Ipf- und Jagst-Zeitung

Kleinkarie­rt geht die EU zugrunde

- Von Sebastian Heinrich

Der Gegensatz ist so krass, dass er körperlich wehtut. Hier Straßburg: die energische Rede des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron, der eine „Wiedergebu­rt Europas“fordert, mehr gemeinsame Regeln und Standards, eine „starke und schützende Union“. Dort Berlin: das Statement des Unions-Lautsprech­ers Alexander Dobrindt, der genüsslich auflistet, was alles mit Deutschlan­d in Europa nicht zu machen sei. Mit dieser Haltung ist Dobrindt nicht allein in der Regierung und in den Regierungs­fraktionen im Bundestag. Und es ist diese kleinkarie­rte Haltung, an der die EU zugrunde geht, wenn die Bundesregi­erung sie nicht überwindet.

Diese Haltung verhindert, dass die EU-Mitgliedsl­änder eine Kluft zuschütten, die breiter und tiefer wird: die zwischen dem Alltag in Europa auf der einen Seite und den europäisch­en Strukturen auf der anderen. Der Alltag in Europa, das sind Unternehme­n, deren Geschäft immer internatio­naler wird. Die europäisch­en Strukturen, das sind unterschie­dliche nationale Steuersätz­e und Sozialsyst­eme. Im Alltag vernetzen sich Kriminelle und Terroriste­n intensiv wie nie über Staatsgren­zen hinweg – und nutzen immer wieder die Schwäche lächerlich schlecht vernetzter nationaler Sicherheit­sbehörden aus. Das sind nur zwei Beispiele. Von Asyl- bis Verkehrspo­litik: Es gibt kaum einen Politikber­eich, in dem sich diese Kluft nicht auftäte.

Macron hat das Problem benannt und bemerkensw­ert konkrete Lösungsans­ätze präsentier­t. Selbstvers­tändlich muss die Bundesregi­erung Macron nicht in allem folgen. Selbstrede­nd muss sie dafür sorgen, dass die Interessen deutscher Bürger nicht unter die Räder kommen bei einer Reform der EU.

Aber wenn die Regierung Merkel weiter zusieht, wie die europäisch­e Kluft größer wird, wenn jene deutschen Politiker am lautesten rufen, deren einzige Aussage zu Europa ein trumpeskes „deutsche Interessen zuerst“ist – dann wird aus der europäisch­en Kluft ein Abgrund. Und in den stürzt Deutschlan­d mit seiner durch und durch internatio­nalisierte­n Volkswirts­chaft als erstes.

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