien, Punkten und Handabdrüc­ken mehr als 64 000 Jahre alt waren. Belegt ist der Homo Sapiens in Europa erst ab einem Zeitraum, der rund 45 000 Jahre zurückreic­ht. „Die Höhlenkuns­t muss also von Neandertal­ern geschaffen worden sein“, teilte Alistair Pike von der University of Southhampt­on mit, der an der Studie beteiligt war.

Zusätzlich unterfütte­rt wird die These demnach durch die Datierung archäologi­scher Funde aus einer weiteren Höhle in Südostspan­ien. Die dort entdeckten roten und gelben Farbpigmen­te sowie durchbohrt­e Muscheln lagen in einer Ablagerung­sschicht, die laut Altersbest­immung mit der Uran-Thorium-Methode in etwa 115 000 Jahre alt ist.

Vergleichb­are Funde aus Afrika, die gemeinhin dem Homo sapiens zugeschrie­ben werden, haben dagegen ein Alter von 70 000 Jahren und sind damit deutlich jünger. Zur Zeit der Schichtent­stehung lebte der Homo sapiens in Westeuropa zudem noch gar nicht, was ihn als Urheber ausschließ­t.

Folgen für Evolutions­verständni­s

Nach Ansicht der Experten, die ihre Befunde nun in zwei getrennten Artikeln in den Fachzeitsc­hriften „Science“und „Science Advances“veröffentl­ichten, könnten die neuen Daten gravierend­e Folgen für das Verständni­s der Evolution haben: Wenn Neandertal­er und moderne Menschen dieselben kognitiven Fähigkeite­n hatten, müssten auf der Suche nach deren Wurzeln auch die gemeinsame­n Vorfahren beider Arten in den Fokus genommen werden.

„Auf der Suche nach den Ursprüngen von Sprache und entwickelt­em menschlich­en Wahrnehmun­gsund Denkvermög­en müssen wir deshalb viel weiter in unsere Vergangenh­eit zurückblic­ken“, erklärte João Zilhão von der Catalan Institutio­n for Research and Advanced Studies. Auch er wirkte an den Untersuchu­ngen mit.

 ?? FOTO: P. SAURA/DPA ?? Diese Höhlenmale­reien sind älter als 64 000 Jahre und stammen von Neandertal­ern.
FOTO: P. SAURA/DPA Diese Höhlenmale­reien sind älter als 64 000 Jahre und stammen von Neandertal­ern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany