Der Volkswagen-Konzern im Strudel der Diesel-Ermittlungen
Der Tag, der bei Volkswagen alles veränderte, war der 19. September 2015, als die US-Umweltbehörde EPA den Vorwurf öffentlich machte, dass der Autobauer bei der Abgasreinigung von Dieselautos systematisch betrogen hatte – und der Autobauer den Betrug zugeben musste. Der Aktienkurs bricht ein, Vorstandschef Martin Winterkorn kündigt eine umfassende Aufklärung an und muss dann doch seinen Posten räumen, nachdem nach und nach herauskommt, dass der Weltkonzern den Skandalmotor EA 189 weltweit in rund elf Millionen Autos eingebaut hatte. Nach Berechnungen des „Handelsblatts“kostet der Betrug VW bislang schon mehr als 25 Milliarden Euro, den Hauptanteil von 22,6 Milliarden Euro muss der Autobauer für Strafen und Zivilvergleiche in Nordamerika zahlen. „Während bei uns der Geschädigte bei einem Schadenersatz so gestellt werden muss, als wäre der Schaden nicht passiert, geht es in den USA nicht nur um eine Wiedergutmachung des Schadens, sondern auch um eine Bestrafung des Unternehmens“, erläutert Rechtsanwalt Florian Günthner die Unterschiede. Volkswagen muss sich aber nicht nur mit Zivilklagen auseinandersetzen. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt auch in
strafrechtlicher Hinsicht wegen des Verdachts betrügerischer Handlungen und Verstößen gegen den unlauteren Wettbewerb. „Die Er- mittlungen dauern an. Es ist offen, ob sie noch in diesem oder erst im nächsten Jahr abgeschlossen werden können“, sagt Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe. Beschuldigte nennt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig nicht, auch Volkswagen selber nennt die Namen der Manager nicht, die die Entwicklung und den Einbau des Skandalmotors EA 189 in Auftrag gegeben haben. Außerdem klagen Aktionäre auf Schadenersatz. Ihr Vorwurf: Der Vorstand wusste schon viel früher von dem Betrug und hätte die Nachricht in einer ad-hoc-Mitteilung weit vor dem 15. September 2015 öffentlich machen müssen. So verloren bestimmte VW-Papiere kurz nach der Aufdeckung des Skandals durch die US-Behörden fast die Hälfte ihres Wertes. Insgesamt belaufen sich die Forderungen der Anleger auf mehr als neun Milliarden Euro. Ende 2017 hatte die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz zudem durchgesetzt, dass ein Sonderermittler bei VW die genauen Hintergründe der Affäre prüfen darf. Neben Volkswagen gibt es auch Ermittlungen gegen andere Automobilkonzerne, darunter BMW und Daimler. „Doch nur bei Volkswagen und dem Motor EA 189 ist bereits klar, dass man von einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung sprechen kann“, sagt Anwalt Florian Günthner. „Bei den übrigen Konzernen sind die Ermittlungen einfach noch nicht so weit.“(ben)