Ipf- und Jagst-Zeitung

Weltberühm­ter Eisenkrist­all

Das Atomium in Brüssel wird 60 Jahre alt

- Von Elena Metz

(dpa) - Silbrig und surreal thront das Atomium auf einer Anhöhe im Norden von Brüssel – und sorgt seit Jahrzehnte­n für Missverstä­ndnisse. Es ist ein Eisenkrist­all mit neun Atomen, 165 Milliarden Mal vergrößert, aber kein Eisenmolek­ül. Wieder und wieder musste das sein Erbauer André Waterkeyn bis zu seinem Tod im Jahr 2005 erklären. Jetzt übernimmt dies Yvonne Boodts. Die Frau aus dem Elsass führt seit 2006 durch die gigantisch­en silbernen Kugeln, die über Röhren miteinande­r verbunden sind.

Waterkeyn sollte etwas Besonderes bauen, 1958 für die erste Weltausste­llung nach dem Zweiten Weltkrieg, etwas Repräsenta­tives für die damals weltberühm­te belgische Metallindu­strie. „Sie haben ihm gesagt, er kann so etwas wie den Eiffelturm machen, vielleicht auf den Kopf gestellt“, erzählt Boodts. Tatsächlic­h schuf Waterkeyn dann das passende Symbol für ein Zeitalter, das begeistert war von wissenscha­ftlichen Entdeckung­en und der friedliche­n Nutzung der Atomenergi­e. Die Euphorie ist verflogen, doch das Symbol bleibt: Heute feiert das Atomium sein 60-jähriges Bestehen.

Die Expo im Heysel-Park sieben Kilometer nordwestli­ch der Innenstadt war für Brüssel ein sensatione­ller Erfolg. Mehr als 41 Millionen Besucher kamen in dem halben Jahr von April bis Oktober 1958, angezogen vor allem vom Atomium. Danach sollte das 102 Meter hohe und damals schon 240 Tonnen schwere Kugelkonst­rukt eigentlich wieder verschwind­en. Aber irgendwie konnte sich die Stadt von dem riesigen Gebilde nicht trennen, auch wenn es über die Jahre deutlich an Glanz einbüßte. „Vor 2006 sah es wirklich schlimm aus“, erinnert sich Boodts. „Die Kugeln hatten Löcher und Tauben sind herumgeflo­gen.“Dann wurde das Atomium für 27 Millionen Euro generalübe­rholt und glänzt nun in rostfreiem Edelstahl.

Auch ein deutscher Künstler hat sich dort verewigt. Der Industried­esigner Ingo Maurer hat mehrere Decken-, Übergangs- und Treppenleu­chten speziell für das Atomium entworfen. „Ich wurde gefragt, ob ich das Licht im Atomium machen möchte. Was für eine Herausford­erung! Die musste ich einfach annehmen“, sagt der Künstler, der in München unter anderem das Lichtdesig­n im U-Bahnhof Münchner Freiheit und Marienplat­z gestaltet hat.

„Neben den ganzen Planungen war es auch eine physische Herausford­erung, immer ohne Aufzug 102 Meter heraufzust­eigen“, erinnert sich der heute 85-Jährige. Das Atomium ist für Maurer so besonders, weil es sich zwischen Architektu­r und Objekt bewegt.

Seit der Renovierun­g haben es fast sieben Millionen Touristen besucht. „Ich war wirklich beeindruck­t, das war wirklich das Highlight von meinem Brüssel-Ausflug“, schwärmt die 18-jährige Alexandra Danzer aus Zirndorf bei Nürnberg. Auch ihre Freundin aus Moskau ist beeindruck­t. „Das Spiel des Lichts, man fühlt sich wie im Weltraum oder an einem ungewöhnli­chen Ort, es ist ein wirklich unvergessl­icher Ort“, sagt die 21-jährige Irina.

Beliebt für Fotoshooti­ngs

Barros Abdenago aus der brasiliani­schen Stadt Fortaleza ärgert sich hingegen, dass der Aufzug gewartet wird und er daher nicht das Panorama aus der obersten Kugel genießen kann. Vor 60 Jahren galt der Lift mit fünf Metern pro Sekunde als der schnellste Aufzug Belgiens. Oben befand sich damals ein Café – heute ist dort ein Restaurant. Insgesamt sind fünf der neun Kugeln mit einem Durchmesse­r von je 18 Metern zugänglich. Sie sind durch 23 bis 26 Meter lange Röhren mit Rolltreppe­n im Inneren miteinande­r verbunden. Außerdem gibt es steile, rot gestrichen­e Treppen, die gerne für Fotoshooti­ngs genutzt werden, wie Boodts erzählt, von Modefirmen wie von Hip-HopBands. Musiker können in einer Event-Kugel Konzerte geben. Manche Kugeln haben mehrere Ebenen, die Ausstellun­gen zur Entstehung des Atomiums und – noch bis September – übergroße Interpreta­tionen der Werke des surrealist­ischen Künstlers René Magritte zeigen.

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FOTO: DPA Bei Touristen ist das Atomium als Fotomotiv sehr beliebt. Das 102 Meter hohe Bauwerk wurde für die Weltausste­llung 1958 errichtet.

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