Ipf- und Jagst-Zeitung

Kirchenbur­gen prägen eine ganze Region

Die wehrhaften Festen für die Gläubigen in Siebenbürg­en drohen zu verfallen – Ostalbkrei­s nähert sich geistlich und kulturell

- Von Markus Lehmann

- In kaum einer anderen Region Europas wird der Luther-Choral „ein feste Burg ist unser Gott“so bildlich wie mit den rund 160 erhaltenen Kirchenbur­gen im südlichen Siebenbürg­en. Die meisten deutschstä­mmigen Siebenbürg­er Sachsen haben Rumänien nach dem Fall des Eisernen Vorhangs verlassen. Auch viele der trutzigen, oft prächtig ausgestalt­eten Festen mit Kirchturm sind verlassen und drohen zu verfallen. Darauf macht jetzt im Landratsam­t eine Wanderauss­tellung der Stiftung Kirchenbur­gen aufmerksam. Sie ist auch so etwas wie ein Auftakt für eine geistliche und kulturelle Intensivie­rung der Kontakte zwischen dem Ostalbkrei­s und dieser geschichts­trächtigen Region im Zentrum Rumäniens.

Etwas zur Geschichte der Kirchenbur­gen

Kurz zur Geschichte der Kirchenbur­gen: Im 12. und 13. Jahrhunder­t kamen deutsche Siedler ins damals zu Ungarn gehörende Siebenbürg­en. Auf dem sogenannte­n „Königsbode­n“genossen sie freiheitli­che Rechte und wurden eine Zeit lang von den Deutschord­ensrittern beschützt. Mit Blick auf die Kapfenburg der Deutschord­ensritter bemerkt der Aalener evangelisc­he Altdekan Erich Haller „der Ostalbkrei­s ist überall“. Zehn Wochen lang vertrat er in Broos, einer Stadt in Siebenbürg­en, eine vakante Pfarrstell­e. Seine Eindrücke müssen sehr bewegend gewesen sein: Er erzählt von herrlichen Landschaft­en, beeindruck­enden Baudenkmal­en, freundlich­en Menschen und einem riesigen Engagement der Ehrenamtli­chen in der Gemeinde dort. Sein Beispiel zeigt, wie dramatisch sich die Situation verändert hat. Bis 1991 war die Kirchengem­einde dort noch 2000 Mitglieder stark. Heute gibt es gerade noch um die 100 Gemeindemi­tglieder.

Junge Philharmon­ie plant Konzertrei­se nach Rumänien

„Man weiß hierzuland­e zu wenig über die Kirchenbur­gen“, sagt Klaus Pavel in einer Doppelfunk­tion. Zum einen ist der Landrat Hausherr der Ausstellun­g, zum anderen ist er Vorsitzend­er der Jungen Philharmon­ie Ostwürttem­berg. Und diese plant eine Konzertrei­se nach Siebenbürg­en. Dazu kommt sozusagen die geistliche Verbindung, die mit Siebenbürg­en ausgebaut wird. Wie der evangelisc­he Dekan Ralf Drescher erklärt, wird der evangelisc­he Kirchenbez­irk Aalen seinen Pfarrkonve­nt im Herbst in Siebenbürg­en in Rumänien abhalten. Der Kirchenbez­irk umfasst 23 Kirchengem­einden mit etwa 40 000 evangelisc­hen Christen und reicht von Adelmannsf­elden bis Neresheim und von Wört bis Lauterburg.

Zurück zu den Kirchenbur­gen. Pfarrer Nicolai Gießler ist ein profunder Kenner dieser teilweise ziemlich mächtigen und ausgedehnt­en Anlagen mit Ringmauern, Wehrtürmen, Vorratskam­mern, Brunnen und Fruchthäus­ern. In ihnen fanden die Dorfbewohn­er Schutz. Gebaut wurden sie unter dem Eindruck der osmanische­n Einfälle zu Beginn des 15. Jahrhunder­ts. Wochen-, ja monatelang konnten die Belagerten hier ausharren. Denn die Kirchenbur­gen waren recht wehrhaft und widerstand­sfähig, sagt der evangelisc­he Pfarrer Gießler. Von den einst 180 Anlagen konnten nur fünf eingenomme­n werden – eine allerdings im Lauf der Zeit gleich 50-mal von den Türken. Die Ausstellun­g „Kirchenlan­dschaft Siebenbürg­en – ein europäisch­es Kulturerbe“ist im Landratsam­t bis 2. Mai zu sehen, eventuell auch noch eine Woche länger und während der Öffnungsze­iten des Landratsam­ts. Sie soll auf dieses europäisch­e Kulturerbe aufmerksam machen, über ihre Entstehung informiere­n und Perspektiv­en aufzeigen, wie diese Kirchenbur­genlandsch­aft erhalten werden kann.

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FOTO: MARKUS LEHMANN Im Landratsam­t ist eine Ausstellun­g über die Kirchenbur­genlandsch­aft Siebenbürg­en zu sehen. Im Bild (von links) Dekan i.R. Erich Haller, Pfarrer Nicolai Gießler, Bezirkskan­tor Thomas Haller, Dekan Ralf Drescher und Landrat Klaus Pavel.

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