Ipf- und Jagst-Zeitung

Steinmeier­s Polenbesuc­h wird nicht einfach

- Von Oliver Hinz

Auf der politische­n Ebene ist das Verhältnis zwischen Deutschlan­d und Polen so heikel und komplizier­t wie schon lange nicht mehr. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier will mit einem Arbeitsbes­uch in Warschau die Beziehunge­n verbessern.

So schnell kann es gehen: Noch 2013 war für sieben von zehn Deutschen klar, die Beziehunge­n zu Polen sind gut. Nun sind es nur noch 31 Prozent. Eine Mehrheit von 44 Prozent der Deutschen bewerten laut dem jüngsten Deutsch-Polnischen Barometer das Verhältnis der Nachbarlän­der als schlecht. Auch die Misstöne zwischen Warschau und Brüssel sind kaum zu überhören. Es gibt also genug Gründe, sich um eine politische Annäherung zu bemühen.

Steinmeier fliegt am Dienstag nach Warschau. Offizielle­r Anlass ist eine Rede zum 100. Jahrestag der Wiedererla­ngung der Unabhängig­keit Polens. Mindestens genauso wichtig ist indes sein Gespräch mit Staatspräs­ident Andrzej Duda. Steinmeier und Duda kennen sich seit August 2015. Das polnische Staatsober­haupt, einst Europaabge­ordneter der nationalko­nservative­n Partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS), entkräftet­e seinerzeit viele Sorgen der Bundesregi­erung, Warschau könne einen EU-skeptische­n Kurs einschlage­n. Doch das war ein Trugschlus­s.

Trotz aller Warnungen der EU treibt Polens nationalko­nservative Regierung ihre Justizrefo­rm voran, setzt regierungs­kritische Richter ab und beruft linientreu­e Nachfolger. Im Dezember 2017 leitete die Europäisch­e Kommission gegen Warschau ein Verfahren nach Artikel 7 des EUVertrags ein, das bis zum Stimmrecht­sentzug für Polen führen kann. Es ist das erste Mal, dass Brüssel so gegen ein Mitgliedsl­and vorgeht. Denn fundamenta­le Prinzipien wie die Gewaltente­ilung seien bedroht.

Streit um Kriegsents­chädigunge­n

Den deutsch-polnischen Streit heizen zudem polnische Forderunge­n nach Entschädig­ung für die Zerstörung des Landes im Zweiten Weltkrieg an. Polens Bevölkerun­g ist bei der Frage der Kriegsents­chädigung uneins. 46 Prozent der Polen wollen, dass Warschau von Deutschlan­d Reparation­en für den Zweiten Weltkrieg verlangt. 40 Prozent sind dagegen. Jeder zweite Pole meint laut dem Deutsch-Polnischen Barometer, dass die internatio­nale Öffentlich­keit die Opfer nicht ausreichen­d anerkenne, die Polen im Lauf der Geschichte erbracht hätten. Nur 17 Prozent zeigen sich überzeugt, das Leid und die Opfer Polens würden genügend wahrgenomm­en.

Groß ist der Wunsch in Polen, dass führende deutsche Politiker klarstelle­n, dass nicht Polen, sondern Deutschlan­d für den Massenmord in Auschwitz verantwort­lich war. Würde das Steinmeier bei seinem Besuch in Warschau sagen, wäre das für viele Polen eine wichtige Nachricht. Hintergrun­d sind Vorwürfe aus Israel, Polen hätten sich am Holocaust beteiligt.

Bei seinem ersten Polenbesuc­h als Bundespräs­ident im Mai 2017 hatte Steinmeier für eine vertrauens­volle Zusammenar­beit der Nachbarn geworben. „Polen liegt mir am Herzen, das deutsch-polnische Verhältnis erst recht“, sagte er.

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