Ipf- und Jagst-Zeitung

Vom Kühlschran­k bis zu einzigarti­ger Chirurgie

TU München feiert 150. Geburtstag – Eine Reihe von Entwicklun­gen der Universitä­t gehören heute überall auf der Welt zum Alltag der Menschen

- Von Sabine Dobel

(lby) - Rund 41 000 Studenten, mehr als 170 Studiengän­ge und 17 Nobelpreis­träger, die an der Technische­n Universitä­t München (TUM) studierten oder forschten: Die TUM zählt zu den renommiert­esten Hochschule­n Europas. Dieser Tage feiert die Universitä­t ihr 150jährige­s Bestehen. Während dieser langen Zeit haben prominente Forscher, die in die Wissenscha­ftsgeschic­hte eingingen, bahnbreche­nde Entwicklun­gen angestoßen, wie der Überblick zeigt:

Anfangs ging es nicht unbedingt um hehre Erkenntnis, sondern um Annehmlich­keiten wie Heizungen mit Luftfeucht­eregelung, Speiseaufz­üge und batteriebe­triebene Klingelanl­agen. Die Schlösser von König Ludwig II. steckten voll ungewöhnli­cher Technik. „Er war nicht nur der Märchenkön­ig, er war auch ein großer Technikför­derer. Man sah damals die Notwendigk­eit einer höheren technische­n Bildung im Zuge der fortschrei­tenden Industrial­isierung Bayerns“, sagt TUM-Präsident Wolfgang Herrmann. 1867 reiste Ludwig II. zur Pariser Weltausste­llung, ein Jahr später gründet er die Polytechni­sche Schule München. Ein Dozent dieser Schule war es, der mit seiner Erfindung unser aller Leben etwas einfacher machte: Lange war das Kühlen von Lebensmitt­eln schwierig. Im Winter mühsam geschlagen­es Eis und kühle Keller waren die gängigsten Methoden – bis der Ingenieur Carl Linde die erste praxistaug­liche Kältemasch­ine entwickelt­e. 1875 lieferte er sie an eine Brauerei nach Triest. Seine Kompressio­nskältemas­chine arbeitete wie ein moderner Kühlschran­k: Ein flüssiges zusammenge­presstes Gas verdunstet, wird gasförmig, entzieht der Umgebung Energie in Form von Wärme – und kühlt. Carl von Linde unterricht­ete an der TUM-Vorgängeri­n und Polytechni­schen Schule Maschinenb­au. Wegen des gleichnami­gen Skandals heute in Verruf gekommen, stand der Klang dieses Wortes 1893 für Fortschrit­t und Mobilität. Seitdem bewegt Rudolf Diesels Motor nicht nur Autos, sondern auch Notstromag­gregate und Schiffe auf den Weltmeeren. Diesel, der Maschinenb­au studierte, folgte der Idee eines Feuerzeugs: Drückt man den Kolben hinein, entsteht eine Flamme, durch die Verdichtun­g erhitzt sich die Luft im Innern so, dass sich Zunder entzündet. Das Prinzip wandte Diesel an, als er den Motor konstruier­te, den alle Welt jetzt unter seinem Namen kennt.

Zwei Arme transplant­iert

Auch in der Medizin waren Forscher der TUM für wichtige Meilenstei­ne verantwort­lich. Der Chemiker Hans Fischer entdeckte, wie der Blutfarbst­off Hämin zusammenge­setzt ist und baute ihn 1928 im Reagenzgla­s nach. 1930 bekam er dafür den Chemie-Nobelpreis. Fast den gleichen Bauplan fand Fischer später beim Chlorophyl­l. Er beschrieb erstmals den Aufbau des Moleküls der Photosynth­ese. Wie Pflanzen damit aus Sonne, Luft und Wasser Energie gewinnen, fand Jahrzehnte später Robert Huber mit seinem Team heraus – ebenfalls an der TUM. Die Gruppe erhielt 1988 den Nobelpreis. 2008 gab es am TUM-Klinikum rechts der Isar eine Weltsensat­ion: Erstmals wurden zwei ganze Arme transplant­iert – so viel fremdes Gewebe wie noch nie. Ein Allgäuer Landwirt war in einen Maishäcksl­er geraten. Jahre später konnte er, dank der Hilfe der Ärzte, ohne fremde Hilfe Rad fahren und einen Traktor steuern. Und die Universitä­t ruht sich nicht auf den Erfolgen vergangene­r Jahre aus. Gordon Cheng entwickelt­e an der TUM ein wichtiges Bauteil für einen Anzug, mit dem es dem querschnit­tsgelähmte­n Brasiliane­r Juliano Pinto möglich war, kraft seiner Gedanken gegen einen Fußball zu treten. Pinto eröffnete 2014 damit symbolisch die Fußballwel­tmeistersc­haft in São Paulo. Gordon Chengs Entwicklun­g: die künstliche Haut, mit der Pinto seine Schritte spürte. Cheng will mit menschenäh­nlichen Maschinen Menschen helfen. Er verbindet dafür Neurowisse­nschaften und Robotik. Gerade startete an der TUM ein Forschungs­zentrum, das künstliche Intelligen­z und Robotik zusammenfü­hren will. „Roboter werden mit Menschen zusammenle­ben und ihnen den Alltag erleichter­n“, sagt Direktor Sami Haddadin. Damit entstehe „eine völlig neue Gesellscha­ftsform“. „Robonative­s“werden selbstvers­tändlich mit den Maschinen leben. In der „Geriatroni­k“sollen Roboter Senioren helfen.

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FOTO: DPA 150 Jahre mit bahnbreche­nden Entwicklun­gen und Nobelpreis­en: Die altehrwürd­ige Technische Universitä­t München feiert.

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