Immer Bewegung im Tagesablauf
20 Menschen mit Behinderung leben im neuen Appartementhaus in Aalen
(an) - In der Aalener Innenstadt gibt es ein Wohnprojekt, das einzigartig im Land ist: Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung rund um die Uhr auf Betreuung angewiesen sind, leben selbstbestimmt unter einem Dach. 16 Monate nach der Eröffnung hat sich der Betrieb eingespielt.
Monatelang haben sich Martin Oberdorfer und Ute Schweizer auf ihre Ein-Zimmer-Appartements in der Gartenstraße gefreut. Beide sitzen im Rollstuhl und benötigen Unterstützung. Sie schätzen ihr eigenes, kleines Reich, von wo aus sie in fünf Minuten mit dem Rollstuhl in der Innenstadt sind.
Größtmögliche Selbstständigkeit
Ein eigenständiges Leben zu führen und trotz erhöhtem Unterstützungsbedarf in einer eigenen Wohnung zu leben, ist für Menschen mit Behinderung nicht selbstverständlich. Meistens sind sie in einer stationär betreuten Wohngruppe untergebracht. Mit dem Neubau des Appartementhauses in der Gartenstraße hat die Samariterstiftung Behindertenhilfe Ostalb den Schritt in ein neues Wohnkonzept gewagt. Hier können Menschen trotz ihrer körperlichen und geistigen Handicaps ein Leben mit größtmöglicher Selbstständigkeit führen.
„Der Umzug war für alle eine enorme Umstellung“, zieht die Teamleitung, Ulla Hoops-Koch, nach 16 Monaten eine erste Bilanz. Vieles musste sich erst einspielen. 20 Männer und Frauen leben in den Appartements. Acht von ihnen sind aufgrund ihrer schweren Behinderung auf intensive Unterstützung angewiesen. Sie werden rund um die Uhr von Mitarbeitern der Behindertenhilfe Ostalb betreut, tragen einen Transponder am Handgelenk, die verhindern, dass sich die Haustüre öffnet. „Wir müssen bei manchen Klienten freiheitsentziehende Maßnahmen einsetzen, um sie vor Gefahren zu schützen“, sagt die Bereichsleiterin Wohnen, Gisela Graf-Fischer. Ursprünglich sei dieses Wohnangebot für selbständigere Klienten gedacht gewesen, räumt sie ein. Die große Nachfrage nach einem stationär betreuten Platz für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf habe jedoch ein Umdenken erfordert.
Kochtrainings für Bewohner
„Wir müssen bei manchen Klienten freiheitsentziehende Maßnahmen einsetzen, um sie vor Gefahren zu schützen.“
„Bei uns gilt das Selbstversorgerprinzip“, so Hoops-Koch. So lange allerdings die Bewohner nicht mit einer heißen Herdplatte umgehen können, bleibe diese abgeschaltet. In Kochtrainings lernen die Klienten, sich eine Mahlzeit zuzubereiten. Ihre Lebensmittel kaufen sie sich selbst ein. Auch wenn Mitarbeiter sie dabei begleiten, entscheiden die Klienten darüber, was sie in den Einkaufswagen legen. „Es kann sein, dass wir mit ihnen darüber diskutieren, ob das gesund ist oder nicht, was sie da kaufen. Aber entscheiden dürfen wir nicht. Das ist eben Selbstbestimmung“, sagt die Teamleiterin.
Gisela Graf-Fischer, Bereichsleiterin Wohnen