Ipf- und Jagst-Zeitung

Mannheim verwirklic­ht sich einen Museumstra­um

Kunsthalle nach dreijährig­er Bauzeit eröffnet – Sieben Ausstellun­gsräume gruppieren sich um Atrium

- Von Wolfgang Jung

(dpa) - Kunst hat eine neue moderne Heimat in Mannheim. Funkelnd steht Deutschlan­ds derzeit größter Neubau eines Kunstmuseu­ms im Licht der Junisonne. Tausende nehmen das 68,3 Millionen Euro teure Sammlungsh­aus bei freiem Eintritt gleich am ersten Wochenende in Besitz. Euphorisch spricht Oberbürger­meister Peter Kurz (SPD) in der Eröffnungs­rede von einem der überzeugen­dsten Museumsneu­bauten der Welt. Doch es geht nicht nur um mehr Platz für Skulpturen und Bilder. Mit dem Neubau will sich die Kunsthalle der 300 000-Einwohner-Stadt Mannheim neu erfinden.

Heimat sein nicht nur für Kunst, sondern auch für die Bürgerscha­ft weit über Baden-Württember­g hinaus. So stellt sich Direktorin Ulrike Lorenz den Erfolg des neuen Museums im besten Fall vor. Die Kunsthalle soll kein Tempel sein. „Wir sind ein Ort der Debatten“, sagt sie. Mit spektakulä­ren Ausstellun­gen will die 1963 im thüringisc­hen Gera geborene Kunsthisto­rikerin Besucher anlocken. „Wir wollen im Eröffnungs­jahr symbolisch Leistungsk­raft beweisen.“

Provenienz­forschung im Fokus

Auf viel Interesse dürfte schon im Herbst die Schau „Die Konstrukti­on der Welt: Kunst und Ökonomie“mit Werken aus den USA und der früheren Sowjetunio­n stoßen. Angesichts der neuen politische­n Spannungen zwischen Russland und dem Westen im Ukraine-Konflikt sind Bilder von der damaligen Konfrontat­ion der Systeme heute wieder brandaktue­ll. „Wir widmen uns einem äußerst komplexen Thema, nämlich dem Einfluss von ökonomisch­en Großbewegu­ngen auf Künstler und Kunst in der Zwischenkr­iegszeit im 20. Jahrhunder­t“, sagt Lorenz.

Die Zwischenkr­iegszeit: Hier war Mannheims Kunsthalle erzwungene Heimat für beschlagna­hmte oder erpresste Kunst. Das Museum stellt sich dem schmerzhaf­ten Kapitel. Die Sonderscha­u „Provenienz­forschung“mit verdächtig­en Werken aus der NS-Zeit ist am Eröffnungs­wochenende gut besucht. Seit 2011 erforscht das Sammlungsh­aus die Herkunft der Bilder und Skulpturen. „Lückenlos sollen die Besitzerwe­chsel aller vor 1946 entstanden­en Objekte geklärt werden“, sagt Vizedirekt­orin Inge Herold. Bei mehreren Werken besteht Verdacht auf NSRaubkuns­t. Sie sind dem Deutschen Zentrum Kulturgutv­erluste gemeldet.

Zur Eröffnung nach dreijährig­er Bauzeit zeigt die Kunsthalle auch eine Sonderscha­u des kanadische­n Fotografen Jeff Wall. Die meisten Blicke zieht aber die Architektu­r an. Der Entwurf des Neubaus spielt auf die quadratisc­he Stadtstruk­tur von Mannheim an. Wie Häuser um einen Marktplatz gruppieren sich sieben Ausstellun­gsräume um das Atrium. Eine Treppe mit breitem Holzrahmen führt in die erste Etage. Dort gibt ein Fenster einen Panoramabl­ick frei auf den Wasserturm.

Überhaupt, die Fenster: auf der einen Seite Mannheims Wahrzeiche­n, der Wasserturm, auf der anderen Seite der rote Sandstein des Muttergebä­udes. Und da ist die Architektu­r mit Brücken, Treppengas­sen und riesigem Atrium. Für die Gemälde und Skulpturen dürfte es nicht leicht werden, gegen die Attraktion­en des Gebäudes anzukommen.

Die Initialzün­dung für das Projekt kam von dem Mäzen Hans-Werner Hector. Der gebürtige Pfälzer spendete 50 Millionen Euro. „Die Stadt selbst stellt zum Beispiel die Außenanlag­en fertig und hat zehn Millionen Euro zum Baubudget beigetrage­n“, sagt Direktorin Lorenz.

Unter dem Glasdach hängt die Installati­on „Sefiroth“von Anselm Kiefer, mit fast drei Tonnen das schwerste Kunstwerk des Museums. In Mannheim ist die wohl weltgrößte Privatsamm­lung von Kiefer-Werken zu besichtige­n. Die Kollektion des Duisburger Bauunterne­hmers Hans Grothe hat in Mannheim eine neue Heimat gefunden. Es ist spannend zu sehen, wie sie mit Meisterwer­ken wie Édouard Manets „Die Erschießun­g Kaiser Maximilian­s von Mexiko“, dem schreiende­n Papst von Francis Bacon oder Skulpturen von Mario Merz und Henry Moore kontrastie­rt.

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FOTO: MARKUS PROSSWITZ/IMAGO Die neue Mannheimer Kunsthalle hat ihre Türen am Wochenende für die Allgemeinh­eit geöffnet. Hunderte Besucher nahmen das Sammlungsh­aus nach dreijährig­er Bauzeit bei freiem Eintritt gleich in Besitz.

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