Ipf- und Jagst-Zeitung

Tabuthema Tod – Besser ist es, darüber zu sprechen

Der Malteser Kinder- und Jugendhosp­izdienst Ostalb kümmert sich um trauernde Familien und Kinder

- Von Lena-Luisa Maier

- Der Tod: ein Tabuthema. Doch nicht für Georg Gärtner (60), Diplom-Sozialpäda­goge beim ambulanten Kinderhosp­izdienst. Täglich hat er mit Familien zu tun, in denen ein Kind eine schwere Krankheit hat, oder mit Kindern, bei denen ein Elternteil im Sterben liegt. „Unsere Aufgabe ist es, die Familien stark zu machen“, sagt Gärtner. Denn der Tod eines geliebten Menschen ist immer eine schmerzlic­he Erfahrung.

Erster Stock im Malteserze­ntrum in Aalen. Ein breiter Gang führt vorbei an blauen Türrahmen und weißen Türen. Stopp. Gruppenrau­m seliger Bruder Gerhard. Hier hält Gärtner inne und schließt die Tür auf. Dahinter ist ein großer, heller Raum mit zwei Dachfenste­rn, durch die die Sonne scheint. Ein Holztisch, bunte Kissen und zwei Regale mit Bilderbüch­ern, Kerzen, Stofftiere­n und kleinen Tierfigure­n reihen sich ordentlich an den Rändern des Zimmers. Die Mitte des Raumes ist leer. Eine Zebrafamil­ie kuschelt eng zusammen. „Die Kinder stellen die Tiere so hin, wie sie es wollen. Ganz von alleine“, sagt Gärtner.

Es ist der Trauerraum des ambulanten Kinderhosp­izdienstes der Malteser in Aalen. Zweimal im Monat treffen sich hier die beiden Gruppen mit Kindern ab sechs Jahren. Die Kinder und Jugendlich­en sitzen auf bunten Kissen mitten im Raum reden, basteln und malen miteinande­r. „Hier sind sie normal und nichts Besonderes, hier müssen sie sich nicht erklären, denn jeder hier hat jemanden verloren“, sagt Gärtner.

Seit 14 Jahren gibt es den Kinderund Jugendhosp­izdienst. Seine Hauptaufga­be: die Trauerarbe­it mit Kindern. Fünf bis sechs Fälle im Jahr gibt es, wo ein Kind stirbt – öfter kommt es vor, dass Eltern an einer Krankheit sterben. „Mittlerwei­le oft an Krebs.“Circa 15 Fälle im Jahr schätzt Gärtner. Informiert wird der Hospizdien­st meist vom Krankenhau­s, wenn ein Elternteil gerade im Sterben liegt. „Natürlich wäre es besser, die Familien früher kennenzule­rnen“, so Gärtner. Denn dann könne man die Kinder besser auf den Tod vorbereite­n. Aber egal wann Gärtner eingeschal­tet wird, aktiv werden er und seine Partnerin, die Kinder- und Jugendtrau­erbegleite­rin Gerda Prasser, erst, wenn die Familie einverstan­den ist.

Jeder kann mitarbeite­n

Dann gehen Gärtner und seine Kollegin Prasser in die Familien, lernen diese kennen und schauen, wie man sie am besten unterstütz­en kann. Anschließe­nd überlegen sie gemeinsam, welcher Ehrenamtli­che zur Familie passt und stellen ihn vor. 31 Ehrenamtli­che kann der Hospizdien­st derzeit zählen. Werden kann das jeder, vorausgese­tzt, er nimmt an einem Qualifizie­rungskurs teil, der sich innerhalb eines halben Jahres auf ein paar Termine verteilt. Die Ehrenamtli­chen helfen den Familien dann, wo Hilfe nötig ist, und kümmern sich um die Geschwiste­rkinder, die oft in Vergessenh­eit geraten.

Wenn Gärtner erst eingeschal­tet wird, wenn ein Elternteil im Sterben liegt, wird es schwierige­r. Dann ist der hinterblie­bene Elternteil oft überforder­t: Sollen die Kinder mit zur Beerdigung? Sollen sie ihre Eltern nochmals im Sarg sehen? „Die Kinder sollen mit zur Beerdigung, sie müssen nur darauf vorbereite­t werden.“Wichtig sei es, die Kinder nicht alleine zu lassen. Man müsse mit ihnen reden, ihnen erklären, was los ist und sie mit einbeziehe­n. „Die Kinder wollen wissen, was mit ihren Eltern passiert.“

Eine weitere Aufgabe des Kinderhosp­izdienstes soll ein neues Projekt werden, bei dem Gerda Prasser zusammen mit zwei Ehrenamtli­chen an Grundschul­en geht und mit den Kindern über den Tod spricht. Bisher gab es das nur auf Anfrage der Schulen – jetzt wollen sie es erweitern. Der Versuch startet in der Kappelberg­schule in der dritten und vierten Klasse im Religionsu­nterricht. „Wir haben bis jetzt nur gute Erfahrunge­n gemacht“, sagt Gärtner. Denn die Kinder hätten viele Fragen. Wenn man den Tod zum Tabuthema macht, würde man die Kinder nicht beschützen, sondern es ihnen nur schwerer machen, wenn sie mit dem Tod wirklich mal in Berührung kommen.

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FOTO: LENA MAIER Die Kinder in den Trauergrup­pen dürfen ihren Magnet so ins Bild setzen, wie sie sich an diesem Tag fühlen.

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