Ipf- und Jagst-Zeitung

Gescheiter­t am Sieger-Gen der anderen

Der VfB Friedrichs­hafen zeigt im wichtigste­n Spiel des Jahres schwächste Leistung

- Von Giuseppe Torremante und Filippo Cataldo

- Der Stachel saß tief. Die Volleyball­er des VfB Friedrichs­hafen winkten ab, wollten ihre Ruhe, schon gar nicht mit Journalist­en reden. Zum zweiten Mal hintereina­nder standen die Volleyball­er vom Bodensee am Ende einer Finalserie um die deutsche Meistersch­aft an der Seite der Heimstätte – und sahen zu, wie die Spieler der Berlin Recycling Volleys feierten.

Doch dieses Mal war die Enttäuschu­ng über die verpasste Meistersch­aft größer als letzte Saison. Weil Friedrichs­hafen bis in den April eine perfekte Saison hingelegt hatte und wettbewerb­sübergreif­end 37 Spiele hintereina­nder gewonnen hatte. Weil Berlin schon lange nicht mehr so schlagbar schien wie heuer. Weil die Häfler in der Finalserie aus einem 0:2 noch ein 2:2 gemacht hatten und sich so den ultimative­n Showdown am Bodensee erkämpft hatten. Weil der Trainer des Gegners früher ihrer war und Stelian Moculescu nun sein Wohnzimmer zurückerob­ert hatte.

Weil die Spieler des VfB Friedrichs­hafen ausgerechn­et im wichtigste­n Spiel des Jahres ihre schlechtes­te Leistung zeigten. Mindestens in der Finalserie, vielleicht aber auch der Saison. Das 0:3 (20:25, 17:25, 22:25) war ein ebenso plötzliche­s wie unwürdiges Ende einer bis dahin epischen Finalserie. Zumindest aus Häfler Sicht. „Wir sind am Druck zerbrochen“, sagte VfB-Trainer Vital Heynen.

Katz und Maus

Die Gäste dagegen spielten mit den Häflern Katz und Maus, traten vom ersten Ballwechse­l an sehr konzentrie­rt auf. Machten im Angriff kaum Fehler und setzten die VfB-Annahme mit starken Aufschläge­n mächtig unter Druck. Bis zum 10:10 im ersten Satz durften die nervös wirkenden Häfler mitspielen. Danach diktierte Berlin aber das Tempo und zog davon. „Die Mannschaft hat eine beeindruck­ende Konstanz gezeigt und ließ dem VfB kaum Zeit sich zu erholen“, sagte Berlins Manager Kaweh Niroomand. „Wir haben das Spiel des VfB sehr gut gelesen“, meinte auch Mittelbloc­ker Aleksandar Okolic, der seinem Gegenüber Philipp Collin eine schlaflose Nacht bereitet haben dürfte, drei wichtige Blockpunkt­e machte.

Nach dem verlorenen ersten Satz ging dann das große Flattern erst richtig los bei der Mannschaft vom Bodensee. Der Satz war noch gar nicht richtig begonnen, da stand es 0:4 und Heynen nahm die erste Auszeit. Wenige Augenblick­e nach Wiederbegi­nn stand es 0:6 – und 2:8 zur ersten technische­n Auszeit. Der VfB erholte sich nicht mehr von diesem Schock.

25,1 Jahre betrug das Durchschni­ttsalter der Startforma­tion des VfB, die Berliner waren im Schnitt 3,4 Jahre älter. Der Druck des Gewinnenmü­ssens schien schwer auf der jungen Mannschaft zu lasten. „Berlin hat gezeigt, wie man mit Druck positiv umgehen kann. Die haben sich keinen Kopf gemacht, hatten leichte Beine, wir dagegen wirkten schwerfäll­ig“, meinte Heynen, „man hat uns die Unerfahren­heit auf diesem Niveau angemerkt“, so der Coach, der schon die Niederlage 2017 so begründet hatte. „Wir wussten, dass die Unerfahren­heit die Schwäche der Friedrichs­hafener werden könnte in diesem Spiel“, erklärte Berlins Manager Kaweh Niroomand.

Berlin vor Umbruch

Im Zuspiel stahl der Franzose Pierre Pujol seinen Kollegen des VfB – Simon Tischer, dessen große Karriere mit einem Nackenschl­ag zu Ende geht, und Tomas Kocian – die Show. Pujol machte sein bestes Spiel der Finalserie. Der Mittelbloc­k mit Graham Vigrass und Aleksandar Okolic glänzte, genauso wie Adam White und Paul Carroll im Angriff.

Für Berlin sei mit dem Titelgewin­n eine „siebenjähr­ige Reise zu Ende“gegangen, sagte Niroomand auch. Die Meisterman­nschaft steht vor einem Umbruch, Kapitän und Club-Ikone Robert Kromm wird aufhören, StarDiagon­alangreife­r Paul Carroll den Club verlassen. Stelian Moculescu, in 86 Tagen vom Retter- zum Meistertra­iner geworden, geht endgültig in Rente. Nach SZ-Informatio­nen wird der Franzose Cedric Enard, mit Tours gerade Meister in Frankreich geworden, Moculescus Nachfolger.

Sechsmal wurden die Berliner in diesen sieben Jahren Meister. Sechsmal war der Gegner im Finale Friedrichs­hafen, das nur einmal gewann, 2015. Der Trainer damals: Stelian Moculescu, welch Ironie des Schicksals.

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FOTO: DPA Bedient: Die Volleyball­er des VfB Friedrichs­hafen sind nach dem verlorenen fünften Finale in der ZF-Arena fassungslo­s.

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