Steinmeiers Polenbesuch wird nicht einfach
Auf der politischen Ebene ist das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen so heikel und kompliziert wie schon lange nicht mehr. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will mit einem Arbeitsbesuch in Warschau die Beziehungen verbessern.
So schnell kann es gehen: Noch 2013 war für sieben von zehn Deutschen klar, die Beziehungen zu Polen sind gut. Nun sind es nur noch 31 Prozent. Eine Mehrheit von 44 Prozent der Deutschen bewerten laut dem jüngsten Deutsch-Polnischen Barometer das Verhältnis der Nachbarländer als schlecht. Auch die Misstöne zwischen Warschau und Brüssel sind kaum zu überhören. Es gibt also genug Gründe, sich um eine politische Annäherung zu bemühen.
Steinmeier fliegt am Dienstag nach Warschau. Offizieller Anlass ist eine Rede zum 100. Jahrestag der Wiedererlangung der Unabhängigkeit Polens. Mindestens genauso wichtig ist indes sein Gespräch mit Staatspräsident Andrzej Duda. Steinmeier und Duda kennen sich seit August 2015. Das polnische Staatsoberhaupt, einst Europaabgeordneter der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), entkräftete seinerzeit viele Sorgen der Bundesregierung, Warschau könne einen EU-skeptischen Kurs einschlagen. Doch das war ein Trugschluss.
Trotz aller Warnungen der EU treibt Polens nationalkonservative Regierung ihre Justizreform voran, setzt regierungskritische Richter ab und beruft linientreue Nachfolger. Im Dezember 2017 leitete die Europäische Kommission gegen Warschau ein Verfahren nach Artikel 7 des EUVertrags ein, das bis zum Stimmrechtsentzug für Polen führen kann. Es ist das erste Mal, dass Brüssel so gegen ein Mitgliedsland vorgeht. Denn fundamentale Prinzipien wie die Gewaltenteilung seien bedroht.
Streit um Kriegsentschädigungen
Den deutsch-polnischen Streit heizen zudem polnische Forderungen nach Entschädigung für die Zerstörung des Landes im Zweiten Weltkrieg an. Polens Bevölkerung ist bei der Frage der Kriegsentschädigung uneins. 46 Prozent der Polen wollen, dass Warschau von Deutschland Reparationen für den Zweiten Weltkrieg verlangt. 40 Prozent sind dagegen. Jeder zweite Pole meint laut dem Deutsch-Polnischen Barometer, dass die internationale Öffentlichkeit die Opfer nicht ausreichend anerkenne, die Polen im Lauf der Geschichte erbracht hätten. Nur 17 Prozent zeigen sich überzeugt, das Leid und die Opfer Polens würden genügend wahrgenommen.
Groß ist der Wunsch in Polen, dass führende deutsche Politiker klarstellen, dass nicht Polen, sondern Deutschland für den Massenmord in Auschwitz verantwortlich war. Würde das Steinmeier bei seinem Besuch in Warschau sagen, wäre das für viele Polen eine wichtige Nachricht. Hintergrund sind Vorwürfe aus Israel, Polen hätten sich am Holocaust beteiligt.
Bei seinem ersten Polenbesuch als Bundespräsident im Mai 2017 hatte Steinmeier für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Nachbarn geworben. „Polen liegt mir am Herzen, das deutsch-polnische Verhältnis erst recht“, sagte er.