Ipf- und Jagst-Zeitung

„Angeschaut wie eine Rabenmutte­r“

Mutter wird mit krankem Kind von der Aalener Notfallpra­xis nach Mutlangen geschickt

- Von Thorsten Vaas

- Raphaela Rathgeb fährt mit ihrem kranken Kind an einem Sonntag im Januar in die Notfallpra­xis am Aalener Ostalb-Klinikum. Ihr 20 Monate altes Kind bekommt kaum Luft, sie hat Angst um ihn – doch der Arzt schickt sie auf eine 30-minütige Autofahrt nach Mutlangen. Wie konnte das passieren?

„Die Kinderärzt­e in Mutlangen haben mich angeschaut wie eine Rabenmutte­r.“Wenn Raphaela Rathgeb heute an jenen Sonntag Ende Januar zurückdenk­t, spricht sie von der Angst, die sie um ihren Sohn hatte, der so hustete, dass er kaum Luft bekam. „Ich hatte Angst, dass er erstickt“, berichtet die 28-Jährige aus Neuler. Als sich ihr Sohn etwas beruhigte, fuhr sie in die Notfallpra­xis am Aalener OstalbKlin­ikum – und wurde weggeschic­kt. Es sei kein Kinderarzt da.

„Der Arzt vermutete einen Krupp-Anfall, klärte mich jedoch nicht auf, was das ist.“Rathgeb wurde nach Mutlangen geschickt – „obwohl er schwarz auf weiß notierte, dass ich Angst um mein Kind habe“. Nach 30 Minuten kommt sie dort an. 30 lange Minuten. Was, wenn auf der Fahrt auf der Bundesstra­ße etwas passiert wäre? Eine Frage, die der Mutter heute noch durch den Kopf geht. Sie ist nicht unberechti­gt, „denn die Ärzte in Mutlangen sagten, dass ich nie hätte Auto fahren dürfen“. Wie konnte das passieren? „Ist dieser Vorgang mit der neuen KlinikStru­ktur erklärbar oder mit alten, unbrauchba­ren Strukturen der Notfallver­sorgung?“, will Christa Klink vom Kreisverba­nd der Linken wissen.

Tür an Tür mit der Klinik

Zuständig für die Notfallpra­xis ist die Kassenärzt­liche Vereinigun­g, die die Ärzte einteilt. „Samstags ist der Kinderarzt von 9 bis 20 Uhr in Aalen, sonntags in Mutlangen“, sagt Ralf Mergenthal­er, Sprecher des OstalbKlin­ikums, und vermutet dahinter den Grund, warum die Mutter fortgeschi­ckt wurde.

An Klinik-Struktur liegt es nicht

An der Klinik-Struktur jedenfalls liege es nicht: „Egal ob Tag oder Nacht: Wenn es nötig ist, wird immer ein Kinderarzt hinzugeruf­en.“Ob die Entscheidu­ng richtig war, will Mergenthal­er nicht beurteilen und ergänzt: „Eigentlich ist es ein großer Vorteil, dass die Notfallpra­xis und die Klinik Tür an Tür sind.“Warum wurde Rathgeb dann nicht nach nebenan in die Klinik geschickt?

Zwei Gründe dafür zählt Rainer Gräter als Vorsitzend­er der Kreisärzte­schaft auf: „Entweder war die Wartezeit zu lange oder die Zahl der Kinderärzt­e in der Klinik so knapp bemessen, dass sie froh waren, wenn Fälle wie dieser direkt in der Notfallpra­xis behandelt wurden.“Bis zu 80 Kinder würden die Ärzte samstags in der Aalener Notfallpra­xis behandeln, viele Fälle seien jedoch nicht akut. „Sie blockieren Zeit, die für die Behandlung anderer Fälle notwendig ist“, sagt Gräter. Wie ernsthaft der Krupp-Husten von Raphaela Rathgebs Sohn war? „In Mutlangen wurden wir für eine Nacht stationär aufgenomme­n, mein Sohn wurde überwacht und bekam Cortison-Zäpfchen“, erzählt die Mutter. Ihrem heute zweijährig­en Sohn ging es dann schnell besser. Warum er jedoch nicht bereits in Aalen ein Zäpfchen bekommen hat, lässt sich nicht beantworte­n. „Normalerwe­ise weiß ein Arzt, dass ein Cortison-Zäpfchen hilft. Ich hätte es so gemacht“, sagt Gräter.

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ARCHIVFOTO: OLIVER BERG / DPA Eine Mutter mit ihrem 20 Monate alten Sohn, der einen Krupp-Hustenanfa­ll hatte, hat der diensthabe­nde Arzt in der Aalener Notfallpra­xis nach Mutlangen geschickt.

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