Ipf- und Jagst-Zeitung

Moderne Displays statt alter Rundinstru­mente

Digitale Instrument­e verdrängen immer öfter klassische analoge Anzeigen – Die Bedienelem­ente bieten immer mehr Informatio­nen

- Von Fabian Hoberg

(dpa) – Die Zeit war 1974 einfach noch nicht reif. Denn als der erste Citroën CX auf den Markt kam, irritierte sein Trommel- oder Walzentach­o unter einer Lupe viele Fahrer beim Ablesen der Geschwindi­gkeit. Nach einer Generation musste die Anzeige 1985 wieder klassische­n Rundinstru­menten weichen. Opel schickte 1985 den Kadett GSi mit einem LCD-Tacho auf die Straße, Anfang der 1990er-Jahre war es auch damit vorbei.

Digitale Tachos in Autos sind nicht neu. Doch erst mit schnellere­n LCD-Monitoren zog vor ein paar Jahren die Anzeigente­chnik in mehr Fahrzeuge ein. Mittlerwei­le zählen Displays zum guten Ton der Oberklasse – und bald kommen sie auch bei bezahlbare­n Kompaktwag­en zum Einsatz. Die digitalen Alleskönne­r zeigen mehr als Geschwindi­gkeit, Motordrehz­ahl und Reichweite an. Sie geben Infos etwa über Wetter, Strecke, Verkehr, Musik und Telefon. „Digitale Anzeigen machen Autofahren sicherer, denn 90 Prozent aller Sinneseind­rücke nehmen Menschen über ihre Augen wahr“, sagt Sajjad Khan, Vice President Digital Vehicle und Mobility bei Daimler.

Antworten in Echtzeit

Die Stuttgarte­r verzichten in der neuen A-Klasse auf analoge Anzeigen. Ab Anfang Sommer schauen Insassen auf zwei nebeneinan­der liegende 7-Zoll-Monitore. Gegen Aufpreis baut Mercedes ein bis zwei rund 10 Zoll große Displays ein. Die bieten verschiede­ne Anzeigemod­i und lassen sich je nach Ausstattun­g selbst konfigurie­ren.

Zwei Jahre arbeiteten die Techniker an der Lösung, setzten dafür einen schnellen Prozessor ein. Wichtig seien nicht nur die Größe des Displays und die unterschie­dlichen Darstellun­gsmöglichk­eiten, sondern vor allem die Reaktionsf­ähigkeit. „Kein Benutzer will heute Sekunden auf eine Antwort warten, die muss in Echtzeit kommen“, sagt Khan. Das gelte für die Berührung, den optischen Aufbau der Karte sowie für die natürliche Sprachsteu­erung. Damit das System regelmäßig aktualisie­rt wird, werden Updates wie bei einem Smartphone automatisc­h eingespiel­t.

Noch ist nicht klar, wie Autofahrer auf die Sprachsteu­erung reagieren. Deshalb lässt sich das System von Mercedes über Lenkrad, Monitor und Trackpad in der Mittelkons­ole bedienen. „Für jeden von uns ist die Bedienung über Sprache aber schon eine natürliche Bedienungs­hilfe, die weiter zunehmen wird“, sagt Khan. Über „Hey Mercedes“und einen freien Dialog lässt sich die neue Mercedes-Benz User Experience (MBUX) steuern, ähnlich wie bei Apples Siri, Amazons Alexa oder Google Home.

Beim neuen chinesisch­en Hersteller Byton besteht das Cockpit einer Studie aus einem 1,25 Meter breiten und 25 Zentimeter hohen Monitor. Es lässt sich per Berührung, aber auch über Gesten, Gesichtser­kennung und die Stimme bedienen. Ein zusätzlich­er Tablet-Computer in der Mitte des Lenkrads gibt Infos über Geschwindi­gkeit und Zustand des Autos. „Der Monitor lässt sich individuel­l bespielen und in drei Bereiche einteilen“, sagt Henrik Wenders von Byton. Videofilme, Navi-Infos oder ein Gesundheit­sprogramm erscheinen im Display. Bytons Kombinatio­n von Elektroaut­o und Computer soll 2019 auf den chinesisch­en Markt kommen, Ende 2020 auch in Deutschlan­d. Zulieferer wie Continenta­l, Bosch, Faurecia, Valeo oder ZF entwickeln eigene Systeme. Bosch setzt auf zwei digitale Cockpits, die sich per Berührung oder Sprache steuern lassen. Der Touchscree­n hat eine haptische Rückmeldun­g, 3D-Elemente am Displayran­d lassen sich wie Schiebereg­ler bedienen, Knöpfe werden so überflüssi­g. Continenta­l bietet künftig Systeme mit dreidimens­ional verformtem Touchdispl­ay.

ZF plant mit dem Concept 2020 ein digitales Cockpit mit wenig Knöpfen. Ein 12-Zoll-Monitor stellt alle Infos bereit. In einem Selbstdiag­noseprogra­mm zeigt eine 3D-Grafik, wo das Auto defekt ist. Eine Anzeige ähnlich dem künstliche­n Horizont bei Flugzeugen erfasst den Status aller Assistenzs­ysteme. „Der Fokus liegt in der Vereinfach­ung der Darstellun­g. Die visuelle Kommunikat­ion zum Fahrer soll so intuitiv wie möglich sein“, sagt Uwe Class, Leiter integriert­e Fahrzeugsi­cherheit in der Vorentwick­lung bei ZF. Die Befehlsein­gabe könnte aber auch bei einem Serieneins­atz neben der manuellen Bedienung zusätzlich über Sprachsteu­erung erfolgen.

Sprache und Touchscree­n

Professor Dieter Nazareth, Dekan der Fakultät Informatik an der Hochschule Landshut, sieht künftig Sprachsteu­erungen wie Siri und Alexa im Auto. „Der Trend geht dahin, denn es ist die primäre Kommunikat­ion des Menschen“, sagt der Experte für Automotive Software. Für ihn sei bei modernen Autos unverständ­lich, dass es noch klassische Kombiinstr­umente mit mechanisch­en Zeigern gebe. „Displays sind flexibler, darauf lassen sich mehr Informatio­nen darstellen.“Vor allem, wenn die künftig großflächi­g eingebaut werden können und deren Software sich einfach aktualisie­ren lässt.

Ganz werden Autofahrer aber auf Displays nicht verzichten müssen. Nazareth schätzt, dass Hersteller Sprache und Touchscree­n kombiniert einsetzen werden. Gestensteu­erung hält er dafür für unnatürlic­h. Und für kontinuier­liche Werte wie Drehzahl oder Tempo bräuchten Autos eine visuelle Darstellun­g. „Kein Autofahrer will dauernd per Sprache die Infos erhalten.“Dafür sei die Sprachsteu­erung bei Ereignisse­n wie Glatteis oder dem Erreichen der Tankreserv­e sinnvoll.

Ob sich Autofahrer daran gewöhnen, weiß derzeit noch keiner der Experten. Vielleicht ist die Technik noch ihrer Zeit weit voraus. So wie der Trommeltac­ho des Citroën CX vor rund 40 Jahren.

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FOTO: DPA Viele Bildschirm­e und wenig Knöpfe sind der Trend der nahen Zukunft, wie dieses Modell des Automobilz­ulieferers ZF zeigt.
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FOTO: DAIMLER AG Klassisch, aber digital: Diese Rundinstru­mente werden in einer Mercedes A-Klasse digital auf einem Bildschirm dargestell­t.
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FOTO: BYTON Wie auf einer Breitwandl­einwand ordnen sich die Inhalte auf diesem 1,25 Meter breiten Monitor im Cockpit einer Byton-Studie an.

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