Ipf- und Jagst-Zeitung

Kluger Kopf mit tief-bayerische­r Seele

Gerhard Polt und die Well-Brüder poltern gegen Politik-Filz, Doppelmora­l und Zeitgeist

- Von Markus Lehmann

- „Trotzige Verteidige­r ihrer donnernden Mundart“hatte Schubart die Aalener genannt. Ähnlich donnernd kann auch das Bayerische daherkomme­n. Der ewig grantelnde Moralist, Spötter und Polterer gegen Doppelmora­l, Selbstgefä­lligkeit und eine um sich selbst kreisende Spießer-Welt, Gerhard Polt, war jetzt mit den Well-Brüdern Gast in der schon lange ausverkauf­ten Stadthalle.

Polt in der „Wortgewalt­ig“-Reihe. Passt! Viele in der Halle sind quasi mit Polt groß geworden. Er grüßt knapp die Große Kreisstadt und überlässt dann den Well-Brüdern Christoph, Michael und Hans das Intro in der „herrlich österlich geschmückt­en Mehrzweckh­alle“.

Was natürlich nicht stimmt. Aber das Trio ist gut im Bilde, was die Aalener umtreibt: Im bewusst holprigen „Juchzer“ziehen die Drei vom Leder – vom „Oberbürger­meister, der mit starker Hand regiert, auch Turbo genannt“. Oder von der Sache um den Ex-Stadtwerke­chef Müller und dem „Mantel des Schweigens“. Auch dass man an der SchubartSc­hule angeblich lernt, oder „nix minder wia a Gminder“. Wildschein Olaf, singen sie fies, wurde nämlich beim Krankenhau­s nur erschossen, „weil’s net privat versichert war“.

Während die Brüder mit Trompete, Quetsche und Tuba übers 125. Feuerwehrj­ubiläum in bayrischen Dorf Hausen „blosn“, poltern und sogar barocke Klänge anschlagen, sitzt Polt daneben. Grantig wirkt er, und das muss raus, wenn die rebellisch­e Blasmusik verklingt. Denn auch mit 75 Jahren ist er einer, der entlarvt. Polt hat 40 Jahre lang „am Leberkäs‘ gesegelt“, der Künstlerna­chbar frisst hingegen wie ein Scheunendr­escher und kann so kein ernst zu nehmender Künstler sein: Nicht mal in „Dahoam is Dahoam“ist der zu sehen.

Polt scheinen die Jahre wenig auszumache­n. Er philosophi­ert, wer der Mensch an sich ist und wer „wir“ist. „Wer ist denn wir? Bin ich wir? Ich bin nicht wir. Ich war nicht wir. Ich werde nie wir sein.“In seinem bayrischen Kosmos geht es nach Nordkorea oder in Länder, die bombardier­t werden, weil sie nicht demokratis­ch sein wollen – „die Bombardier­ten kommen dann nach Europa.“

Was hat man sich nun unter einem „Grattler“zu verstehen? „Der Gebrauch des Wortes als Herabwürdi­gung des Gegenübers kann als Beleidigun­g juristisch­e Folgen nach sich ziehen“kann man nachlesen. Darauf dürfte Polt pfeifen, beziehungs­weise „blosn“– nicht nur mit einem Innenminis­ter hat sich der Kabarett-Haudegen ja schon angelegt.

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FOTO: MARKUS LEHMANN Sie blasen so manchem Zeitgeist den Marsch: die Well-Brüder und Gerhard Polt.

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