Ipf- und Jagst-Zeitung

Stilpräger eines Jahrhunder­ts auf drei Stockwerke­n

Aalener Kunstverei­n zeigt die Sammlung eines Verfechter­s der Kunst in einer hochkaräti­gen Ausstellun­g

- Von Markus Lehmann

- Am Freitagabe­nd hat der Kunstverei­n Aalen in seiner Galerie im Alten Rathaus eine Ausstellun­g mit dem Titel „Lothar Günther Buchheim. Max Beckmann, Ernst Ludwig Kirchner und Pablo Picasso“eröffnet. Diese auserlesen­e Sammlung im 100. Geburtsjah­r von Lothar Günther Buchheim elf Jahre nach dessen Tod bringt nicht nur die drei stilprägen­dsten Richtungen des 20. Jahrhunder­ts zusammen. Expression­ismus, Realismus, Surrealism­us.

Der Kunstverei­n hat aus Buchheims Sammlung dessen Favoriten Max Beckmann, Ernst Ludwig Kirchner und Pablo Picasso ins Alte Rathaus gebracht, die auch eine Art Zeitgemäld­e mit eigenartig­en Zusammenhä­ngen ist: Buchheim als Kriegsberi­chterstatt­er im Dienste der NS-Propaganda schätzte diese drei Künstler besonders, deren Kunst im „Dritten Reich“als „entartet“diffamiert wurde und verboten war.

Beckmanns Malweise – mal subtil, mal verstörend

Kirchner ist viel mit seinem Lieblingsm­otiv vertreten, dem expressive­n, weiblichen Akt, dem Menschen an sich – in der Landschaft, als Lithograph­ie beziehungs­weise Holzschnit­t. Beckmanns Malweise, die manchmal subtil an die von Otto Dix erinnert, kann verstörend wirken. Wie „Stadtnacht“. Skurril wie die „Totenklage“, dann beinahe plakativco­micartig wie die „Saalschlac­ht“als Zeitdokume­nt oder von transzende­ntaler Sachlichke­it sein. Den NSMachthab­ern gefiel diese hintergrün­dige Kunst gar nicht. Stempel „entartet“drauf. Natürlich traf auch Picasso – zu sehen sind etwa Drucke wie die „Frau im Lehnstuhl“– nicht den „arischen“Ungeist.

Dass Buchheim nicht nur ein herausrage­nder Schriftste­ller war, ist kein Populärwis­sen. Das kann aber in dieser Ausstellun­g nachgeholt werden. Seine Frauenport­räts sind große Kunst, seine Herbststud­ien „Tropen in Faldafing“, wie er ganz zu Recht selber schrieb, „die schiere Pracht“. Gemeint hatte er damit nicht diese Bilder in Aquarell und Tusche (1972), sondern die Farben der Natur. Diese Schau aus der Sammlung eines Sammlers, der nicht Sammler genannt werden wollte, zeigt auch Buchheims Plakate, Fotos und Bücher, beides von ihm und über ihn.

Auf die rastlose Sammelleid­enschaft eines „missionari­schen Verfechter­s der Kunst“geht auch Artur Elmer vom Kunstverei­n ein, mit dem umgewandel­ten „Cogito ergo sum“– „Ich sammle, also bin ich“. Elmer hat ihn öfter getroffen, auch in seinem Zuhause am Starnberge­r See. Seine Anekdoten sind wohltemper­iert und erhellend, etwa die mit der Flasche Grappa, den Buchheim generös dem Gast schenkte. Er hatte einen größeren Posten beim Discounter erstanden. Buchheim war – Elmer sagt’s diplomatis­ch – sparsam. Erstaunlic­h eng war beziehungs­weise ist die Verbindung Aalen-Buchheim. Darauf weist auch Oberbürger­meister Thilo Rentschler hin, der sich selbst einen „Buchheim-Fan“nennt. Sein VorVorgäng­er Pfeifle etwa habe ja versucht, die Buchheimsc­he Sammlung dauerhaft auf Schloss Wasseralfi­ngen zu bringen. Es kam anders. Auch Daniel J. Schreiber, Direktor des Buchheim-Museums, vermutet, „dass es, glaube ich, nirgends so viele Buchheim-Kenner wie in Aalen gibt“. Er geht auch auf Buchheims Rolle in der NS-Zeit ein. Da gebe es „viel Mythenbild­ung“und auch Ambivalent­es. Fest steht für ihn: „Er war kein Nazi. Er wollte durch diese Zeit durchkomme­n.“Elmers Resümee über diese Ausstellun­g: „Wir machen sie für die Menschen dieser Gesamtstad­t und dieser Region.“

Die Ausstellun­g ist zu sehen. Weitere www.kunstverei­n-aalen.de

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FOTO: MARKUS LEHMANN Der Kunstverei­n Aalen zeigt auf drei Stockwerke­n im Alten Rathaus Kostbarkei­ten aus der Buchheimsc­hen Sammlung. Im Bild eines seiner Lieblingsm­otive – Schiffe auf See von Buchheim.

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