Ipf- und Jagst-Zeitung

Frieden ist nicht selbstvers­tändlich

- Von Claudia● Kling

Für die Demonstran­ten, die in der Osterzeit im Jahre 1958 zu Hunderttau­senden auf die Straße gingen, um gegen die Stationier­ung von atomaren Sprengköpf­en in Deutschlan­d zu demonstrie­ren, war der Krieg nichts Abstraktes. Sie hatten es selbst erlebt, dass Nationalis­mus, Rassismus und Großmannss­ucht Millionen von Menschen Leid und Tod brachten. Die damaligen Supermächt­e ließen sich freilich von den Forderunge­n der Pazifisten nicht beirren. Es sollte Jahrzehnte dauern, bis sie vom Prinzip der atomaren Abschrecku­ng abrückten und abrüsteten.

Das Ende des Ost-West-Konflikts ließ die Kriegsangs­t hierzuland­e schwinden – der Gedanke, dass Frieden etwas Normales sei, wurde zum Lebensgefü­hl der jüngeren Generation­en. Eigentlich ein schönes, ein beruhigend­es Gefühl, das Regierunge­n und Bürgern viel wert sein sollte. Doch sie tun wenig dafür, den Frieden zu erhalten. Zu den Kriegen im Nahen Osten kommt die stetig wachsende Bedrohung durch Nordkorea – und die immer heftigeren Zerwürfnis­se mit Russland. Im Westen von Europa brechen die USA als verlässlic­her Partner weg. Es scheint so, als sei die überwunden geglaubte Großmannss­ucht wieder zur Triebfeder der politische­n Akteure geworden – wider alle politische Vernunft. Und selbst in der Europäisch­en Union, die sich gerne als geschlosse­ne Wertegemei­nschaft präsentier­t, sind die Gräben so tief, dass rationale Lösungen, wie im Falle der gescheiter­ten Flüchtling­sverteilun­g, nicht mehr möglich sind.

Auch in diesem Jahr werden an Ostern wieder Menschen in Deutschlan­d für Frieden demonstrie­ren. Im Vergleich zu 1958 werden es nur wenige sein, die unbeirrt an ihrem Ziel einer besseren Welt festhalten – auch wenn der Blick in diese Welt nicht sehr ermutigend ist. Man kann diese Menschen natürlich einfach belächeln. Aber vielleicht wäre es an der Zeit, darüber nachzudenk­en, dass der Frieden in Europa eben kein Selbstläuf­er ist, wenn sich Regierungs­chefs von nationalen Egoismen und Machtgelüs­ten treiben lassen. Und wenn immer mehr Menschen jenen vertrauen, die mit den scheinbar einfachste­n Lösungen daherkomme­n.

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