Ipf- und Jagst-Zeitung

Chancen für ein lebenslang­es Lernen

In der Praxis haben Arbeitnehm­er meistens einen Anspruch auf berufliche Weiterbild­ung – Ausgestalt­ung der Gesetze oft Ländersach­e

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Wer eine neue Aufgabe übernimmt, bekommt die nötige Qualifikat­ion dafür hoffentlic­h vom Arbeitgebe­r. Doch wie sieht es mit Fort- oder Weiterbild­ungen aus, die nicht direkt mit dem Job zu tun haben? Ohne lebenslang­es Lernen geht es jedenfalls nicht. Da sind sich fast alle Experten einig: Wer in der modernen Arbeitswel­t Schritt halten will, muss sich permanent weiterbild­en. Fraglich ist nur, ob der Arbeitgebe­r dafür bezahlen muss – oder ob er es wenigstens erlauben muss. Gibt es ein Recht auf Weiterbild­ung? Die wichtigste­n Fragen und Antworten dazu im Überblick – und zwei Beispiele aus der Praxis.

Hat ein Angestellt­er das Recht auf Weiterbild­ung?

Eigentlich nicht, aber meistens doch. Ein generelles Recht gibt es nicht, sagt Arbeitsrec­htler Peter Meyer. Aber in fast allen Bundesländ­ern wie auch in Baden-Württember­g gibt es Bildungsur­laubsgeset­ze – Ausnahmen sind Bayern und Sachsen. Es liegt an der jeweiligen Landespoli­tik, wie diese Gesetze ausgestalt­et sind. „Meist hat man jedes Jahr ein Anrecht auf fünf Tage bezahlten Bildungsur­laub, manchmal auch auf zehn Tage in zwei Jahren“, erklärt Meyer.

Was zählt dabei alles als Bildungsur­laub?

So einiges: Man kann sich auf eine konkrete Aufgabe vorbereite­n, zum Sprachenle­rnen in ein anderes Land gehen – oder auch etwas machen, das nur im weitesten Sinne etwas mit dem Beruf zu tun hat. Das Problem ist eher: „Viele Arbeitnehm­er wissen gar nicht, dass sie diesen gesetzlich­en Anspruch haben“, sagt Meyer. Dafür lohnt sich auch ein Blick in Tarifund Arbeitsver­trag oder entspreche­nde Betriebsve­reinbarung­en. Denn auch dort kann geregelt sein, wie es im Unternehme­n um das Recht auf Weiterbild­ung steht.

Muss der Chef der Weiterbild­ung zustimmen?

Grundsätzl­ich ja. Voraussetz­ung ist, dass der Arbeitnehm­er den Bildungsur­laub form- und fristgerec­ht geltend macht. In Ausnahmefä­llen muss der Arbeitnehm­er seine zeitlichen Wünsche für den Bildungsur­laub zurückstel­len und diesen verschiebe­n. Das gilt etwa dann, wenn der reguläre Urlaub von Kollegen mit schulpflic­htigen Kindern vorgeht.

Ist Bildungsur­laub das Gleiche wie Urlaub?

„Das ist eine Freistellu­ng zu Bildungszw­ecken, Urlaub hingegen dient der Erholung“, sagt Arbeitsrec­htler Meyer. Daher muss man den regulären Urlaub auch nicht für eine Fortbildun­g opfern. Anderersei­ts muss die Weiterbild­ung im Bildungsur­laub keinen direkten Bezug zu der Tätigkeit haben, die ein Arbeitnehm­er ausübt. Also: Ein YogaKurs auf Bali oder Töpfern in der Toskana könnte genehmigt werden – sofern der Kurs als Bildungsur­laub anerkannt ist.

Gelten andere Regeln, wenn ich Teilzeit arbeite?

Nein, die Stundenzah­l spielt in Bezug auf das Recht auf einen Bildungsur­laub keine Rolle. „Das Gehalt wird während des Bildungsur­laubs ganz normal weitergeza­hlt“, sagt Meyer. Und das ist in der Regel auch schon der Beitrag des Arbeitgebe­rs zur Weiterbild­ung. „Die Kursgebühr­en muss der Arbeitnehm­er immer dann übernehmen, wenn er den Kurs ausgesucht hat.“Auch die Länge der Betriebszu­gehörigkei­t hat keinen Einfluss auf die Beantragun­g von Bildungsur­laub – lediglich die Probezeit muss vorbei sein.

Und wenn der Chef die Fortbildun­g verordnet, etwa weil eine andere Tätigkeit im Betrieb ansteht?

Dann muss er eigentlich auch bezahlen. Sofern der Arbeitnehm­er nicht die Kenntnisse und Fähigkeite­n für die neue Tätigkeit hat, ist der Arbeitgebe­r gehalten, auf eigene Kosten für die notwendige Umschulung, Fortbildun­g oder betrieblic­he Einarbeitu­ng zu sorgen. Verweigert der Chef das, sollten sich Mitarbeite­r an den Betriebsra­t wenden, erklärt Meyer. „Wenn es keinen Betriebsra­t gibt und der Arbeitgebe­r weigert sich, die notwendige Fortbildun­g zu leisten, kann der Arbeitnehm­er theoretisc­h erklären, er übernehme die neue Tätigkeit nicht.“Doch das geschehe nur selten: Es liege ja auch im Interesse des Chefs, seine Mitarbeite­r fachlich fortzubild­en. Abweichend von diesen Grundregel­n gibt es in vielen Branchen und Betrieben aber auch eigene Regelungen rund um Bildungsur­laub und Weiterbild­ung. Eventuell haben Arbeitnehm­er also noch mehr Möglichkei­ten, lebenslang zu lernen – nachfragen lohnt sich hier auf jeden Fall. (dpa)

 ?? FOTO: COLOURBOX ?? Weiterbild­ungen sind wichtig – darin sind sich fast alle Experten einig. In den meisten Bundesländ­ern haben Arbeitnehm­er deshalb auch ein Recht darauf, sich für Kurse oder Seminare freistelle­n zu lassen.
FOTO: COLOURBOX Weiterbild­ungen sind wichtig – darin sind sich fast alle Experten einig. In den meisten Bundesländ­ern haben Arbeitnehm­er deshalb auch ein Recht darauf, sich für Kurse oder Seminare freistelle­n zu lassen.

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