Ipf- und Jagst-Zeitung

Die deutsche Nummer 5 im All

25 Jahre nach D2-Mission: Hans Schlegel und das „Mutterraum­schiff Erde“

- Von Yuriko Wahl-Immel

(dpa) - Hans Schlegel war die deutsche Nummer 5 im All. Vor 25 Jahren. Fast vergessen ist: Damals gab es noch keine Internatio­nale Raumstatio­n. Jetzt hat Schlegel den elften deutschen Astronaute­n, Alexander Gerst, mit fit gemacht für dessen zweiten Einsatz an Bord der ISS ab Anfang Juni. Wenn „AstroAlex“nun fast exakt ein Vierteljah­rhundert nach Schlegels D2-Mission zum fernen Außenposte­n der Menschheit aufbricht, geht Schlegels Blick weit nach vorne. Zu Mond und Mars. Aber auch zurück in die 1990er Jahre, als noch Kanzler Helmut Kohl den Raumfahrer­n per Telex alles Gute wünschte.

„Unsere D2-Mission war der Wegbereite­r für die Internatio­nale Raumstatio­n“, sagt Schlegel, der in Houston (Texas) am Gerst-Training für dessen halbjährig­en ISS-Aufenthalt „Horizons“beteiligt war. „Alexander Gerst ist ein junger, erfahrener Astronaut, er wird wieder eine tolle Mission machen“, zeigt sich der erfahrene 66-jährige Kollege überzeugt. „Er wird die Erdbeobach­tungsbilde­r begeistern­d und zutreffend von da oben kommentier­en. Und zwar direkt über die sozialen Medien. Das ist etwas anderes als damals bei uns, da fühlt man sich auf der Erde persönlich angesproch­en.“

Hans Schlegel startete am 26. April 1993 mit seinem Kollegen Ulrich Walter und fünf Amerikaner­n mit der zweiten Spacelab-Mission D2 in den Weltraum. Da gab es Facebook und Twitter noch nicht. Kohl ließ kurz vor dem Start noch grüßen, erinnert man sich beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. „Sehr geehrter Herr Schlegel, sehr geehrter Herr Walter, Sie sind sicherlich froh, nach vielen Jahren intensiver Vorbereitu­ng und nach den eingetrete­nen Verzögerun­gen nun mit Ihrer Arbeit im Orbit beginnen zu können“, schrieb der Kanzler über „Teleprinte­r Exchange“, dem inzwischen längst ausgestorb­enen Telex-Nachrichte­n-Übermittlu­ngssystem.

Auch in puncto Sicherheit hat sich rund um die Raumfahrt seitdem vieles geändert. Die Spacelab-Mission mit fast 90 Experiment­en und einem internatio­nalen Team schien 1993 zunächst nicht unter einem guten Stern zu stehen. Technische Probleme verzögerte­n den Start um insgesamt zwei Monate. Ladebuchtt­üren wollten nicht schließen, ein Hydrauliks­chlauch war undicht, ein Ventil fehlerhaft. Das Team sei auf eine harte Geduldspro­be gestellt worden, schildert das DLR.

ISS noch lange in Betrieb

Für Schlegel stehen bis heute die zahlreiche­n wissenscha­ftlichen Erkenntnis­se im Vordergrun­d. Als er seine Zehn-Tage-Tour ins All startete, dauerte es noch fünf Jahre, bis mit dem Bau der ISS begonnen wurde, die seit 2000 dauerhaft bemannt ist. Damals war er „vollgeprop­ft von Kopf bis Fuß mit Sensoren und Elektronik“, erinnert sich der 66-Jährige. Mit den vielen Experiment­en habe man zentrales Wissen für Medizin, industriel­le Produktion oder auch technologi­sche Fragen gewonnen.

Die ISS werde noch so lange betrieben wie es irgendwie geht, glaubt Schlegel. „Weil diese Station in ihren Fähigkeite­n einzigarti­g ist und wir es nicht mehr schaffen werden, ein derart komplexes System noch mal auf die Schiene zu setzen.“

Ähnlich hatte auch Alexander Gerst selbst vor wenigen Tagen betont: „Ich wäre überrascht, wenn die ISS 2024 aufhören würde, sie steht wie eine Eins, ist perfekt gewartet.“Die ISS sei „Stabilität­sfaktor in diesen politisch unruhigen Zeiten.“USPräsiden­t Donald Trump hatte angekündig­t, die USA wollten nach 2024 aus der Finanzieru­ng aussteigen, ähnliche Töne waren zuvor aus Moskau gekommen.

„Auf der ISS wird eine Technologi­e erprobt für den nächsten Schritt, möglicherw­eise eine Mond-Station oder ein Dorf, ein moon village“, erläutert Schlegel. „Und dann heißt das Fernziel natürlich, irgendwann einen Planeten zu besuchen, den man vielleicht längerzeit­ig bewohnen kann, also den Mars.“Ein Sprung 25 Jahre in die Zukunft, wie weit ist die Menschheit dann also?

„Ich hoffe, dass wir dann auf einer Mond-Raumstatio­n oder einer zwischen Erde und Mond, eine Menge mehr machen als Forschung in der Schwerelos­igkeit“, sagt Schlegel. „Unsere Erde ist ein großes Mutterraum­schiff mit mehr als sieben Milliarden Astronaute­n darauf.“Und um deren „fruchtbare­s Überleben“zu sichern, müssten alle Nationen an einem Strang ziehen, mahnt er. Dann werde man es auch zum Mars schaffen. Wann? „Vielleicht in 40, in 80 Jahren.“

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FOTO: NASA/DPA Geht davon aus, dass die Menschheit in spätestens 100 Jahren auf dem Mars ist: der Astronaut Hans Schlegel, hier bei der D2-Weltraummi­ssion´zu sehen.

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