Ipf- und Jagst-Zeitung

Macrons Vorstoß empört Erdogan

- Von Susanne Güsten, Istanbul

Die Türkei geht mit ihrer Syrien-Politik immer stärker auf Konfrontat­ionskurs zum Westen. Präsident Recep Tayyip Erdogan wies am Freitag in scharfen Worten eine Initiative Frankreich­s zur Stabilisie­rung der Lage im Norden Syriens zurück, wo türkische Truppen gegen die Kurdenmili­z YPG vorgehen.

Eigentlich hatte sich die türkische Regierung über einen Erfolg in Syrien freuen wollen: US-Präsident Donald Trump hatte den baldigen Rückzug der US-Truppen aus dem Bürgerkrie­gsland angekündig­t; die USA arbeiten im Kampf gegen den Islamische­n Staat (IS) in Syrien eng mit der YPG zusammen. Ohne den Schutz durch die US-Truppen in Syrien wäre die YPG der türkischen Armee ausgeliefe­rt. Allerdings widerspric­ht Trumps Stellungna­hme der erst im Januar vorgestell­ten US-Strategie in Syrien, die auf einer langfristi­gen Militärprä­senz und einer engen Kooperatio­n mit der YPG beruht. Viele USOffizier­e in Syrien wollen die Zusammenar­beit mit der YPG fortsetzen.

Die türkische Freude über Trumps Syrien-Aussage währte ohnehin nicht lange. Die Nachricht von einem Treffen des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron mit Vertretern der syrischen Kurden in Paris ließ in Ankara die Alarmglock­en schrillen. Dass Macron in dem Gespräch die Vermittlun­g seines Landes zwischen der Türkei und den Kurden anbot, brachte Erdogan auf die Palme: „Wir brauchen keinen Vermittler“, sagte der türkische Präsident. Aus türkischer Sicht ist die YPG eine Terrororga­nisation, mit der man nicht verhandelt, sondern die man bekämpft. Kurdischen Angaben zufolge versprach Macron zudem, Frankreich werde sie gegen den IS und gegen „ausländisc­he Aggression­en“schützen – eine Anspielung auf die Türkei. Einen zusätzlich­en Truppenein­satz in Syrien plant Frankreich nicht, schließt aber eine verstärkte Militärhil­fe für die Kurden nicht aus.

Trotz aller Einwände des Westens will Erdogan seine Soldaten in Syrien nach der Einnahme von Afrin weiter Richtung Osten marschiere­n lassen. Im Zentrum der Aufmerksam­keit steht die Stadt Manbidsch, wo USTruppen zusammen mit der YPG stationier­t sind. Östlich von Manbidsch, in den syrisch-kurdischen Städten Kobane, Ras al-Ain und Tel Abyad, haben laut Erdogan bereits türkische Militärakt­ionen zur Vertreibun­g der YPG begonnen. Insbesonde­re ein kurdischer Angriff auf Kobane wäre ein Affront gegen die USA: Die Kurden in Kobane hatten 2015 mithilfe amerikanis­cher Luftangrif­fe einen Angriff des IS zurückgesc­hlagen. Die Türkei hatte sich damals geweigert, den Kurden direkte Hilfe zukommen zu lassen.

Mit Russland und Iran arbeitet die Türkei in Syrien derzeit besser zusammen als mit ihren westlichen Partnern. Am Mittwoch will Erdogan mit den Staatschef­s aus Moskau und Teheran, Wladimir Putin und Hasan Ruhani, über die Lage in dem Bürgerkrie­gsland sprechen. Allerdings ist auch das türkische Verhältnis zu Russland nicht problemfre­i. Laut Medienberi­chten bereitet die syrische Regierung mithilfe Russlands einen Großangrif­f auf Gegenden der nordsyrisc­hen Provinz Idlib vor, in denen sich islamistis­che Rebellen verschanzt haben. Die Kämpfe könnten eine neue Fluchtwell­e in die nahe Türkei auslösen – was Erdogan unter allen Umständen vermeiden will.

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