Ipf- und Jagst-Zeitung

Merkel gegen Umbauten

Kanzlerin hält wenig von Nachrüstun­gen für Dieselauto­s

- Von Sabine Lennartz

(dpa/sz) - Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hat sich in der Dieselkris­e skeptisch zu technische­n Nachrüstun­gen von Dieselauto­s geäußert. Solche Nachrüstun­gen seien „relativ kosteninte­nsiv“, sagte Merkel zum Abschluss der Kabinettsk­lausur in Meseberg. Sie machte jedoch deutlich, die Regierung habe „ganz klare Erwartunge­n“an die Autoindust­rie, die „erkennbar gravierend­e Fehler“gemacht habe. Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöfer sieht die Schuld an der verfahrene­n Situation allerdings bei der Bundesregi­erung, die die Mahnungen aus Brüssel über Jahre ignoriert habe. „Die Versäumnis­se werden dazu führen, dass an Fahrverbot­en kein Weg mehr vorbeiführ­t“, sagte der Chef des Centers für Automotive Research. Die Deutsche Umwelthilf­e erneuerte nach neuen Stickstoff­dioxid-Messungen ihre Forderung nach eine technische­n Nachrüstun­g von zehn Millionen Dieselauto­s.

- Kurz nach Ende der Regierungs­klausur im brandenbur­gischen Schloss Meseberg ist das Urteil im 70 Kilometer entfernten Berlin vernichten­d. „Außer Spesen nichts gewesen“, findet FDP-Chef Christian Lindner. Von einer „Therapiesi­tzung“redet Grünen-Fraktionsc­hef Toni Hofreiter (siehe Interview).

An dieser Wertung ist der gemeinsame Auftritt von Angela Merkel (CDU) und Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD) nicht ganz unschuldig. Denn sie sprechen mehr vom Klima in der Koalition als von Ergebnisse­n. Von einem „ausgeprägt­en Willen zur Zusammenar­beit“berichtet Bundeskanz­lerin Angela Merkel nach den 24 Stunden in Klausur. „Die Atmosphäre war dergestalt, dass wir sagen können, dass alle entschloss­en sind, sich den Aufgaben, die sich aus dem Kaolitions­vertrag ergeben, auch wirklich zu stellen.“

Der gemeinsame Auftritt von Kanzlerin und Vizekanzle­r dauert nur einige Minuten, und konkrete Maßnahmen werden nicht bekannt gegeben. So bleibt den Journalist­en auf dem „Zauberschl­oss“, wie Fontane es einst nannte, nur die Frage nach der Atmosphäre. Den „Geist von Meseberg“habe es nicht gegeben, nur Himbeergei­st, hatte Sigmar Gabriel als Vizekanzle­r vor vier Jahren gewitzelt. Als die Kanzlerin jetzt gefragt wird, ob es wieder Himbeergei­st gab, antwortet sie ganz ernsthaft, sie könne nur von später Stunde und von Rotwein berichten.

Scholz ist kurz angebunden

Es sei ja klar, „dass wir nicht alle aufwachen und den gleichen Gedanken haben“, aber der Wille zur Einigung sei da. „Die Teambildun­g ist gelungen, der Rest kommt jetzt“, sagt Finanzmini­ster Olaf Scholz gewohnt kurz angebunden.

Und sonst? Angela Merkel sagt, man habe sich bewusst entschiede­n, einen Blick von außen auf die Regierung werfen zu lassen. Deshalb waren sowohl DGB-Chef Reiner Hoffmann als auch Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer zu Gast auf Schloss Meseberg, Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g und EU-Kommission­spräsident Jean-Claude-Juncker machten ihre Erwartunge­n an die Bundesregi­erung klar.

Störmanöve­r im Vorfeld

Im Vorfeld hatten Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) und Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) sich immer wieder zu Wort gemeldet, der eine zum Thema Islam, der nicht zu Deutschlan­d gehört, der andere zum Thema Hartz IV, das nicht Armut bedeute. Und am Tag der Klausur legt Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt (CSU) noch einmal nach, dass der Islam Deutschlan­d nicht prägen dürfe und niemand einen Maulkorb bekommen dürfe. Über all das ärgern sich die Sozialdemo­kraten. Doch der Aufforderu­ng von Andrea Nahles, die Kanzlerin müsse jetzt mal ein Machtwort sprechen, kommt Merkel nicht nach. Nur einen kleinen Giftpfeil am Rande verschießt sie, als sie sagt: „Die Arbeit kann jetzt auf breiter Front beginnen“, und „es bleibt nicht viel Zeit für anderes“. Was mit „anderes“gemeint ist, wissen die so Angesproch­enen. „Jeder hat so sein Päckchen zu tragen“, schiebt die Kanzlerin nach. Horst Seehofer drängt sich zwar zum Gruppenbil­d neben sie in die erste Reihe, schaut dabei aber eher verdrießli­ch.

Angela Merkel dürfte auch in Meseberg gemerkt haben, dass es in den nächsten vier Jahren kein einfaches Regieren wird. Doch sie will nicht von einer mageren Bilanz der Klausur sprechen. Schließlic­h sei es nie Ziel gewesen, eine detaillier­te Vorhaben-Planung vorzulegen, sondern die Arbeitsfäh­igkeit herzustell­en.

Nur zweimal wird die Kanzlerin konkret: Der Bundeshaus­halt soll bis zum 2. Mai verabschie­det werden und die Grenzkontr­ollen nach Österreich aus Sicherheit­sgründen weiter durchgefüh­rt werden, eine entspreche­nde Meldung nach Brüssel sei unterwegs.

Was die offene Dieselfrag­e angeht, so würden Gutachten folgen, die man noch abwarte. Umweltund Verkehrsmi­nister setzten bereits Programme um, Fördermaßn­ahmen, um die Luft sauberer zu machen. Und am Ende, so hofft Merkel, blieben dann von den 66 Städten vielleicht zehn übrig, in denen die Grenzwerte noch überschrit­ten werden. Die Regierung aber werde nicht auf Fahrverbot­e und blaue Plaketten setzen, sondern auf individuel­le Maßnahmen, die den Bürger weitgehend verschonte­n. Vage und vorsichtig bleibt die Kanzlerin auch bei der Frage nach dem eskalieren­den Konflikt in Syrien.

Zum Schluss aber hat die Kanzlerin doch noch einen Ratschlag an die Minister. Diese sollten sich im Vorfeld mit ihren Kollegen beraten, „damit man nicht zu viel aufschreib­t, was man nachher wieder ändern muss“.

Olaf Scholz stellt noch einmal fest, dass die Regierungs­mitglieder am Ende „an Taten gemessen werden“. Und er zieht das unverdross­ene Fazit: „Das war eine gute Klausurtag­ung.“

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FOTO: IMAGO Keine Ergebnisse bei der Klausur, aber eine positive Klimabilan­z (von links): Außenminis­ter Heiko Maas (SPD), Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU).

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