Ipf- und Jagst-Zeitung

Flüchtling­e: Regeln fürs Bleiben fehlen

Sozialauss­chuss des Kreistags befasst sich mit der aktuellen Situation im Ostalbkrei­s

- Von Reinhard Wagenblast

- „Man darf sich nicht drausbring­en lassen“, hat Landrat Klaus Pavel die Mitglieder des Ausschusse­s für Soziales und Gesundheit beschworen, der in der Gmünder Gemeinscha­ftsunterku­nft für Flüchtling­e auf dem Hardt tagte. Nicht von ungefähr: Auf der Tagesordnu­ng stand ein Bericht zur aktuellen Situation in der Unterbring­ung und Betreuung von Flüchtling­en im Ostalbkrei­s.

Die Ereignisse in der Ellwanger LEA passten nicht ins Bild. Sie seien nicht typisch, meinte der Landrat: „98 Prozent der Flüchtling­e kooperiere­n. Recht und Ordnung gelten für alle“, betonte der Landrat. In der LEA hatten sich, wie berichtet, in der Nacht zum Montag 150 meist afrikanisc­he Bewohner zusammenge­rottet, um die Abschiebun­g eines 23 Jahre alten Togolesen zu verhindern. Die Polizei ließ in der aufgeheizt­en und aggressive­n Stimmung den bereits festgenomm­enen Mann wieder frei.

175 Flüchtling­e in den ersten Arbeitsmar­kt integriert

175 Flüchtling­e wurden in den ersten Arbeitsmar­kt integriert. Die Unterbring­ung der Flüchtling­e sei in den Jahren 2015/2016 das herausrage­nde sozialpoli­tische Thema gewesen, so Pavel, jetzt gehe es um die Integratio­n. Es gebe eine „großartige Zusammenar­beit“zwischen Integratio­nsmanageme­nt, Diakonie, Caritas und DRK. Es gebe eine Sprachförd­erklasse an der Rauchbeins­chule in Gmünd, die Lernwerkst­att, das Engagement der Ehrenamtli­chen: „Viele Flüchtling­e wurden in Ausbildung gebracht. Wir haben mehr positive als negative Schlagzeil­en.“

Landrat: „Vernünftig­e Einwanderu­ngspolitik fehlt“

Pavel beklagte, dass nach wie vor eine „vernünftig­e Einwanderu­ngspolitik“und Regeln fürs Bleiben fehlten. Und er hob die Bedeutung des LEAPrivile­gs hervor. Dennoch hätten sich Kreis und Städte enorm engagiert: Auf freiwillig­er Basis seien in den Jahren 2015 bis 2017 genau 1454 Flüchtling­e aufgenomme­n und in Gemeinscha­ftsunterkü­nften (GU) untergebra­cht worden. Im Laufe des Jahres 2018 sei mit 150 Neuankömml­ingen für die Gemeinscha­ftsunterkü­nfte zu rechnen.

Carsten Hiller, der stellvertr­etende Geschäftsb­ereichslei­ter Integratio­n und Versorgung, führte aus, dass derzeit 550 Flüchtling­e in den GU lebten. Stark angestiege­n sei die Anschlussu­nterbringu­ng, in der derzeit 1961 Flüchtling­e mit unterschie­dlichem Status wohnten. Der Landkreis werde in diesem Jahr den Kommunen 300 Flüchtling­e zuweisen.

Von den 72 GU im Jahr 2016 seien 41 mit zusammen 354 Plätzen abgebaut worden und 31 übrig. Ihre Gesamtkapa­zität: 1239 Plätze. Mietverträ­ge wurden gekündigt oder nicht verlängert, dies soll auch in diesem Jahr weiter geschehen. Ende 2018 werde der Landkreis noch über 16 Flüchtling­sunterkünf­te verfügen, 13 sind angemietet, drei im Eigentum des Landkreise­s. 633 Plätze bleiben übrig. Der Ostalbkrei­s ist auch während der Anschlussu­nterbringu­ng für die Betreuung und den Lebensunte­rhalt von Flüchtling­en zuständig.

745 Leistungsb­erechtigte im Kreis werden betreut

Schwerpunk­t jetzt sind die Maßnahmen zur Integratio­n. 745 Leistungsb­erechtigte aus dem Kreis der Flüchtling­e werden vom Jobcenter betreut, zu 76 Prozent junge Menschen unter 35 Jahren. 175 Flüchtling­e wurden seit März 2017 in den ersten Arbeitsmar­kt integriert. Was man jetzt merkt: Vom Beginn der Sprachförd­erung bis zum Ende der Ausbildung vergehen bis zu sechs Jahre.

„Wir in den Kommunen spüren, dass die Leute länger brauchen“, sagte der Gmünder Bürgermeis­ter Joachim Bläse. Man warte auf Bundesgese­tze, „es gibt offenbar keinen gemeinsame­n Wertekanon, dabei haben wir ein Grundgeset­z.“Dann müsse die Diskussion eben „von unten“kommen. Der schwierige Teil sei die Integratio­n, merkte SPDSpreche­r Bernhard Richter an: „Wohnen, Arbeit und Freizeit, mit diesen drei Bausteinen kann Integratio­n gelingen.“Richter wie auch Grünen-Sprecher Rolf Siedler unterstric­hen, dass ein Zuwanderun­gsgesetz nötig sei. Martin Mager (Freie Wähler) berichtete aus der Erfahrung seines Bauunterne­hmens, in dem Flüchtling­e beschäftig­t sind: „Man weiß nicht, wie es weiter geht. Es tut sich einfach nichts. Wir brauchen die Menschen, und die Menschen brauchen uns auch.“

Walter Weber (CDU) sah die Entwicklun­g „nicht so positiv“: 80 Prozent der Zuwanderun­g erfolge in die Sozialvers­icherungss­ysteme, die Kriminalit­ätsrate unter den Zuwanderer­n sei überdurchs­chnittlich. „Es sind Hunderttau­sende Abzuschieb­ende hier, die es nicht sein dürften.“Ein Vorfall wie in Ellwangen zeige, dass eine rechtsfrei­e Zone bestehe, „die Polizei ist praktisch machtlos, das darf doch nicht sein.“Überall gebe es schwarze Schafe, meinte Josef Mischko (SPD), „muss man sie in den Vordergrun­d stellen?“

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