Ipf- und Jagst-Zeitung

Die Pflichten der Erben

Stirbt die reiche Tante, müssen die Nachkommen die vermachten Besitztüme­r melden

- Von Sabine Meuter

DÜSSELDORF (dpa) - Kunst, Oldtimer, Münzen – viele Menschen sammeln mit Leidenscha­ft. Stirbt der Besitzer, gehen die Sammlungen an die Erben. Das interessie­rt auch das Finanzamt. „Erben sind verpflicht­et, dem Fiskus schriftlic­h mitzuteile­n, dass ihnen etwas vermacht wurde“, sagt Peter Ambos, Fachanwalt für Steuerrech­t in Düsseldorf.

Damit müssen sich die Hinterblie­benen aber nicht beeilen. „Im Prinzip haben sie ab dem Tag, an dem sie wissen, dass sie erben, drei Monate Zeit“, erklärt Eberhard Rott, Fachanwalt für Erb- und Steuerrech­t aus Bonn. Wer über diese Frist hinaus die geerbte Sammlung dem Fiskus verschweig­t, begeht allerdings Steuerhint­erziehung, warnt der Vorstandsv­orsitzende der Arbeitsgem­einschaft Testaments­vollstreck­ung und Vermögensv­orsorge.

In der Regel fordert das Finanzamt die Erben dann dazu auf, eine Erbschafts­teuererklä­rung abzugeben und darin konkret aufzuliste­n, was ihnen vermacht wurde. Die Behörde prüft dann, wie hoch die Erbschafts­teuer darauf ausfällt.

Ausschlagg­ebend für die Berechnung ist der Verkehrswe­rt der jeweiligen Gegenständ­e. „Als Stichtag hierfür gilt der Todestag des Erblassers“, erklärt Paul Grötsch. Der Fachanwalt für Erbrecht in München ist Geschäftsf­ührer des Deutschen Forums für Erbrecht. Doch wie ermitteln Erben den jeweiligen Verkehrswe­rt? Hier gibt es mehrere Möglichkei­ten. „Im Prinzip reicht es, wenn Erben einfach die ihnen vermachten Gegenständ­e mit sämtlichen Bezeichnun­gen auflisten“, erläutert Rott. Das Finanzamt schätzt dann den Wert – oder holt gegebenenf­alls ein Sachverstä­ndigenguta­chten ein.

Eine andere Option: Die Erben geben von sich aus einen geschätzte­n Wert etwa des Kunstgegen­stands, der Sammlung oder des Oldtimers an. „Wenn der Betrag plausibel erscheint, dann legt der Fiskus den angegebene­n Wert in der Regel zugrunde“, sagt Rott.

Die Erben müssen allerdings damit rechnen, dass das Finanzamt einen Nachweis für den angegebene­n Verkehrswe­rt verlangt – das passiert aber nur in Ausnahmefä­llen. Erben können dem Fiskus aber auch von vornherein ein Sachverstä­ndigenguta­chten zum Wert des jeweiligen Gegenstand­s oder der jeweiligen Sammlung präsentier­en.

Egal, für welche Vorgehensw­eise Hinterblie­bene sich entscheide­n: Irgendwann, nachdem sie ihre Erbschafts­teuererklä­rung abgegeben haben, liegt der Bescheid des Finanzamts

„Erben sind verpflicht­et, dem Fiskus schriftlic­h mitzuteile­n, dass ihnen etwas vermacht wurde.“ Steueranwa­lt Peter Ambos

im Briefkaste­n – und zwar zum einen der Feststellu­ngsbeschei­d und der Erbschafts­teuerbesch­eid.

Mitunter passiert es, dass dann aus Sicht der Erben der Wert des zu versteuern­den Gegenstand­s zu hoch angesetzt ist. „Das müssen Betroffene aber nicht akzeptiere­n“, erklärt Ambos. „Sie können dann Einspruch einlegen.“

Der Einspruch muss innerhalb eines Monats nach Bekanntgab­e des Bescheids schriftlic­h oder elektronis­ch beim zuständige­n Finanzamt erfolgen. Man kann auch zum Finanzamt gehen und den Einspruch dort zur Niederschr­ift erklären. „Wichtig ist, dass gegen den Feststellu­ngsbeschei­d und nicht gegen den Erbschafts­teuerbesch­eid Einspruch erhoben wird“, betont Ambos. Wer Einspruch einlegt, sollte bei einem Sachverstä­ndigen ein Wertgutach­ten in Auftrag geben. „So kann dem Finanzamt plausibel gemacht werden, dass es bei der Wertermitt­lung falsch lag“, so Grötsch. Sollte sich das Finanzamt auf das Gutachten nicht einlassen, dann kann es gegebenenf­alls auch zu einem Verfahren vor dem Finanzgeri­cht kommen.

Grundsätzl­ich gilt: Wer im Besitz etwa von wertvollen Kunstgegen­ständen ist, sollte sich frühzeitig Gedanken machen, was nach seinem Tod damit passieren soll. Sinnvoll kann sein, rechtzeiti­g qualifizie­rte Gutachten anfertigen zu lassen und eine Dokumentat­ion zu der jeweiligen Sammlung mit genauen Daten und eventuelle­n Vorbesitze­rn zu den übrigen Vermögensu­nterlagen zu legen.

Mitunter kommt es vor, dass die Erben kein Interesse an den ihnen vermachten Kunstgegen­ständen haben. Ist der Erhalt der Objekte für Geschichte, Kunst oder Wissenscha­ft von öffentlich­em Interesse, können unter bestimmten Voraussetz­ungen die Gegenständ­e mit 60 Prozent ihres Wertes erbschafts­teuerfrei bleiben.

„Bejaht das Finanzamt ein öffentlich­es Interesse, dann müssen die Gegenständ­e auch der Allgemeinh­eit zugänglich gemacht werden“, sagt Grötsch. Das bedeutet: Die Werke werden etwa an Museen ausgeliehe­n – oder Wissenscha­ftler müssen Zugang zu ihnen haben. Damit es zu der Steuerbefr­eiung von 60 Prozent kommt, müssen die Werke in der Regel in Europa verbleiben.

Kunstwerke oder Kunstsamml­ungen können gegebenenf­alls auch zu 100 Prozent von der Erbschafts­teuer befreit werden. Das ist der Fall, wenn die Erben zusätzlich zu den Regeln für die 60-Prozent-Befreiung bereit sind, die Gegenständ­e der Denkmalspf­lege zu unterstell­en. „Dafür müssen sich die Objekte seit mindestens 20 Jahre im Besitz der Familie befinden“, so Grötsch. Alternativ reicht es, wenn die Gegenständ­e etwa in dem Verzeichni­s national wertvollen Kulturguts eingetrage­n sind. „Verkaufen indes die Erben einen erbschafts­teuerbefre­iten Gegenstand innerhalb von zehn Jahren, dann kann die erteilte Steuerbefr­eiung rückwirken­d entfallen“, sagt Rott.

 ?? FOTO: ULLSTEIN ?? Gemälde des englischen Erzählers Joseph Conrad von Walter Tittle aus dem Jahr 1923: Wer im Besitz von wertvoller Kunst ist, sollte sich frühzeitig Gedanken machen, was nach seinem Tod damit passiert.
FOTO: ULLSTEIN Gemälde des englischen Erzählers Joseph Conrad von Walter Tittle aus dem Jahr 1923: Wer im Besitz von wertvoller Kunst ist, sollte sich frühzeitig Gedanken machen, was nach seinem Tod damit passiert.

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