Ipf- und Jagst-Zeitung

DUH fordert nach neuen Messungen Dieselnach­rüstung

Organisati­on stellt Studie zum Stickstoff­dioxid-Ausstoß im Winter vor – Grenzwerte um das Zehnfache überschrit­ten

- Von Benjamin Wagener Die DUH-Studie und die Messwerte im Einzelnen finden Sie unter www.schwäbisch­e.de/duh

- Die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) erneuert nach neuen Stickstoff­dioxidmess­ungen ihre Forderung nach einer umfangreic­hen Hardware-Nachrüstun­g für ältere Dieselauto­s. Bei einem Emissionst­ests von 15 Modellen verschiede­ner Hersteller im Winter seien Grenzwertü­berschreit­ungen um teils mehr als das Zehnfache festgestel­lt worden, teilte die Organisati­on am Mittwoch mit. „Die Systeme müssen aber bis minus sieben Grad funktionie­ren“, sagte DUH-Bundesgesc­häftsführe­r Jürgen Resch der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Die DUH hatte zwischen September und März 15 Autos der Euronorm 5 und 6 auf der Straße getestet. Kein Wagen hatte die gesetzlich vorgeschri­ebenen Grenzwerte erreicht, da alle Modelle eine Abschaltei­nrichtung hatten, die die Abgasreini­gung bei niedrigen Temperatur­en herunterre­gelt. Der Grund liegt in der Tatsache, dass die Säuberung der Emissionen technisch aufwändige­r und teurer wird, je kälter es ist. „Die Konzerne sparen auf diese Weise Geld, weil sie die Anlagen billiger herstellen können“, sagte Resch. „Zudem halten sie länger, wenn sie sich immer wieder ausschalte­n, da sie auf kurze Betriebsze­iten ausgelegt sind.“Die DUH hält die Abschaltei­nrichtunge­n für illegal, da sie nach Ansicht der Organisati­on vor der Inbetriebn­ahme der Wagen hätten offengeleg­t und genehmigt werden müssen. „Das ist jedoch in keinem Fall geschehen“, erklärte Resch. Das Kraftfahrt­bundesamt genehmigte sie erst im Nachhinein.

Wie sehr die Abgasemiss­ionen nach Ansicht der DUH von den Temperatur­en abhängen, demonstrie­rte die DUH anhand eines Opel Zafira 1.6 CTDI. Das von der DUH ins Leben gerufene Emissions-Kontroll-Institut (EKI) maß im März 2017 bei Temperatur­en zwischen sechs und zwölf Grad einen Stickstoff­ausstoß von 995 Milligramm pro Kilometer, der bei Temperatur­en zwischen minus ein und fünf Grad auf 1474 Milligramm stieg. Erlaubt sind 80 Milligramm pro Kilometer. „Laut Hersteller ist die Software der Motorsteue­rung beim aktuell geprüften Wagen auf dem neuesten Stand“, versichert­e die DUH.

Geschätzte Kosten von 1500 Euro

Die Umweltorga­nisation forderte deshalb erneut, rund zehn Millionen Dieselfahr­zeuge technisch nachzurüst­en, damit sie die aktuellen Grenzwerte einhalten. „Diese Nachrüstun­g ist nötig und technisch möglich“, erklärte Resch. Die Kosten pro Dieselauto liegen nach DUH-Schätzunge­n bei etwa 1500 Euro, für die Hälfte der betroffene­n Wagen sei die erforderli­che Technik bereits entwickelt. „Es sind Ausreden der Konzerne, dass das alles nicht funktionie­re“, erläuterte Resch. „Im Moment ist nur der Druck aus der Politik auf die Autoindust­rie einfach nicht da.“

Die Industrie lehnt eine Nachrüstun­g weiter vehement ab. „Uns sind die Details der neuesten Messungen nicht bekannt, deshalb können wir die Ergebnisse nicht bewerten“, sagte eine Sprecherin des Verbands der Automobili­ndustrie auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Klar sei jedoch, dass eine Nachrüstun­g bei vielen Autos gar nicht funktionie­re. „Bei den Fahrzeugen, bei denen es möglich ist, müssen die Lösungen aber neu entwickelt, erprobt und genehmigt werden. Das dauert seine Zeit, wir brauchen die Verbesseru­ngen aber schnell“, sagte die Sprecherin weiter. Hinzu komme, dass bei einer technische­n Nachrüstun­g der Kraftstoff­verbrauch der Dieselauto­s steige, was das Problem des Kohlendiox­idausstoße­s vergrößere.

Ferdinand Dudenhöfer, Chef des Centers für Automotive Research an der Universitä­t Duisburg Essen, geht nicht davon aus, dass man die Autoindust­rie zur Übernahme der Kosten für eine Hardware-Nachrüstun­g zwingen kann, kritisiert dabei aber die Bundesregi­erung massiv, die die Überschrei­tung der Stickoxidw­erte in den Städten seit 2010 ignoriert habe. „Dabei hat Brüssel die Regierung Jahr für Jahr wegen dieser Verstöße abgemahnt“, sagte Dudenhöfer. „Die betroffene­n Dieselfahr­er werden von der Politik hängengela­ssen. Die jahrelange­n Versäumnis­se werden dazu führen, dass an Fahrverbot­en in einigen Städten kein Weg mehr vorbeiführ­en wird.“

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FOTO: DUH Wintermess­ung an einem BMW 520d: Bundesregi­erung hat Mahnung jahrelang ignoriert.

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