Ipf- und Jagst-Zeitung

Weltweite Sorge nach Trumps Drohungen

US-Präsident kündigt Raketenang­riff auf Syrien an und droht Russland – Putin mahnt

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(dpa/ts) - Im Syrienkonf­likt wächst die Angst vor einer direkten militärisc­hen Konfrontat­ion zwischen den USA und Russland. Nach dem mutmaßlich­en Giftgasang­riff in Ost-Ghuta mit mindestens 42 Toten steht womöglich ein US-Raketenang­riff im Bürgerkrie­gsland bevor. US-Präsident Donald Trump twitterte am Mittwoch: „Russland hat geschworen, alle Raketen abzuschieß­en, die auf Syrien abgefeuert werden. Mach’ Dich bereit, Russland, denn sie werden kommen (…).“Sie seien „schön und neu und smart“. Russlands Botschafte­r im Libanon, Alexander Sassypkin, hatte zuvor erklärt, dass Russland jede US-Rakete auf dem Gebiet des verbündete­n Syrien abfangen werde.

Damit ist das ohnehin belastete Verhältnis zwischen Washington und Moskau weiter drastisch abgekühlt. Trump ging am Mittwoch sogar noch einen Schritt weiter. „Unser Verhältnis zu Russland ist jetzt schlechter, als es das je war“, schrieb der US-Präsident. Moskau dürfe sich nicht mit einem „Tier“verbünden, das mit Gas töte, schrieb er und meinte damit offensicht­lich Syriens Präsidente­n Baschar al-Assad.

Weniger drastisch, aber ebenfalls deutlich äußerte sich Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron. Er sagte, Angriffe auf „chemische Kapazitäte­n“in Syrien seien möglich. „Wir werden unsere Entscheidu­ng in den kommenden Tagen mitteilen.“

Russlands Präsident Wladimir Putin mahnte hingegen. „Die weltweite Lage wird immer chaotische­r“, sagte er in Moskau. „Wir hoffen, dass der gesunde Menschenve­rstand die Oberhand gewinnt.“Er hoffe, dass die Beziehunge­n „in eine konstrukti­ve Richtung gehen“. Auf Trumps Drohungen ging er nicht explizit ein.

Dessen Motivation blieb offen. „Es ist nicht zu erkennen, was Trump mit einem Angriff erreichen will“, sagte Guido Steinberg, Nahost-Experte der Stiftung Wissenscha­ft und Politik, zur „Schwäbisch­en Zeitung“. „Das Risiko, dass sich die Spannungen zwischen den USA und Russland zuspitzen, ist deutlich größer als der Nutzen, den ein US-Angriff auf Assads Militär hat.“

Der US-Präsident hatte seine Drohungen bei Twitter mit innenpolit­ischen Aspekten – der RusslandUn­tersuchung des Sonderermi­ttlers Robert Mueller – verknüpft.

- Um den syrischen Machthaber Baschar al-Assad zu stoppen, sei es zu spät, sagt Guido Steinberg, Nahost-Experte der Stiftung Wissenscha­ft und Politik, im Gespräch mit Tobias Schmidt.

Ist es eine richtige Entscheidu­ng von US-Präsident Donald Trump, Syrien nach der Giftgasatt­acke anzugreife­n?

Es ist nicht zu erkennen, was Trump mit einem Angriff erreichen will. Schon vor einem Jahr haben die USA nach einer Giftgasatt­acke eine syrische Luftwaffen­basis bombardier­t. Das hatte keinerlei Auswirkung­en auf die Lage in Syrien und auch keine Auswirkung­en auf die Fähigkeit des Regimes von Machthaber Baschar alAssad, weiter Giftgas einzusetze­n.

Moskau attackiert Washington wegen seines Vorgehens, droht mit Gegenschlä­gen. Wie gefährlich ist die Konfrontat­ion der beiden Großmächte?

Das Risiko, dass sich die Spannungen zwischen den USA und Russland zuspitzen, ist deutlich größer als der Nutzen, den ein US-Angriff auf Assads Militär hat. Es ist nicht auszuschli­eßen, dass die Amerikaner einen russischen Soldaten in Syrien treffen, die dort präsent sind. Das birgt eine enorme Gefahr.

Assad hat fast das ganze Land wieder unter seiner Kontrolle. Warum sollte er dennoch Giftgas eingesetzt haben?

Das Regime setzt Giftgas ein, um die Bevölkerun­g zu terrorisie­ren und die Menschen aus den Rebellenge­bieten zu vertreiben. So war es 2013 und Anfang vergangene­n Jahres. Ernste Konsequenz­en gab es für Assad damals nicht, weil Russland und der Iran ihre schützende Hand über ihn halten. Das Regime in Damaskus weiß, dass es letztlich nichts zu befürchten hat. Durch die Bombardier­ung eines Luftwaffen­stützpunkt­es lässt sich Assad nicht einschücht­ern und von weiteren Giftgasein­sätzen abhalten.

Assad ist nicht mehr zu stoppen?

Nein, dafür ist es zu spät. Barack Obama war 2013 blauäugig. Es war klar, dass Assad nicht seine gesamten Giftgasbes­tände abgeben würde. Auch für einen großen Militärein­satz des Westens gegen Damaskus wäre es längst zu spät. Die traurige Wahrheit ist: Der Westen hat letztlich ein Interesse daran, dass Assad nicht fällt. Sonst wären die Islamisten schnell wieder auf dem Vormarsch und der syrische Staat würde auseinande­rbrechen. Assad ist angesichts dieser Alternativ­e das kleinere Übel. Die Russen haben sich längst entschiede­n und hinter ihn gestellt. Eine Militärakt­ion gegen Assad wäre nicht möglich, ohne gegen die Russen zu kämpfen. Und das ist keine Option.

Die USA stimmen sich eng mit Frankreich und Großbritan­nien ab. Ist Deutschlan­d in dem Konflikt nur Zuschauer?

Deutschlan­d ist außen vor. Die Bundesrepu­blik ist kein sicherheit­spolitisch­er Akteur. Mit uns kann man Handelsfra­gen besprechen, aber keine ernsthafte­n militärisc­hen Aktivitäte­n. Da spielen wir sowieso nicht mit, das ist ja bekannt. Dass Trump Kontakt zu Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron und zu Theresa May in London hält, ist sinnvoll. Dass er nicht in Berlin anruft, mag viele deutsche Politiker ärgern. Aber außer guten oder weniger guten Ratschläge­n haben die Deutschen nichts zu bieten.

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FOTO: DPA Guido Steinberg

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