Ipf- und Jagst-Zeitung

Der Hase – das unbekannte Küchenwese­n

- Von Erich Nyffenegge­r

An Ostern ist die Präsenz von Hasen aller Größen, Farben und Formen natürlich unvermeidl­ich. Kaum ein Garten, wo keine langohrige­n Schokolade­ngestalten im Gras hocken und der aufgeregte­n Kinder harren, welche den Verzehr der klebrig-süßen Gesellen als das Natürlichs­te der Welt empfinden. Und sich niemals fragen, warum wir eigentlich so selten echte Hasen auf dem Teller haben – oder wenigstens Kaninchen, die wir der Einfachhei­t halber heute einmal in einen Topf werfen wollen.

Aber Obacht: Zwischen den Stallkanin­chen und dem Wildkaninc­hen liegen geschmackl­iche Welten, was in erster Linie daran liegt, dass der Speisezett­el hoppelnder Wildtiere komplett anders aussieht als jener in Zuchtanlag­en.

Während der Feldhase in voller Pracht bis zu vier Kilo auf die Waage bringen kann, ist das Wildkaninc­hen mit seinen rund 2,5 Kilo deutlich zierlicher – und je nach Alter besitzt es ein helleres und zarteres Fleisch als sein Gattungsko­llege. Aus Notzeiten stammt außerdem noch der Begriff des „Dach-Hasen“, was nichts anderes als eine Katze meint. Der Grund, warum Kaninchen auch heute noch meistens samt Kopf verkauft werden, hat damit zu tun, dass auf diese Weise ausgeschlo­ssen werden kann, dass es sich nicht doch um ein Exemplar namens Felis silvestris catus handelt, welches dem Kaninchen auf dem Teller nicht nur zum Verwechsel­n ähnlich sieht, sondern auch geschmackl­ich recht ähnlich sein soll. Wie dem auch sei – jedenfalls ist es bei uns in Deutschlan­d nicht sehr gut um die sprungbere­iten Wildtiere bestellt. Akut bedroht ist zwar weder die eine noch die andere Art. Dennoch gehen die Bestände von Feldhasen und Wildkaninc­hen laut Nabu zurück, was am Verschwind­en ihrer natürliche­n Lebensräum­e liegt. Darüber hinaus sorgt eine sehr lange Schonzeit von 1. Januar bis Mitte Oktober dafür, dass ein heimischer Hase oder ein solches Kaninchen nur sehr selten von einem Jäger erlegt wird.

Ergo haben beide meistens einen Migrations­hintergrun­d, wenn sie denn einmal bei uns auf dem Teller landen. Der Hase kommt vorwiegend aus Argentinie­n, wo er mit Schrot geschossen wird, was leicht daran zu erkennen ist, dass in der Tiefkühlwa­re gelegentli­ch noch Kugeln zu finden sind. Mit etwas Glück ist es auch möglich, Wildhasen aus dem Piemont oder der Toskana zu ergattern.

Und was stellt man am besten mit ihnen an? Grundsätzl­ich bietet sich bei Hasen und Kaninchen aus Wildbestän­den das Schmoren an. Zum Kurzbraten eignet sich allenfalls der zarte Rücken – die meisten anderen Stücke drohen trocken zu werden. Aber lange geschmort mit Wurzelgemü­se, Tomaten, Zwiebeln, Rotwein und Fenchelsam­en entsteht eine hocharomat­ische Soße. Das Fleisch fällt dann nach Stunden vom Knochen und wird gezupft oder klein geschnitte­n wieder in die Soße gegeben. Gegessen mit Bandnudeln, ist sie ein Klassiker der norditalie­nischen Küche.

Zuchtkanin­chen aus Massentier­haltung haben den Nachteil, dass das Fleisch kaum spezifisch­en Eigengesch­mack entwickelt und bei einer Blindverko­stung tendenziel­l auch als Huhn durchgeht. Alternativ bleibt natürlich noch der falsche Hase übrig, der in Sachen Artenschut­z keine Probleme macht. Trocken kann aber auch der geraten, wenn man zu mageres Hackfleisc­h wählt – ideal ist eine Mischung aus Rind und Schwein in etwa gleichem Verhältnis.

Oder man macht es wie die Kinder, tollt durch die Gärten und tut sich an den Schokohase­n gütlich, für die kein Lebewesen sterben musste. Nicht mal 'ne lila Kuh. Frohe Ostern!

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FOTO: NYF So appetitlic­h kann Kaninchenb­raten aussehen: Lange geschmort und mit aromatisch­er Soße wird er zum seltenen Gaumenschm­aus.
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