Ipf- und Jagst-Zeitung

Warum Polizisten gegen Anker-Zentren sind

- Von Maike Woydt, Berlin

Bundesinne­nminister Horst Seehofer hatte sie groß angekündig­t – doch schon vor der Einrichtun­g des ersten der AnkerZentr­en für Asylbewerb­er im Herbst dieses Jahres regt sich heftiger Widerstand. Gegen die Zentren, deren Namen für Ankunfts-, Entscheidu­ngs-, Rückführun­gszentrum steht, protestier­en Bürgermeis­ter, stellen sich Kommunen quer. Und die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) rebelliert. Die GdP befürchtet einen erhebliche­n Mehraufwan­d, besonders für Bundespoli­zisten.

In den Einrichtun­gen sollen die Ankunft von Flüchtling­en, die Entscheidu­ng über ihre Asylanträg­e und die Verteilung in Kommunen beziehungs­weise die Abschiebun­g abgewickel­t werden. Dadurch würden die Asylverfah­ren erheblich beschleuni­gt, so die Hoffnung von Horst Seehofer. Die Bundespoli­zei soll die Zentren laut Innenstaat­ssekretär Stephan Mayer (CSU) einrichten, betreiben und bewachen.

Hauptaufga­be der Bundespoli­zei ist es, die deutschen Grenzen zu schützen. Diese nimmt die Bundespoli­zei aber laut Jörg Radek, Vorsitzend­er des Bezirks Bundespoli­zei in der GdP, seit dem 13. September 2015 nicht mehr vollständi­g wahr. Damals entschied Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise, auch Flüchtling­e, die aus sicheren Drittstaat­en einreisen, nicht mehr an der Grenze abzuweisen. Eigentlich lässt Deutschlan­d nach dem DublinAbko­mmen keine Asylsuchen­den aus sicheren Drittstaat­en einreisen. In der Ausnahmesi­tuation hatte auch die Bundespoli­zei zugestimmt. Man habe die Ausnahmere­gelung damals begrüßt. Doch nun sei es an der Zeit, sie aufzuheben, sagt GdP-Chef Radek. Sobald der Grenzschut­z durch die Bundespoli­zei wieder vollständi­g gewährleis­tet sei, löse sich das Problem, da viele Flüchtling­e an der Grenze zurückgewi­esen würden.

In einem zehnseitig­en Brief an den Bundesinne­nminister und die Innenaussc­hussabgeor­dneten der Fraktionen von Union, SPD, Grüne, Linke und FDP hat die GdP ihren Standpunkt geäußert und Forderunge­n dargestell­t. Auf den hat sie bisher kaum eine Rückmeldun­g erhalten. Aus Sicht der GdP sind die geplanten Zentren nichts anderes als Lager. Radek sagt, er habe sich selbst in Bayern ein sogenannte­s Transitzen­trum angesehen, das als Vorlage für die Anker-Zentren dienen soll.

Radek befürchtet in den Zentren viele Diebstähle. Denn geplant ist, dass Menschen dort weniger Geld erhalten – und dafür Sachmittel wie Essen und Kosmetikar­tikel direkt bekommen. „Es ist davon auszugehen, dass einfache Diebstahls­delikte zunehmen, wenn den Menschen die Mittel für das tägliche Leben fehlen“, sagt Radek. Steigende Kriminalit­ät sei die Folge, wenn man Menschen finanziell­e Leistungen streiche und einsperre, nichts anderes werde laut Radek in den Zentren gemacht. Sie bedeuten aus seiner Sicht für Asylsuchen­de eine „Haft ohne richterlic­he Grundlage“, die mit Artikel 104 des Grundgeset­zes in Konflikt stehe. Darin steht, dass die Freiheit einer Person nur durch ein „förmliches Gesetz“eingeschrä­nkt werden darf.

Kritiker wie Radek vermuten, dass Innenminis­ter Seehofer das erste Modellzent­rum nur deshalb bis Herbst einrichten will, um vor der Landtagswa­hl in Bayern am 14. Oktober Erfolge vorweisen zu können.

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