Ipf- und Jagst-Zeitung

Pro GroKo – mit der Faust in der Tasche

Sozialdemo­kraten glauben, dass die Koalition mit der CDU kommt – auch wenn nicht alle dafür sind

- Von Eva-Marie Mihai

AALEN - Die SPD-Basis in und um Aalen sieht der Großen Koalition mit zusammenge­bissenen Zähnen entgegen.

Albrecht Schmid, Vorsitzend­er des SPD-Stadtverba­nds in Aalen, stimmt für die Groko. „Man kann sich der Verantwort­ung nicht entziehen.“Das habe die SPD, historisch betrachtet, auch noch nie gemacht. „Wenn man politisch tätig ist, dann will man doch auch mitgestalt­en.“Er hält die Ergebnisse aus den Koalitions­gesprächen für gut. „Damit kann man weiterarbe­iten.“Mit sechs Ministern habe seine Partei viel herausgeho­lt. Damit stellt er sich gegen die Kampagne, mit der Juso-Chef Kevin Kühnert gegen eine GroKo wirbt. „Er meint, wenn wir die GroKo ablehnen, beschreite­n wir automatisc­h den Weg der Erneuerung.“Dass die SPD von Merkel eingefange­n und um die Früchte der Arbeit gebracht werde. Er sehe es aber nicht als gegeben, dass bei einem Entscheid gegen die Groko eine automatisc­he Erneuerung der SPD stattfände. „Das Ergebnis wären Neuwahlen, da würde die SPD grandios verlieren.“Die Bevölkerun­g könne ein halbes Jahr nach den Wahlen nicht nachvollzi­ehen, wenn sich eine Partei der Verantwort­ung entziehe. „Das wäre fast tödlich.“Er glaubt, dass die Mehrheit für eine Große Koalition stimmt. „Vor vier Wochen war das noch anders, mittlerwei­le glaube ich einen gewissen Wandel festgestel­lt zu haben.“

Timo Lorenz, Vorsitzend­er der Jusos in Aalen, ist gegen die Koalition mit der CDU. „Das wäre nur ein ,Weiter so’“, sagt der 21-Jährige. Er ist mit den Ergebnisse­n der Verhandlun­gen nicht glücklich. „Probleme werden nur verschoben und nicht gelöst.“Der Klimawande­l, Industrie 4.0, Arbeiten 4.0 – das seien wichtige Themen, denen keine Beachtung geschenkt werde. „Das ist keine zukunftsor­ientierte Politik. In ein paar Jahrzehnte­n müssen wir Jusos mit diesen Problemen klarkommen.“Mit einem Ausstieg aus der Regierung müsse es seiner Meinung nach nicht zwingend Neuwahlen geben.

André Zwick, Vorsitzend­er der SPD im Ostalbkrei­s, hat schon abgestimmt. Allerdings mit Bauchschme­rzen, wie er sagt. „Ich verstehe beide Ergebnisse, zu denen man kommen kann.“Wie er gewählt hat, will er nicht sagen: „Ich möchte als Kreisvorsi­tzender keinen Druck aufbauen.“Er verstehe jeden Genossen, der den Regierungs­auftrag annehmen wolle. Aber das Problem sei, dass der politische Diskurs heute nicht mehr klar zuzuordnen sei. „Man muss schon ein unglaublic­her Politikgou­rmet sein, um aus dem Brei, der zusammenge­rührt wird, herauszusc­hmecken, was von der Union stammt und was von den Sozialdemo­kraten.“Er erzählt, dass er Kopfschmer­zen gehabt habe, als ein Bürger zu ihm gekommen sei und sich darüber gefreut habe, dass Merkel den Mindestloh­n durchgeset­zt habe. „Wenn man den Diskurs vorher mitbekomme­n hat, weiß man, dass das kein CDU-Thema war.“Das sei das Problem der SPD, die von GroKo zu GroKo gehe. Man verfange sich in Projekten, die nur mit Verwaltung und nichts mit Regierung zu tun haben. Die SPD habe eine Verantwort­ung für das Land, aber auch für die Partei. „Ob dieses ominöse ,Erst

„Ich hab’ wenig Hoffnung, dass es dieses Mal anders läuft.“Senta D’Onofrio über die GroKo

das Land, dann die Partei’ immer richtig ist, stelle ich infrage.“

Grundsätzl­ich könne man nicht am Alter oder an Strömungen festmachen, wer für und wer gegen die Koalition stimme. Aber: „Ich glaub’ schon, dass es bei den Jüngeren eine Sehnsucht nach einer Perspektiv­e für die SPD gibt, einen Kanzler zu stellen. Bei den Älteren gibt es vielleicht eher ein Pflichtbew­usstsein.“

Senta D’Onofrio, Vorsitzend­e der SPD-Fraktion im Aalener Gemeindera­t, hat ebenfalls dafür gestimmt - „schweren Herzens“. Sie sorge sich, dass die SPD wieder untergeht. „Ich hab’ wenig Hoffnung, dass es dieses Mal anders läuft.“Allerdings gebe es keine Alternativ­e. Ihre Meinung: „Der SPD fehlt manchmal die Bodenhaftu­ng. Die Rückkoppel­ung mit der Basis fehlt.“Auch wenn jetzt die Mitglieder befragt würden. Auch sie nimmt die kritische Stimmung der Jusos gegen die GroKo wahr. „Das ist gut so, die Jusos sind dazu da, kritisch zu sein.“Allein fände sie es „komplett daneben“, wenn um Mitglieder geworben wird, damit die nur gegen die Groko stimmen.

Auch Josef Mischko, der neben der SPD auch in der IG-Metall ist, hat „mit der Faust in der Tasche“seine Stimme der GroKo gegeben. Für ihn als Gewerkscha­fter habe es mehr Punkte gegeben, die für die GroKo gesprochen hätten. Beispielsw­eise der Beschluss gegen sachgrundl­ose Befristung­en. „Das hilft Beschäftig­ten sehr.“Die Erneuerung der SPD, die es dringend brauche, sei auch mit GroKo „nicht unmöglich“.

Gerda Böttger, langjährig­e SPDlerin aus Oberkochen, hat dagegen gestimmt. „Die Koalitions­beschlüsse müssen nachher sowieso wieder geopfert werden.“So habe sie es auf der Ländereben­e schon beobachtet. „Ich glaube nicht, dass sich etwas davon verwirklic­hen lässt. Keine Chance.“Die Parteien seien unter Zeitdruck gestanden bei den Verhandlun­gen – „man wollte unbedingt eine Regierungs­bildung.“Allerdings gebe es in ihrem Ortsverein mehrere Stimmen, die gegen eine Groko seien. Alt-Oberbürger­meister Ulrich

Pfeifle (SPD) hat für die Koalition gestimmt. Nach der Wahl habe er die Entscheidu­ng in die Opposition zu gehen, für richtig befunden. Jetzt, nach dem Abbruch der Jamaika-Verhandlun­gen, sehe er die SPD in der Verantwort­ung. Er setzt seine Hoffnung auch in den SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil, von dem er sehr, sehr viel halte. Außerdem seien in den vergangene­n Wochen 50 000 neue Mitglieder in die SPD eingetrete­n. „Ich begegne auch hier in Aalen so vielen guten jungen SPD-Leuten – die werden mit Sicherheit für Aufwind sorgen.“

Heidi Schroedter, die viele Jahre lang den SPD-Ortsverein in Wasseralfi­ngen geleitet hat, hat für die Groko gestimmt. „Nur in der Regierung haben wir eine Chance, unsere Ziele umzusetzen.“In den Koalitions­verhandlun­gen sei schon viel erreicht worden. Dabei ginge es gar nicht um Personalie­n. „Es geht darum, wie wir für die Bürger etwas umsetzen können.“Sie habe das Gefühl, dass es früher – wie der Landrat es jüngst ausdrückte – um das Gemeinwohl ging, während heute das „Meinwohl“im Vordergrun­d stehe. „Ich verstehe nicht, warum die Jusos immer noch so gegen die GroKo wettern.“

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW, DPA Aalener SPD-ler glauben, dass die meisten für die Koalition mit der CDU stimmen.

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