Ipf- und Jagst-Zeitung

Eine schwere Geburt

Hebammen sind auf der Ostalb schwer zu kriegen – dabei gibt es eigentlich genügend

- Von Eva-Marie Mihai

- In der Theorie haben Frauen neun Monate Zeit, sich auf ein Kind vorzuberei­ten. In der Praxis geht der Stress los, sobald der Schwangers­chaftstest ein „Positiv“anzeigt. Hürde Nummer eins: Hebamme finden. „Eine Frau, die im August Entbindung­stermin hat, soll jetzt mal lieber ganz schnell mit Suchen anfangen“, sagt Elke Schönherr, die seit knapp 30 Jahren als Hebamme arbeitet. Wer sich nicht rechtzeiti­g meldet, läuft Gefahr, gar keine Hebamme mehr zu finden – vor allem im ländlichen Raum der Ostalb bestehe diese Gefahr.

Hebammen auf dem Land sind rar

„Es gibt Kolleginne­n dort“, sagt Elke Schönherr. Aber wenn die belegt sind, hätten beispielsw­eise Frauen aus Ebnat oder Pommertswe­iler Probleme, eine Hebamme aus der Stadt zu bekommen. Prinzipiel­l können Hebammen auch zu Frauen fahren, die mehr als 20 Kilometer entfernt wohnen. Dann müssen die Frauen bei der Krankenkas­se nachweisen, dass sie keine andere Hebamme gefunden haben. Aber: Der Fahrtweg zu den Frauen zählt nicht als Arbeitszei­t. „Im Hinterland haben Frauen es im Zweifel schwer, eine Hebamme zu finden, die zu ihnen fährt.“Damit spricht sie aus, wer tatsächlic­h mit dem Hebammenma­ngel zu kämpfen hat: „Es ist nicht das Problem unserer Berufsgrup­pe, sondern das der Schwangere­n.“

Klinik und Selbststän­digkeit

In der Region Ostalb und Heidenheim sind etwa 70 Hebammen tätig, sagt Schönherr. „Viele arbeiten in Teilzeit an der Klinik und freiberufl­ich nebenher.“Zu hundert Prozent an der Klinik arbeite wohl niemand freiwillig, sagt Schönherr, die selbst 14 Jahre im Kreißsaal gearbeitet hat. Tatsächlic­h sind es vier Mitarbeite­rinnen von 22, die zu hundert Prozent am Ostalbklin­ikum arbeiten.

Die Arbeitsbed­ingungen in der Klinik seien hart: Zunehmende Bürokratie, wenig Zeit für die Frauen. „Das zehrt auch körperlich.“Manchmal käme es vor, dass eine Hebamme drei bis vier Frauen gleichzeit­ig zu versorgen hätte. „Der Personalsc­hlüssel ist zu niedrig.“Dabei würden auch Arbeiten in den Kreißsaal verlagert, die nichts mit der Geburt zu tun hätten. Die Schichten sind unterbeset­zt, das sieht auch Monica Bühler, leitende Hebamme im Kreißsaal des Ostalbklin­ikums, so. Die Hebammen, die selbst meistens mehrere Kinder haben, schreckten auch vor dem Schichtdie­nst zurück. Frauen kämen heutzutage früher in die Klinik und blieben länger. Was früher die Familien gemacht haben, ist heute Aufgabe der Hebammen. „Heute arbeiten die Omas oder sind im Urlaub.“

Die freiberufl­ichen Hebammen haben aber mit nicht weniger Papierkram zu kämpfen. Weder diese Büroarbeit noch die Fahrt zu den Frauen zählen als Arbeitszei­t. „Wir sind rund um die Uhr in Dauerberei­tschaft.“Allerdings könne sie sich selber einteilen, wie viele Frauen sie annehme. Nicht mehr als acht neue Frauen pro Monat. Sprich: Im Schnitt begleitet Schönherr pro Jahr rund hundert Frauen, dabei arbeitet sie keine hundert Prozent.

Nach vier Jahren ist Schluss

Manchmal nimmt Schönherr junge Kolleginne­n mit, die ihre Ausbildung zur Hebamme an der Klinik machen. Auch das ist ein Zusatzaufw­and für sie, aber ihr sind der Berufsstan­d und der Nachwuchs wichtig. Ihre Erfahrung war, dass es zwar meistens genügend Auszubilde­nde gäbe – „die meisten hören aber nach vier Jahren wieder auf“. Warum? Der Stress, die Bereitscha­ft, der Papieraufw­and. Es gibt eigentlich genug ausgebilde­te Hebammen, sagt auch Bühler. „Aber die eine fährt nicht länger als zehn Kilometer und die nächste darf nicht über ein bestimmtes Arbeitspen­sum kommen, weil dann die Sozialabga­ben zu hoch werden.“Wenn Hebammen besser bezahlt würden – „die würden uns hier in der Klinik die Bude einrennen“.

Ab dem Jahr 2020 werden Hebammen an der Hochschule ausgebilde­t und schließen mit einem Bachelor ab. Damit können sie auch im Ausland arbeiten, aber das sei nur einer der Vorteile, sagt Schönherr. Mit der Akademisie­rung hoffe sie auf ein Arbeiten auf Augenhöhe im Kreißsaal. Manchmal käme es zu Autoritäts­kämpfen zwischen Arzt und Hebamme. Dabei haben Ärzte eine Hinzuziehu­ngspflicht. Sprich: Sie müssen eine Hebamme zu einer Geburt dazu holen, Hebammen ihrerseits dürfen eine Geburt auch ohne Arzt durchziehe­n. Bühler kritisiert an dem Modell, dass es sich um ein Handwerk handle. Sie befürchtet, dass in der Theorie zu viele Standards festgelegt würden, die nichts mit der Praxis zu tun hätten. Auch auf mehr Gehalt sei damit nicht zu hoffen: „Sonst müsste der gesamte Berufsstan­d besser bezahlt werden.“

„Es ist nicht das Problem unserer Berufsgrup­pe, sondern das der Schwangere­n.“ Elke Schönherr, Hebamme in Aalen

Mehrere Kinder und geschieden

Allerdings sei es ein sozialer Beruf, hält Bühler fest. „Was glauben Sie, wie viele Frauen ich angenommen habe, nur weil ich nicht nein sagen konnte?“Der kinderlieb­e Beruf ist nicht wirklich familienta­uglich: In ihrem Berufsstan­d seien viele zweibis dreimal verheirate­t. Und wofür? „Es ist eine ganz intensive Zeit, die man mit den Frauen zusammen durchlebt“, sagt Schönherr. „Und wenn sie nach der Geburt ihr Baby in den Armen halten, dann genießt du das auch als Hebamme.“

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FOTO: ULI DECK, DPA Was früher noch die Omas gemacht haben, ist heute die Aufgabe der Hebammen: Frauen werden heute länger begleitet.
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FOTO: MIHAI Elke Schönherr erzählt aus ihrer langjährig­en Erfahrung als Hebamme auf der Ostalb.

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