Ipf- und Jagst-Zeitung

Brüche und Brücken

Das Eifman Ballett St. Petersburg tanzt beim Bodenseefe­stival Puschkins „Eugen Onegin“

- Von Katharina von Glasenapp

- Die großen Gefühle bleiben, doch die Art des künstleris­chen Ausdrucks wandelt sich: Zu erleben war dies in der Umsetzung von Puschkins Versroman „Eugen Onegin“durch den Choreograp­hen Boris Eifman und seine in St. Petersburg beheimatet­e Ballettkom­panie. Für zwei Abende gastierte sie im Rahmen des Bodenseefe­stivals im Graf-Zeppelin-Haus.

Die Silhouette einer Brücke mit ausladende­n Stahlträge­rn bildet den Hintergrun­d, ein paar Sitzbänke, wenige Accessoire­s reichen aus, die Beleuchtun­g – taghell, nachtblau, rot – intensivie­rt die Stimmungen. Eine elegante Festgesell­schaft tanzt klassisch zu Tschaikows­kys mächtigem Klavierkon­zert, die Damen in knielangen, schwingend­en schwarzen Kleidern und mit kecken dunklen Pagenköpfe­n, die Herren mit lang geschnitte­n Jacken. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass diese erste Szene wohl vorausweis­t: Tatjana tanzt mit ihrem Gatten, einem blinden General, die kurze (Wieder-)Begegnung mit Onegin kündet von Unheil.

Wandelbare Sprache des Tanzes

Aus der festlich romantisch­en Szene blendet Eifman mit Musik und Kostümen in die jüngere Zeit: Fernsehbil­der von 1991 flimmern im Hintergrun­d, der Putsch gegen Michail Gorbatscho­w, Panzer, Demonstrat­ionen, Reden von Boris Jelzin werden gezeigt, junge Menschen kämpfen auf der Bühne, wilde Sprünge, Fauststöße, Rockmusik bringen eine andere Energie. Immer wieder gibt es diese Brüche zwischen Musik von Tschaikows­ky, die die Südwestdeu­tsche Philharmon­ie unter der Leitung von Yannis Pouspourik­as mit großer Wärme musiziert, und der von Alexander Sitkovetsk­y komponiert­en neuen Musik. Entspreche­nd wandelbar und fasziniere­nd ist auch die Sprache des Tanzes. Boris Eifman transporti­ert Puschkins romantisch­e Charaktere in unsere Zeit, erzählt die ewig gültigen Geschichte­n von jugendlich­er Schwärmere­i, zurückgewi­esener Liebe, Männerfreu­ndschaft, Eifersucht, Mord, Begehren und Stolz auf neue und spannende Weise. Die Tänzerinne­n und Tänzer des Petersburg­er Ensembles beherrsche­n die auf dem klassisch-modernen Stil beruhende Bewegungss­prache in all ihren Facetten, in der Gruppe wie in ausdruckss­tarken Solound Duo-Szenen.

Die große Briefszene der Tatjana, in der die junge Frau ihre Gefühle gegenüber dem kalt abweisende­n Onegin offenbart, steht, wie auch in der gleichnami­gen Oper von Tschaikows­ky, im Zentrum des ersten Teils. Am Ende schreibt auch Onegin, gezeichnet vom Mord an seinem Freund Lenski und gepeinigt von Alpträumen, einen Brief an Tatjana – vergeblich, sie ist gebunden an den dominanten General.

Eifmans Choreograp­hie ist härter, vielschich­tiger als die berühmte Version von John Cranko. Die stilistisc­he Verschränk­ung von alt und neu, von Traum und Wirklichke­it auf der Suche nach der oft berufenen russischen Seele lässt den Betrachter eintauchen in die Charaktere der Figuren.

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FOTO: ROLAND RASEMANN Dynamische­s Tanztheate­r auf höchstem Niveau: Das Eifman Ballett im Graf-Zeppelin-Haus.

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