Gescheitert am Sieger-Gen der anderen
Der VfB Friedrichshafen zeigt im wichtigsten Spiel des Jahres schwächste Leistung
- Der Stachel saß tief. Die Volleyballer des VfB Friedrichshafen winkten ab, wollten ihre Ruhe, schon gar nicht mit Journalisten reden. Zum zweiten Mal hintereinander standen die Volleyballer vom Bodensee am Ende einer Finalserie um die deutsche Meisterschaft an der Seite der Heimstätte – und sahen zu, wie die Spieler der Berlin Recycling Volleys feierten.
Doch dieses Mal war die Enttäuschung über die verpasste Meisterschaft größer als letzte Saison. Weil Friedrichshafen bis in den April eine perfekte Saison hingelegt hatte und wettbewerbsübergreifend 37 Spiele hintereinander gewonnen hatte. Weil Berlin schon lange nicht mehr so schlagbar schien wie heuer. Weil die Häfler in der Finalserie aus einem 0:2 noch ein 2:2 gemacht hatten und sich so den ultimativen Showdown am Bodensee erkämpft hatten. Weil der Trainer des Gegners früher ihrer war und Stelian Moculescu nun sein Wohnzimmer zurückerobert hatte.
Weil die Spieler des VfB Friedrichshafen ausgerechnet im wichtigsten Spiel des Jahres ihre schlechteste Leistung zeigten. Mindestens in der Finalserie, vielleicht aber auch der Saison. Das 0:3 (20:25, 17:25, 22:25) war ein ebenso plötzliches wie unwürdiges Ende einer bis dahin epischen Finalserie. Zumindest aus Häfler Sicht. „Wir sind am Druck zerbrochen“, sagte VfB-Trainer Vital Heynen.
Katz und Maus
Die Gäste dagegen spielten mit den Häflern Katz und Maus, traten vom ersten Ballwechsel an sehr konzentriert auf. Machten im Angriff kaum Fehler und setzten die VfB-Annahme mit starken Aufschlägen mächtig unter Druck. Bis zum 10:10 im ersten Satz durften die nervös wirkenden Häfler mitspielen. Danach diktierte Berlin aber das Tempo und zog davon. „Die Mannschaft hat eine beeindruckende Konstanz gezeigt und ließ dem VfB kaum Zeit sich zu erholen“, sagte Berlins Manager Kaweh Niroomand. „Wir haben das Spiel des VfB sehr gut gelesen“, meinte auch Mittelblocker Aleksandar Okolic, der seinem Gegenüber Philipp Collin eine schlaflose Nacht bereitet haben dürfte, drei wichtige Blockpunkte machte.
Nach dem verlorenen ersten Satz ging dann das große Flattern erst richtig los bei der Mannschaft vom Bodensee. Der Satz war noch gar nicht richtig begonnen, da stand es 0:4 und Heynen nahm die erste Auszeit. Wenige Augenblicke nach Wiederbeginn stand es 0:6 – und 2:8 zur ersten technischen Auszeit. Der VfB erholte sich nicht mehr von diesem Schock.
25,1 Jahre betrug das Durchschnittsalter der Startformation des VfB, die Berliner waren im Schnitt 3,4 Jahre älter. Der Druck des Gewinnenmüssens schien schwer auf der jungen Mannschaft zu lasten. „Berlin hat gezeigt, wie man mit Druck positiv umgehen kann. Die haben sich keinen Kopf gemacht, hatten leichte Beine, wir dagegen wirkten schwerfällig“, meinte Heynen, „man hat uns die Unerfahrenheit auf diesem Niveau angemerkt“, so der Coach, der schon die Niederlage 2017 so begründet hatte. „Wir wussten, dass die Unerfahrenheit die Schwäche der Friedrichshafener werden könnte in diesem Spiel“, erklärte Berlins Manager Kaweh Niroomand.
Berlin vor Umbruch
Im Zuspiel stahl der Franzose Pierre Pujol seinen Kollegen des VfB – Simon Tischer, dessen große Karriere mit einem Nackenschlag zu Ende geht, und Tomas Kocian – die Show. Pujol machte sein bestes Spiel der Finalserie. Der Mittelblock mit Graham Vigrass und Aleksandar Okolic glänzte, genauso wie Adam White und Paul Carroll im Angriff.
Für Berlin sei mit dem Titelgewinn eine „siebenjährige Reise zu Ende“gegangen, sagte Niroomand auch. Die Meistermannschaft steht vor einem Umbruch, Kapitän und Club-Ikone Robert Kromm wird aufhören, StarDiagonalangreifer Paul Carroll den Club verlassen. Stelian Moculescu, in 86 Tagen vom Retter- zum Meistertrainer geworden, geht endgültig in Rente. Nach SZ-Informationen wird der Franzose Cedric Enard, mit Tours gerade Meister in Frankreich geworden, Moculescus Nachfolger.
Sechsmal wurden die Berliner in diesen sieben Jahren Meister. Sechsmal war der Gegner im Finale Friedrichshafen, das nur einmal gewann, 2015. Der Trainer damals: Stelian Moculescu, welch Ironie des Schicksals.