Arbeiten an der Misserfolgsquote
Die umformierte Eishockey-Nationalmannschaft steht gegen den Gruppenletzten Südkorea unter Zugzwang – überraschend kommt das nicht
Von Gangneung nach Herning sind es – Luftlinie – 8136 Kilometer. Ziemlich weit. Ziemlich weit ist auch Olympiasilber, errungen vor zehneinhalb Wochen, von der deutschen Eishockey-Realität an diesem 9. Mai 2018 entfernt: Südkorea ist heute, 16.15 Uhr (live bei Sport1), vierter WM-Gruppengegner in Dänemark, und gegen den Gastgeber der Silberspiele geht es für Bundestrainer Marco Sturms Auswahl zuvorderst darum, alle Abstiegsgefahr zu bannen.
Zwei Zähler stehen nach drei deutschen Weltmeisterschaftsauftritten (von in der Vorrunde sieben) zu Buche, null haben die Asiaten. Ein Schlüsselduell. „Das wir unbedingt gewinnen müssen“, sagt Marco Sturm. Und: „Wir sind jetzt leider in einer Situation, in die wir nicht wollten.“Die andererseits so überraschend auch nicht ist: zehn Mann aus Pyeongchang nur dabei, der Rest zurückgetreten, verletzt, erschöpft, privat verhindert. Deutschland in Herning Deutschland in Gangneung, auch das wusste man. Marc Michaelis, Markus Eisenschmid oder Manuel Wiederer etwa stehen für einen Generationswechsel, einen Umbruch, den sie auf der Rechnung hatten beim Deutschen Eishockey-Bund – nur: für nach der WM.
Jetzt machen die Jungen ihre Sache respektabel, bekommen durchaus Eiszeit, halten dagegen (und lernen dazu). An ihnen lag es am wenigsten, dass die erwartet engen Spiele gegen Dänen und Norweger jeweils nach Penaltyschießen und der Gang gegen die prominent besetzten USA mit 0:3 verloren wurden. Woran dann? Der Versuch einer Ursachensuche:
Die Effizienz:
Null Tore bei 24 Schüssen gegen die USA, vier bei 44 gegen Norwegen, zwei bei 37 gegen Dänemark – häufiger versuchten sich nur Russen (107mal), Finnen (108mal) und Kanadier (125mal) im Abschluss. Eine Erfolgsquote von 5,71 Prozent jedoch ist eher eine Misserfolgsquote. Zum Vergleich: Bei Olympia lag sie bei 9,44 Prozent. Allerdings gingen in Pyeongchang acht Treffer und 14 Vorlagen a conto derer, die Marco Sturm in Midtjylland fehlen.
Das Penaltyschießen:
Ist, wenn man so will, die Zuspitzung des Effizienzproblems. Gegen Dänemark scheiterten Patrick Hager, Dominik Kahun und Marc Michaelis an Torhüter Frederik Andersen, Matthias Plachta verlor den Puck, Leon Draisaitl zielte links vorbei. Norwegens Schlussmann Henrik Haukeland parierte die Penaltys von Daniel Pietta, Hager und Kahun. Achtmal vergeben, das kannte man anders: Beim olympischen 2:1 über Norwegen sicherten Hager, Plachta, Kahun – im Terzett verwandelnd – den Zusatzpunkt, bei der Heim-WM 2017 hießen die sicheren Schützen einmal Dominik Kahun (zum Sieg über die Slowakei), einmal Frederik Tiffels (gegen Lettland).
Das Über-/Unterzahlspiel:
In 18:30 Minuten deutschem Powerplay gab es bisher zwei Treffer (beide durch Hager gegen Norwegen) und ein Gegentor. 21:49 Minuten numerischer Unterlegenheit bescherten fünf Gegentreffer. Das Funktionieren der „Special Teams“ist eine Sache von Abstimmung, nicht von Fluktuation. Das lässt auf bessere Ausbeute hoffen: Kommt Zeit, kommen Automatismen.
Zwölf Minuten gegen die USA, je acht gegen Norwegen und Dänemark, das klingt nicht nach viel, ist es aber. Und wird mittlerweile nicht nur von den „großen“Mannschaften bestraft. Hübsches (?) Beispiel: Norwegens 2:0 nach 51 Sekunden einer Bankstrafe wegen zu vieler deutscher Spieler auf dem Eis. Auch das Mitteldrittel gegen die USA gab schmerzlich Anschauungsunterricht. Fünf Hinausstellungen, 0:2. Von Dennis Seidenberg stammt der schöne Satz: „Wenn wir ein bisschen schlauer sind, kriegen wir auch Punkte.“
Die Strafzeiten: Das Aufbauspiel:
Augenscheinliche individuelle Fehlleistungen vor Gegentoren sind zwar nach wie vor eher Ausnahme denn Norm, aber Leon Draisaitl, Spielmacher mit zumindest gegen Dänen und Norweger brillanten Szenen, weiß, woran es allzu oft krankt: am Aufbauspiel. „Wir müssen schneller aus unserer Zone herauskommen und weniger ,Turnovers‘ (Puckverluste in der Vorwärtsbewegung; d. Red.) haben.“
Timo Pielmeier hielt erst solide, dann glücklos, Niklas Treutle, international bislang eher wenig im Blickpunkt, überragte gegen die USA. Der Nürnberger, laut Statistik heuer stärkster DEL-Torhüter, soll auch gegen Südkorea beginnen. Konkurrenz aus der National Hockey League wird er keine mehr bekommen; Philipp Grubauers Washington Capitals stehen im Halbfinale um den Stanley Cup. Olympia-Zerberus Danny aus den Birken übrigens blieb zu Hause in München. Verletzt.
Die Torhüter: