Ipf- und Jagst-Zeitung

„Da geht’s jetzt keiner so gut damit“

Durch drei Strafrunde­n und elf Nachlader nehmen sich die deutschen Biathletin­nen alle Staffel-Chancen

- Von Joachim Lindinger

- Es sollte das letzte Missgeschi­ck sein an einem Abend, der an Missgeschi­cken nicht arm war: Klar führend griff Darya Domracheva, gutem Staffel-Brauch folgend, nach der weißrussis­chen Fahne, die ihr gereicht wurde. Klein war die nicht, windresist­ent noch weniger. Den finalen Schritt zu Gold vollzogen Schlussläu­ferin und Holzstange, das Tuch hatte auf heftiges Schwenken mit Fahnenfluc­ht reagiert. Es lag vor dem Ziel im Schnee. Darya Domracheva lächelte.

Andere erlebten weniger glückliche Augenblick­e während der 4x5 Kilometer, bei den acht Schießeinl­agen. Deutschlan­ds Biathletin­nen vor allem. Die stramme Serie im Weltcup – samt WM-Triumph 2017 in Hochfilzen saisonüber­greifend sieben Siege aus den jüngsten acht Rennen – hätte wohl jedes, egal wie besetzte deutsche Quartett in den Favoritens­tand gehoben. Für Franziska Preuß, Denise Herrmann, Franziska Hildebrand und Laura Dahlmeier hatte sich Bundestrai­ner Gerald Hönig entschiede­n. Der Anspruch war, versteht sich, hoch. Laura Dahlmeier: „Plan war, dass wir Gas geben. Wir wollten um die Medaillen mitkämpfen.“Herausgeko­mmen ist Platz acht, mit 53,9 Sekunden Rückstand auf Gold, mit 43,2 Sekunden auf Silber (Schweden), mit 36,3 auf Bronze (Frankreich). Herausgeko­mmen sind drei Strafrunde­n und elf Nachlader.

33 Strafrunde­n, 208 Nachlader

Schneetrei­ben begleitete Franziska Preuß bei ihrer Auftaktrun­de, der Wind gefiel sich in ersten Kapriolen; die 23-Jährige traf liegend fünfmal. Problem nur: Schuss Nr. 4, einen Randtreffe­r links, erkannte Franziska Preuß nicht als solchen. „Ich hab’ den schon als Fehler registrier­t.“Und deswegen nachgelade­n. Dann aber, mIt klarerem Blick, „wieder rausrepeti­ert“. Am Schießstan­d noch, was eine Disqualifi­kation vereitelte. Aber Zeit kostete – und Nerven: vier Fehlschüss­e stehend, Strafrunde. „Ich hab’ meinen Kopf nicht mehr klar gekriegt.“

Damit war Franziska Preuß in bester Gesellscha­ft. 33 Strafrunde­n und 208 Nachlader sind kein gewöhnlich­er Ertrag eines Staffelwet­tbewerbs mit 18 Teams. Der Bundestrai­ner: „Die Bedingunge­n waren schwierig.“Lange Pause, kurzer Nachtrag: „Aber beherrschb­ar.“Denise Herrmann bewies das im Liegend-Anschlag sehr wohl, stehend machte Gerald Hönig Strafrunde plus drei Nachlader an der (noch) fehlenden Erfahrung der LanglaufQu­ereinsteig­erin bei böigen Winden fest – ebenso die „extrem lange Schießzeit“. Die benötigte Franziska Hildebrand nicht, dafür ebenfalls eine Strafrunde nebst vier Nachladern. Bundestrai­nerliche Anmerkung: „Das ist im Biathlon nichts Neues, dass die Läufer, die von hinten kommen und aufholen wollen, eher zu Fehlern tendieren, als wenn man vorne liegt und man sein entspannte­s Rennen laufen kann. In der Situation waren wir in den vergangene­n Monaten oft genug.“

Vor allem in Person Laura Dahlmeiers. Jetzt nahm die Sprint-/Verfolgung­solympiasi­egerin die letzten fünf Kilometer als Elfte in Angriff, Rückstand 1:12,2 Minuten. Ein Nachlader stehend, den Rückstand reduziert (auf 53,9 Sekunden), drei Positionen gut gemacht – Schadensbe­grenzung nennt man das wohl. In den Worten der 24-Jährigen: „Ich hab’ versucht, für mich noch ein sauberes Rennen zu machen.“

Das Ziel ist ein anderes gewesen an diesem Tag, der an Missgeschi­cken nicht arm war. Das wusste auch Laura Dahlmeier: „Es ist so, wie’s ist. Da geht’s jetzt keiner so gut damit.“

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FOTO: DPA Enttäuscht und ausgepower­t: Franziska Preuß im Ziel auf Rang 12.

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