DUH fordert nach neuen Messungen Dieselnachrüstung
Organisation stellt Studie zum Stickstoffdioxid-Ausstoß im Winter vor – Grenzwerte um das Zehnfache überschritten
- Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) erneuert nach neuen Stickstoffdioxidmessungen ihre Forderung nach einer umfangreichen Hardware-Nachrüstung für ältere Dieselautos. Bei einem Emissionstests von 15 Modellen verschiedener Hersteller im Winter seien Grenzwertüberschreitungen um teils mehr als das Zehnfache festgestellt worden, teilte die Organisation am Mittwoch mit. „Die Systeme müssen aber bis minus sieben Grad funktionieren“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch der „Schwäbischen Zeitung“.
Die DUH hatte zwischen September und März 15 Autos der Euronorm 5 und 6 auf der Straße getestet. Kein Wagen hatte die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte erreicht, da alle Modelle eine Abschalteinrichtung hatten, die die Abgasreinigung bei niedrigen Temperaturen herunterregelt. Der Grund liegt in der Tatsache, dass die Säuberung der Emissionen technisch aufwändiger und teurer wird, je kälter es ist. „Die Konzerne sparen auf diese Weise Geld, weil sie die Anlagen billiger herstellen können“, sagte Resch. „Zudem halten sie länger, wenn sie sich immer wieder ausschalten, da sie auf kurze Betriebszeiten ausgelegt sind.“Die DUH hält die Abschalteinrichtungen für illegal, da sie nach Ansicht der Organisation vor der Inbetriebnahme der Wagen hätten offengelegt und genehmigt werden müssen. „Das ist jedoch in keinem Fall geschehen“, erklärte Resch. Das Kraftfahrtbundesamt genehmigte sie erst im Nachhinein.
Wie sehr die Abgasemissionen nach Ansicht der DUH von den Temperaturen abhängen, demonstrierte die DUH anhand eines Opel Zafira 1.6 CTDI. Das von der DUH ins Leben gerufene Emissions-Kontroll-Institut (EKI) maß im März 2017 bei Temperaturen zwischen sechs und zwölf Grad einen Stickstoffausstoß von 995 Milligramm pro Kilometer, der bei Temperaturen zwischen minus ein und fünf Grad auf 1474 Milligramm stieg. Erlaubt sind 80 Milligramm pro Kilometer. „Laut Hersteller ist die Software der Motorsteuerung beim aktuell geprüften Wagen auf dem neuesten Stand“, versicherte die DUH.
Geschätzte Kosten von 1500 Euro
Die Umweltorganisation forderte deshalb erneut, rund zehn Millionen Dieselfahrzeuge technisch nachzurüsten, damit sie die aktuellen Grenzwerte einhalten. „Diese Nachrüstung ist nötig und technisch möglich“, erklärte Resch. Die Kosten pro Dieselauto liegen nach DUH-Schätzungen bei etwa 1500 Euro, für die Hälfte der betroffenen Wagen sei die erforderliche Technik bereits entwickelt. „Es sind Ausreden der Konzerne, dass das alles nicht funktioniere“, erläuterte Resch. „Im Moment ist nur der Druck aus der Politik auf die Autoindustrie einfach nicht da.“
Die Industrie lehnt eine Nachrüstung weiter vehement ab. „Uns sind die Details der neuesten Messungen nicht bekannt, deshalb können wir die Ergebnisse nicht bewerten“, sagte eine Sprecherin des Verbands der Automobilindustrie auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Klar sei jedoch, dass eine Nachrüstung bei vielen Autos gar nicht funktioniere. „Bei den Fahrzeugen, bei denen es möglich ist, müssen die Lösungen aber neu entwickelt, erprobt und genehmigt werden. Das dauert seine Zeit, wir brauchen die Verbesserungen aber schnell“, sagte die Sprecherin weiter. Hinzu komme, dass bei einer technischen Nachrüstung der Kraftstoffverbrauch der Dieselautos steige, was das Problem des Kohlendioxidausstoßes vergrößere.
Ferdinand Dudenhöfer, Chef des Centers für Automotive Research an der Universität Duisburg Essen, geht nicht davon aus, dass man die Autoindustrie zur Übernahme der Kosten für eine Hardware-Nachrüstung zwingen kann, kritisiert dabei aber die Bundesregierung massiv, die die Überschreitung der Stickoxidwerte in den Städten seit 2010 ignoriert habe. „Dabei hat Brüssel die Regierung Jahr für Jahr wegen dieser Verstöße abgemahnt“, sagte Dudenhöfer. „Die betroffenen Dieselfahrer werden von der Politik hängengelassen. Die jahrelangen Versäumnisse werden dazu führen, dass an Fahrverboten in einigen Städten kein Weg mehr vorbeiführen wird.“