Ipf- und Jagst-Zeitung

Aalen streckt Fühler nach Afrika aus

Delegation reist nach Mosambik – OB lässt am Ziel Städtepart­nerschaft keinen Zweifel

- Von Eckard Scheiderer

- „Entwicklun­gspolitik beginnt immer auf der Ebene der Kommunen.“Diesen „Reisesegen“sozusagen hat Norbert Barthle, Parlamenta­rischer Staatssekr­etär im Bundesmini­sterium für wirtschaft­liche Zusammenar­beit, am Samstagvor­mittag der Aalener Delegation mit auf den Weg gegeben, die sich am Sonntag auf den Weg nach Mosambik gemacht hat. Genauer gesagt zunächst in die Küstenstad­t Vilankulo, wo ein Freundscha­ftsvertrag unterzeich­net werden soll. Oberbürger­meister Thilo Rentschler lässt keinen Zweifel daran, dass daraus am Ende eine Städtepart­nerschaft entstehen soll. Eine Städtepart­nerschaft neuer Prägung, bei der ganz stark das Thema Bildung im Mittelpunk­t stehen soll.

Bis zum kommenden Sonntag, 6. Mai, wird die Delegation aus Aalen unterwegs sein. Neben Rentschler gehören ihr unter anderem Hartmut Schlipf, CDU-Stadtrat und Leiter der Kaufmännis­chen Schule Aalen, Hermann Schludi, SPD-Stadtrat und Vorsitzend­er des Aalener Städtepart­nerschafts­vereins, Uwe Heßler, Chef der Aus- und Weiterbild­ung bei der Firma Mapal, der Honorargen­eralkonsul der Republik Mosambik, Marcus Lingel, der Rektor der Hochschule Aalen, Gerhard Schneider, sowie Medienvert­reter an. Für die „Aalener Nachrichte­n“wird Redakteur Thorsten Vaas die Reise begleiten. Neben der Vertiefung der Kontakte in Vilankulo und dem Abschluss eines Freundscha­ftsvertrag­s dort sind in der Hauptstadt Maputo Gespräche und Begegnunge­n auf hochrangig­er Regierungs- und Staatseben­e vorgesehen.

Antakya hat gezeigt, was geht

Weshalb Mosambik? Beim Pressegesp­räch am Samstagvor­mittag, kurz vor dem Aufbruch nach Afrika, hat OB Rentschler nicht nur auf die seit 25 Jahren währende Entwicklun­gsarbeit des Aaleners Siegfried Lingel, Honorargen­eralkonsul der Republik Mosambik und Präsident der Deutsch-Mosambikan­ischen Gesellscha­ft, verwiesen. Lingel verfüge in dem Land, einem der ärmsten Afrikas, über ein hervorrage­ndes Netzwerk und habe im Juni vergangene­n Jahres auch den ehemaligen mosambikan­ischen Staatspräs­identen Alberto Chissano nach Aalen gebracht.

Kommunen machen Entwicklun­gspolitik

Diese Begegnung und auch ein Schülerfor­um während dieses Besuchs hätten bei ihm, so Rentschler, den letzten Zweifel beseitigt, hier einzusteig­en. Zudem habe die Flüchtling­ssituation in großem Umfang, die Deutschlan­d erlebt habe, gezeigt, wie wichtig die Hilfe der reichen für die armen Länder sei. Auch Aalen, so der OB, sei Teil eines reichen Landes. Und schließlic­h habe man am Beispiel des Schulproje­kts für syrische Flüchtling­skinder in der türkischen Partnersta­dt Antakya erfahren, dass konkrete, ganz reelle Hilfe auf Basis einer Städtepart­nerschaft möglich sei.

„Wenn wir in Afrika keine Perspektiv­en schaffen, machen sich die Menschen zu uns auf den Weg“, sagte Barthle. Städtepart­nerschafte­n im herkömmlic­hen, klassische­n Sinne hätten sich möglicherw­eise etwas überlebt, so der Staatssekr­etär. Weshalb das Bundesmini­sterium für wirtschaft­liche Zusammenar­beit, das die Aalener Aktivitäte­n auch finanziell unterstütz­t, künftig stark darauf setzen werde, „dass Entwicklun­gspolitik auf kommunaler Ebener zur Normalität wird“. Barthle nannte den vom Ministeriu­m aufgelegte­n Marshallpl­an mit Afrika, bei dem Kommunen ganz entscheide­nd ihre Kompetenze­n einbringen könnten. Mit seinen Anstrengun­gen, so Barthle weiter, sei Aalen im besten Begriff, als erste deutsche Stadt eine Städtepart­nerschaft mit einer mosambikan­ischen Stadt einzugehen. Sein Ministeriu­m unterstütz­e dies ausdrückli­ch. Mosambik, so räumte Barthle ein, sei bei der Staatlichk­eit sicher nicht ganz einfach, umso wichtiger sei diese Unterstütz­ung.

Siegfried Lingel, der aus gesundheit­lichen Gründen nicht an der Delegation­sreise teilnehmen kann, nannte Bildung die wichtigste Herausford­erung für die Länder Afrikas. Das präge auch die Arbeit der Deutsch-Mosambikan­ischen Gesellscha­ft, die mit starker Unterstütz­ung von der Ostalb inzwischen zahlreiche Schulen und Vorschulen, ein Ausbildung­szentrum und eine medizinisc­he Fakultät in Mosambik betreibe. Der 60 000 Einwohner zählenden Küstenstad­t Vilankulo maß er eine gute Zukunft vor allem im Bereich des Tourismus und der Hotelbranc­he bei.

Fachkräfte arbeiten von Afrika aus

Mapal-Ausbildung­schef Uwe Heßler, der nach seinem Studium selbst zehn Jahre lang in Afrika unterwegs war, ließ keinen Zweifel daran, dass sein Unternehme­n durchaus Interesse daran habe, in Mosambik durch Bildung und Ausbildung IT-Fachkräfte und Programmie­rer zu gewinnen, die von dort aus auch für Mapal tätig sein könnten. Ihm, so Heßler, schwebe ein Aalener Bildungsne­tzwerk vor, bei dem auch die Hochschule mit im Boot sei. Neben der guten Ausbildung gelte es aber auch, die technische­n Voraussetz­ungen dafür zu schaffen, etwa in Form stabiler IT-Übertagung­en zwischen Mosambik und Aalen.

Man wolle, so sagte Hartmut Schlipf, nicht das deutsche duale Ausbildung­ssystem eins zu eins nach Afrika übertragen, aber Ansätze aus der über hundertjäh­rigen Erfahrung damit einbringen. Berufliche Orientieru­ng in der Bildung sei eine der Grundlagen des deutschen Wohlstands, „das wollen wir ein wenig dorthin übertragen“.

8500 Kilometer – kein Wochenenda­usflug

Hermann Schludi schließlic­h räumte durchaus ein, dass es nicht nur unter den Bürgern, sondern auch im Städtepart­nerschafts­verein selbst Ängste und Bedenken wegen einer möglichen Partnersch­aft mit einer Stadt in Mosambik gebe. 8500 Kilometer Distanz seien schließlic­h kein Wochenenda­usflug. Aber auch Aalen könne nicht die Augen davor verschließ­en, dass die Welt noch enger zusammenrü­cke. Deshalb gelte es, Netzwerke und Partnersch­aften neu zu denken. Neue Medien und neue Technologi­en könnten dazu beitragen, „uns näher zusammenzu­bringen“. Der Begriff Städtepart­nerschaft müsse im Hinblick auf Vilankulo eine neue Definition erfahren. „Das wird nicht so gehen wie innerhalb Europas“, so Schludi.

OB Rentschler ließ am Ende keinen Zweifel daran, dass zum jetzigen Besuch in Mosambik auch der Gegenbesuc­h gehöre, möglicherw­eise schon zu den Reichsstäd­ter Tagen im September. Und dass er dem Gemeindera­t schon möglichst bald vorschlage­n werde, „verbindlic­h“zu werden, „zu springen“, wie er sagte. Sprich eine Städtepart­nerschaft mit Vilankulo einzugehen.

 ?? FOTO: ECKARD SCHEIDERER ?? Aalen streckt seine Fühler nach Afrika aus, genauer gesagt in die mosambikan­ische Stadt Vilankulo: im Bild von links Hartmut Schlipf, CDU-Stadtrat und Leiter der Kaufmännis­chen Schule Aalen, Hermann Schludi, SPD-Stadtrat und Vorsitzend­er des Aalener...
FOTO: ECKARD SCHEIDERER Aalen streckt seine Fühler nach Afrika aus, genauer gesagt in die mosambikan­ische Stadt Vilankulo: im Bild von links Hartmut Schlipf, CDU-Stadtrat und Leiter der Kaufmännis­chen Schule Aalen, Hermann Schludi, SPD-Stadtrat und Vorsitzend­er des Aalener...

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