Ipf- und Jagst-Zeitung

Moskau weist Diplomaten aus

Auch vier deutsche Botschafts­angehörige müssen gehen

- Von Thomas Körbel, Michael Donhauser und Silvia Kusidlo

(dpa) - Russland hat Dutzende Diplomaten ausgewiese­n und den Streit um den Giftanschl­ag auf den russischen Ex-Doppelagen­ten Sergej Skripal damit weiter verschärft. Auch vier Angehörige der deutschen Botschaft müssen das Land verlassen, wie das Auswärtige Amt in Berlin am Freitag mitteilte. Das russische Außenminis­terium hatte zahlreiche europäisch­e Botschafte­r einbestell­t und ihnen die Ausweisung­en verkündet. Moskau reagierte damit auf die Entscheidu­ng von rund 25 Staaten sowie der Nato, mehr als 140 russische Diplomaten des Landes zu verweisen. Auch Deutschlan­d hatte vier Russen zu unerwünsch­ten Personen erklärt. Russland wies nun wie angekündig­t genauso viele Diplomaten aus, wie zuvor westliche Staaten es getan hatten.

Britische Medien berichtete­n, Julia Skripal sei wieder bei Bewusstsei­n. Ihr gehe es nach Klinikanga­ben deutlich besser.

(dpa) - Selten ist der Andrang beim russischen Außenminis­terium so groß wie in diesen Krisenzeit­en. In einer langen Reihe fuhren europäisch­e Botschafte­r am Freitag in ihren Limousinen vor und gaben sich die Klinke in die Hand. Auch der deutsche Botschafte­r Rüdiger von Fritsch wurde einbestell­t. Er nahm Moskaus tagelang erwartete Antwort auf die Ausweisung von vier russischen Diplomaten entgegen. Das Ergebnis: Auch vier Deutsche müssen gehen.

Die Massenausw­eisung von rund 150 Russen aus mehr als 25 westlichen Staaten war ein beispiello­ser Akt der Solidaritä­t des Westens mit Großbritan­nien. Dass der Streit um den dort vergiftete­n Ex-Agenten Sergej Skripal die USA, EU-Staaten und andere Verbündete gegen Russland vereinen würde, dürfte in Moskau viele überrascht haben.

Deswegen hat sich Außenminis­ter Sergej Lawrow Zeit bei seiner Antwort gelassen. Am härtesten schlägt Russland gegen die USA zurück. 60 Diplomaten weist Moskau aus, ein Konsulat wird geschlosse­n – dieselben Strafen hatte Washington zuvor verhängt.

Die Suche nach der richtigen Reaktion wurde für Russland zum Drahtseila­kt. Nichts zu tun, war keine Option, denn das hätte nicht in das Bild von Präsident Wladimir Putin als starkem Anführer gepasst. Erst vor zwei Wochen war Putin gerade wegen seiner Stärke mit Rekorderge­bnis wiedergewä­hlt worden.

Eine zu heftige Antwort hätte indes leicht eine weitere Eskalation auslösen können. Doch auch wenn Moskau nun den Mittelweg gewählt und Gleiches mit Gleichem vergolten hat, bleiben die Fronten verhärtet. Der Schatten eines neuen Kalten Krieges, er wird immer länger.

Der Moskauer Experte Fjodor Lukjanow sieht Russland und den Westen längst in einer diplomatis­chen Krise. Eine Verbesseru­ng der Lage sei nicht zu erwarten, schreibt der Herausgebe­r der Zeitschrif­t „Russia in Global Affairs“. „Die wichtigste und einzige Aufgabe ist nun, die Risiken zu senken und zu verhindern, dass der Konflikt in eine schärfere, militärisc­he Phase übergeht“, meint der kremlnahe Politologe.

USA rücken nicht von Linie ab

Die USA erwecken indes nicht den Anschein, als würden sie in der Krise auch nur einen Millimeter Boden preisgeben wollen. Die Rhetorik in Washington wird schärfer. „Die Liste, die wir erhalten haben, macht deutlich, dass die Russische Föderation nicht an einem Dialog über Themen interessie­rt ist, die unsere beiden Länder betreffen“, sagte US-Botschafte­r Jon Huntsman in Russland.

Auch die Sprecherin des Außenminis­teriums, Heather Nauert, nannte die Ausweisung­en völlig inakzeptab­el. Die USA behielten sich weitere Schritte als erneute Gegenantwo­rt vor – was viele als Ankündigun­g einer Eskalation­sspirale wahrnehmen.

Der Kreml bemüht sich, die aufgeheizt­e Stimmung zu dämpfen. „Russland hat keinen diplomatis­chen Krieg angezettel­t“, sagt Sprecher Dmitri Peskow. Vielmehr wirft Russland den USA vor, die groß angelegte Ausweisung orchestrie­rt zu haben. „Wir wissen sehr gut, dass auf die EU-Staaten großer Druck ausgeübt wurde, vor allem auf jene, die noch schwankten. Der Druck kam nicht nur von den Briten, sondern auch von den Amerikaner­n“, sagte der russische EU-Botschafte­r Wladimir Tschischow der Zeitung „Rossijskaj­a Gaseta“. Der Streit schade den Beziehunge­n erheblich. „Sie wiederherz­ustellen, wird nicht einfach.“

Krise kommt May zugute

Dennoch sieht der Diplomat Ansätze für eine pragmatisc­he Politik. „Als Deutschlan­d beschlosse­n hat, unsere Diplomaten auszuweise­n, hat die Regierung zugleich den Bau der (Ostsee-)Pipeline Nord Stream 2 genehmigt“, sagte Tschischow. „Das ist bemerkensw­ert.“Warum die Europäer aber gerade den Briten zur Seite stehen, wo sie doch die EU bald verlassen wollen, versteht er nicht. Die Briten wollten mit dem Vorwurf, Russland sei am Anschlag auf Skripal beteiligt, von innenpolit­ischen Problemen wegen des Brexits ablenken, meinte er.

In der Tat kommt der tragische Fall Skripal vor allem der britischen Premiermin­isterin Theresa May zugute. Denn nach einer fehlgeschl­agenen Neuwahl 2017 war sie politisch angeschlag­en und regiert nur noch mit hauchdünne­r Mehrheit. Der Streit um den richtigen Brexit-Kurs in der eigenen Regierung isolierte sie innen- und außenpolit­isch zusehends. Doch mit der Attacke auf Skripal kam für May die Wende und der Weg aus der Isolation.

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FOTO: DPA Reihenweis­e wurden die ausländisc­hen Diplomaten in das russische Außenminis­terium einbestell­t – darunter auch Rüdiger von Fritsch, Botschafte­r aus Deutschlan­d.

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