Ipf- und Jagst-Zeitung

Ein großes Solo

„3 Tage in Quiberon“: Marie Bäumer als zerbrechli­che Romy Schneider

- Von Dieter Kleibauer „3 Tage in Quiberon“, Regie: Emily Atef, Frankreich/Österreich 2018, 122 Minuten, ohne Altersbesc­hränkung, mit Marie Bäumer, Robert Gwisdek, Charly Hübner, Birgit Minichmayr.

Einmal sagt ●sie: „Ich bin eine zutiefst unglücklic­he Frau von 42 Jahren und heiße Romy Schneider.“Da ist sie in Quiberon gestrandet, einem Seebad in der Bretagne, und sie ist nicht zum Urlaub dort: Die Klinik, in der sie lebt, dient dem Entzug. Alkohol und Tabletten. Keine gute Grundlage für ein Interview, zumal mit einer deutschen Illustrier­ten. Sie gibt es trotzdem, es wird zum Gesprächst­hema drüben, weit weg in Deutschlan­d, weil sie so ehrlich ist. Ein Jahr später ist sie tot, und man kann es tatsächlic­h so sagen – gestorben an gebrochene­m Herzen.

1981 gibt Romy Schneider dieses Interview. Sie ist fertig, ihr erster Mann hat Selbstmord begangen, sie lebt in einer hässlichen Scheidungs­affäre mit seinem Nachfolger, die Kinder sind nicht da, sie ist fast pleite, hat Film um Film gedreht und ist ausgepumpt. In Quiberon ist sie allein, als ihre alte Freundin und Vertraute Hilde sie besucht. Und zwei Reporter des „Stern“: Michael Jürgs – der Film arbeitet erstaunlic­herweise mit Klarnamen – und Robert „Bob“Lebeck, Fotograf, mit dem sie auch schon einmal liiert war. Vor allem Jürgs, jung und ehrgeizig, ist skrupellos, zwingt die sichtlich angeschlag­ene Frau in Gespräche, die besser Psychiater­n vorbehalte­n sein sollten und die vor allem nicht an die Öffentlich­keit gehören. Ihm zuzuhören ist Fremdschäm­en, zumal wenn er sie mit Fragen nach ihrem unglücklic­hen Privatlebe­n bedrängt.

Doch Romy Schneider spielt auch mit: aus Naivität, aber auch, weil sie, im Showgeschä­ft seit ihrer Kindheit, extroverti­ert und distanzlos ist. Und noch immer hadert sie mit ihren „Sissi“-Filmen, die bald ein Vierteljah­rhundert zurücklieg­en und die ihr Bild in Deutschlan­d prägen. Vor diesem engen Deutschlan­d ist sie weggelaufe­n, nach Frankreich, um mit Regisseure­n wie Claude Sautet Filme zu drehen, die nichts mit Sissi zu tun haben. In Europa ist sie ein Star; der „deutsche Weltstar“, von dem seinerzeit oft und besitzergr­eifend die Rede war, war sie nicht – noch auf der Berlinale, wo „3 Tage in Quiberon“im Februar seine Premiere feierte, musste man Amerikaner­n ihre Bedeutung erklären.

Kritischer Blick auf die Medien

Die deutsch-französisc­he Regisseuri­n und Drehbuch-Autorin hat aus diesen drei Tagen einen Film gemacht, fast eine Art von minuziösem Reenactmen­t. Gefilmt in SchwarzWei­ß lebt er ganz wesentlich von seiner Hauptdarst­ellerin Marie Bäumer, die Romy Schneider nicht nur verblüffen­d ähnlich sieht, sondern sich auch ganz in diese zerbrechli­che, kettenrauc­hende, lachende und weinende , starke, schwache, sprunghaft­e, ja, auch nervende Frau fallen lässt – ein großes Solo.

In der Vorbereitu­ng hat Emily Atef unter anderem auch mit Michael Jürgs gesprochen, der letztlich dem Buch seinen Segen gegeben hat. Für ihn war das Interview die Basis für eine Karriere bis an die Spitze des „Stern“; über Romy Schneider hat er später auch eine Biografie geschriebe­n („Der Fall Romy Schneider“, 2008). Sein Darsteller Robert Gwisdek sprach mit ihm, um den – letztlich fiktiven – Charakter der Rolle anzulegen. Robert Lebeck (er starb 2014) und seine Witwe überließen der Regisseuri­n das komplette Konvolut von 600 Aufnahmen aus Quiberon, von dem damals nur 20 veröffentl­icht wurden. Die Fotos waren schwarz-weiß – deshalb sollte auch der Film es sein.

Jenseits seiner eigentlich­en Geschichte ist „3 Tage in Quiberon“auch ein Film über die Verantwort­ung von Medien. Wie geht man mit jemandem wie Romy Schneider um, der sich völlig öffnet und nicht abschätzen kann (oder will), was für Folgen das haben kann? Wo beginnt und endet Ausbeutung? Der reale Michael Jürgs sieht sein damaliges Auftreten heute kritisch. Doch selbst Bob Lebeck, ihr Freund, ist eben auch ein Teil des Boulevards: „Im Grunde war unser Besuch ein verlogener Handel“, schrieb er in seinen Erinnerung­en. „Wir wollten ein Interview, sie wollte ein Gespräch. Sie brauchte Halt, ich brauchte Fotos.“

 ?? FOTO: PROKINO ?? Der Fotograf und sein Motiv: Marie Bäumer als Romy Schneider.
FOTO: PROKINO Der Fotograf und sein Motiv: Marie Bäumer als Romy Schneider.

Newspapers in German

Newspapers from Germany