Kluger Kopf mit tief-bayerischer Seele
Gerhard Polt und die Well-Brüder poltern gegen Politik-Filz, Doppelmoral und Zeitgeist
- „Trotzige Verteidiger ihrer donnernden Mundart“hatte Schubart die Aalener genannt. Ähnlich donnernd kann auch das Bayerische daherkommen. Der ewig grantelnde Moralist, Spötter und Polterer gegen Doppelmoral, Selbstgefälligkeit und eine um sich selbst kreisende Spießer-Welt, Gerhard Polt, war jetzt mit den Well-Brüdern Gast in der schon lange ausverkauften Stadthalle.
Polt in der „Wortgewaltig“-Reihe. Passt! Viele in der Halle sind quasi mit Polt groß geworden. Er grüßt knapp die Große Kreisstadt und überlässt dann den Well-Brüdern Christoph, Michael und Hans das Intro in der „herrlich österlich geschmückten Mehrzweckhalle“.
Was natürlich nicht stimmt. Aber das Trio ist gut im Bilde, was die Aalener umtreibt: Im bewusst holprigen „Juchzer“ziehen die Drei vom Leder – vom „Oberbürgermeister, der mit starker Hand regiert, auch Turbo genannt“. Oder von der Sache um den Ex-Stadtwerkechef Müller und dem „Mantel des Schweigens“. Auch dass man an der SchubartSchule angeblich lernt, oder „nix minder wia a Gminder“. Wildschein Olaf, singen sie fies, wurde nämlich beim Krankenhaus nur erschossen, „weil’s net privat versichert war“.
Während die Brüder mit Trompete, Quetsche und Tuba übers 125. Feuerwehrjubiläum in bayrischen Dorf Hausen „blosn“, poltern und sogar barocke Klänge anschlagen, sitzt Polt daneben. Grantig wirkt er, und das muss raus, wenn die rebellische Blasmusik verklingt. Denn auch mit 75 Jahren ist er einer, der entlarvt. Polt hat 40 Jahre lang „am Leberkäs‘ gesegelt“, der Künstlernachbar frisst hingegen wie ein Scheunendrescher und kann so kein ernst zu nehmender Künstler sein: Nicht mal in „Dahoam is Dahoam“ist der zu sehen.
Polt scheinen die Jahre wenig auszumachen. Er philosophiert, wer der Mensch an sich ist und wer „wir“ist. „Wer ist denn wir? Bin ich wir? Ich bin nicht wir. Ich war nicht wir. Ich werde nie wir sein.“In seinem bayrischen Kosmos geht es nach Nordkorea oder in Länder, die bombardiert werden, weil sie nicht demokratisch sein wollen – „die Bombardierten kommen dann nach Europa.“
Was hat man sich nun unter einem „Grattler“zu verstehen? „Der Gebrauch des Wortes als Herabwürdigung des Gegenübers kann als Beleidigung juristische Folgen nach sich ziehen“kann man nachlesen. Darauf dürfte Polt pfeifen, beziehungsweise „blosn“– nicht nur mit einem Innenminister hat sich der Kabarett-Haudegen ja schon angelegt.