Ipf- und Jagst-Zeitung

SPD wirft Innenminis­ter Strobl Lüge vor

Weiter Streit um Polizeiein­satz in Sigmaringe­n – Innenminis­ter weist Vorwürfe zurück

- Von Katja Korf

- In der Debatte um Polizeiein­sätze in Sigmaringe­n gibt es eine neue Wendung. Anders als zunächst von Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) behauptet, beruht die Aufregung um verdeckte Ermittler der Polizei keineswegs nur auf einem Missverstä­ndnis. Das räumte der Politiker auf eine Anfrage der SPD ein. Das Dokument liegt der „Schwäbisch­en Zeitung“vor. Die SPD wirft Strobl vor, gelogen zu haben.

Mitte März hatte eine Pressemitt­eilung des Innenminis­teriums Kritik ausgelöst. Darin hatte die Behörde den Einsatz „verdeckter Kräfte“im Sigmaringe­r Prinzengar­ten angekündig­t. Polizeigew­erkschafte­n und Opposition warfen dem Minister daraufhin vor, Interna veröffentl­icht zu haben und Polizisten in Gefahr zu bringen. Verdeckte Ermittler seien darauf angewiesen, dass niemand von ihrer Identität wisse.

Diskussion über Begrifflic­hkeit

Strobl erklärte die Sache damals mit einem Missverstä­ndnis. Aus dem Passus „verdeckte Kräfte“sei in Berichten etwa in der „Schwäbisch­en Zeitung“die Bezeichnun­g „verdeckte Ermittler“geworden. Das sei aber falsch, so Strobl im März. Denn mit „verdeckten Kräften“sei im Polizeijar­gon nicht der Einsatz von verdeckten Ermittlern gemeint. Vielmehr handele es sich um Kriminalbe­amte in Zivil. Diese hätten keine Legenden – also falsche Identitäte­n.

Das klingt heute anders. Strobl schreibt in einer Antwort auf eine Anfrage des SPD-Innenexper­ten Sascha Binder: „Im polizeilic­hen Sprachgebr­auch werden unter verdeckten Kräften sowohl zivil agierende Beamte der Schutz- und Kriminalpo­lizei (...) als auch nicht offen ermittelnd­e Polizeibea­mte (NoeP), Kräfte der mobilen Rauschgift­fahndung (MoRF) und verdeckte Ermittler (VE) subsumiert. Kräfte der MoRF und VE agieren ausschließ­lich verdeckt.“

SPD-Mann Binder sagt dazu: „Der Innenminis­ter hat immer wieder betont, dass er nie gesagt habe, verdeckte Ermittler einzusetze­n. Er hat die Schuld für die Aufregung der Presse und der Opposition in die Schuhe geschoben. Nun schreibt er, dass der von ihm verwendete Begriff ‚verdeckte Kräfte‘ sehr wohl den Einsatz von verdeckten Ermittlern umfasst. Damit hat er die Öffentlich­keit belogen.“

Das weist Strobl scharf zurück. Wer diesen Vorwurf erhebe, habe offenbar entweder das Antwortsch­reiben auf die SPD-Anfrage nicht verstanden oder handele wider besseren Wissens, heißt es in einer Stellungna­hme seines Ministeriu­ms. Und weiter: „Jeder ,Verdeckte Ermittler‘ ist eine ,verdeckte Kraft‘ – aber nicht jede ,verdeckte Kraft‘ ist auch ein ,Verdeckter Ermittler‘“. Ein solcher Rückschlus­s sei falsch, deswegen stelle sich die Frage, „ob es nicht schlicht unanständi­g ist, daraus den Vorwurf der Lüge abzuleiten“.

Als Konsequenz aus der Debatte waren nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“geplante verdeckte Einsätze in Sigmaringe­n auf Eis gelegt worden. Die Zahl der Straftaten in Sigmaringe­n ist seit 2015 um rund 36 Prozent gestiegen – ohne Verstöße gegen das Ausländerr­echt. Die Zahl der tatverdäch­tigen Flüchtling­e stieg von 51 im Jahr 2014 auf 453 im vergangene­n Jahr.

Erfahrene Polizisten aus dem zuständige­n Einsatzber­eich berichtete­n von erhebliche­r Verärgerun­g über den Minister: „Wir selbst lassen nicht einmal Ordner mit Plänen für verdeckte Einsätze auf dem Schreibtis­ch liegen.“

Pressemitt­eilung nicht abgestimmt

Die SPD hält den Vorgang für skandalös. Es sei weiterhin offen, ob Strobls Aktion nicht doch Beamte der Gefahr ausgesetzt habe, enttarnt zu werden. Außerdem habe sich der Minister nicht mit der Polizeifüh­rung und den für Sigmaringe­n Verantwort­lichen abgestimmt.

Tatsächlic­h schreibt Strobl: „Das ,Konzept sicheres Sigmaringe­n‘ wurde am 7. März 2018 vereinbart.“Dabei wurde ein bereits bestehende­s Konzept des Polizeiprä­sidiums Konstanz ergänzt. An dieser Besprechun­g nahmen neben Strobl CDUAbgeord­nete, der Sigmaringe­r Bürgermeis­ter sowie ein Referatsle­iter des Ministeriu­ms teil. Das Präsidium Konstanz war nicht eingebunde­n. Die umstritten­e Pressemitt­eilung war offenbar ebenfalls nicht mit den Verantwort­lichen vor Ort abgestimmt. „Das macht mich fassungslo­s“, so Binder.

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FOTO: DPA Sascha Binder (SPD, links) geht hart mit CDU-Innenminis­ter Thomas Strobl ins Gericht.
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