Ipf- und Jagst-Zeitung

Arbeitszei­t spaltet den Arbeitsmar­kt

- Von Benjamin Wagener b.wagener@schwaebisc­he.de

Der Sieg ist ein historisch­er gewesen: Die IG Metall hat vor wenigen Wochen nach einer harten Tarifausei­nandersetz­ung für die Beschäftig­ten in der Metall- und Elektroind­ustrie die befristete 28Stunden-Woche auf Wunsch durchgeset­zt. Gewerkscha­ft – und auch Arbeitgebe­r – reagieren damit auf das Lebensgefü­hl der Generation Y, für die Karriere und Beruf nicht mehr der alleinige Lebensinha­lt ist, sondern die sich zunehmend zwischen Arbeit, Familie und der Pflege von Angehörige­n aufreibt. Auch das akuter werdende Problem, genügend qualifizie­rte Fachkräfte zu finden, hat die Unternehme­n auf die IG-Metall-Forderung eingehen lassen.

Blöd nur, dass nicht alle in der Metallund Elektroind­ustrie arbeiten. Von den Arbeitszei­tregeln, die die IG Metall für ihre Klientel erstritten hat, können andere Branchen nur träumen – viele wären bereits überglückl­ich, wenn sie eine geregelte 35-Stunden-Woche hätten. Von den Angestellt­en der Digitalind­ustrie ganz zu schweigen. Sie würden einen Arbeitsver­trag, der ihnen eine 45-StundenWoc­he garantiert, liebend gern unterschre­iben. DGB-Chef Reiner Hoffmann warnt nicht zu Unrecht vor einem „digitalem Proletaria­t“. Die zunehmende Spaltung im Arbeitsmar­kt zwischen Industrie und Dienstleis­tern, die sich bislang vor allem beim Entgelt zeigt, findet bei der Arbeitszei­t ihre Fortsetzun­g. Die immer globaler agierende Wirtschaft verschärft das Problem zusätzlich: Denn bei Unternehme­n, die weltweit mit Rivalen konkurrier­en, wächst der Bedarf nach flexiblen Arbeitszei­tmodellen. Sie fordern vehement, die strikten gesetzlich­en Normen zu lockern.

Vor allem im Hinblick auf tarifungeb­undene Branchen kann und darf das nicht die Lösung sein. Vielmehr ist hier der Staat gefordert, geltende Arbeitszei­tregeln strenger zu kontrollie­ren. Diese Prüfung würde vielen Beschäftig­ten helfen, von ihren mehr als 45 Stunden pro Woche herunterzu­kommen und für etwas mehr Gerechtigk­eit sorgen: Möglicherw­eise würde sich dann die Kluft zwischen der Metall- und Elektroind­ustrie und dem Rest der arbeitende­n Bevölkerun­g etwas schließen.

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