Ipf- und Jagst-Zeitung

A wie alternativ­los

Nur auf seine Weltmeiste­r kann sich Joachim Löw derzeit verlassen – mit Abstrichen

- Von Patrick Strasser

- Das Sprichwort mit der verpatzten Generalpro­be und der gelungenen Premiere dient immer auch als Rettungsan­ker, als Hoffnung in der Not.

An diese Devise klammert sich die deutsche Nationalel­f nach dem ernüchtern­d schwachen 2:1 (2:0) im letzten WM-Test gegen Saudi-Arabien.

Immerhin konnte der amtierende Weltmeiste­r wenigstens den Antilauf von fünf Spielen ohne Sieg beenden. Eine statistisc­he Nebensache. Tatsächlic­h entfachte der Auftritt der Mannschaft von Joachim Löw, bevor es am Dienstag nach Russland geht, mehr Sorgen als Hoffnung mit Blick auf die Mission Titelverte­idigung.

Großflächi­ge Lücken im Mittelfeld, eine zu offene Deckung bei Kontern nach Ballverlus­ten. Der Bundestrai­ner fasste die Beinahe-Blamage kompakt zusammen: „Zu viele Chancen ausgelasse­n und zu viele Chancen zugelassen. Wir haben gut angefangen, die erste Halbzeit war ordentlich. Dann haben wir nachgelass­en.“

Weder in der Defensive noch in der Offensive stimmts, mit Ausnahme des Beginns, als man höher als 2:0 hätte führen können. Vor allem BaldWM-Debütant Marco Reus spielte erfrischen­d kreativ. Im Mittelfeld schlug man zu viele lange Bälle, vorne wurde man einfallslo­ser und kam zu weniger Gelegenhei­ten. Der Gegner, gewiss kein Schwergewi­cht im Weltfußbal­l und am Donnerstag (17 Uhr/ARD) Russlands Gegner im WM-Eröffnungs­spiel, spürte, dass was geht, und wurde mutiger. Die DFB-Abwehr wackelte vor allem in der Endphase bedenklich. Ein Trend oder lag dies nur an den vielen Wechseln (fünf bis zur Schlussvie­rtelstunde)?

B-Elf wie eine Wundertüte

Auffällig nicht erst seit der 1:2Schlappe im Test vor acht Tagen in Österreich: Den Spielern aus der zweiten Reihe fehlt das Attribut Weltklasse. Nur das A-Team, sprich die Helden von Brasilien 2014, also Torhüter Manuel Neuer, die Innenverte­idigung um Mats Hummels und Jérôme Boateng sowie die Mittelfeld-Zentrale mit Toni Kroos und Sami Khedira, haben die Qualität und das Niveau für die Titelverte­idigung – wenn sie denn in Topform kommen. Beim zuletzt verletzten Boateng sowie Thomas Müller scheint dieser Weg aktuell am weitesten zu sein.

Der aus Bösingen bei Rottweil stammende Joshua Kimmich hat Steigerung­spotenzial, wirkt nicht so giftig wie seit der EM 2016, auf der anderen Abwehrseit­e bildet Jonas Hector eine Schwachste­lle. Erfreulich: die Torjägerqu­alitäten von Timo Werner, der Esprit von ConfedCup-Siegerkapi­tän Julian Draxler und eben Reus, der an beiden Treffern beteiligt war. Der Pfosten verwehrte ihm einen eigenen Treffer. Der Dortmunder hat den an Knie und Rücken verletzten Mesut Özil den Platz in der WM-Startelf vorerst abgeluchst. Dennoch gilt: Jogis A-Elf ist (beinahe) alternativ­los.

Die B-Elf um Niklas Süle, Antonio Rüdiger, Ilkay Gündogan, Leon Goretzka und Mario Gomez kommt derzeit als Wundertüte daher. Und dann droht auch noch Gündogans und Özils Erdogan-Affäre zur zähen Fortsetzun­gsgeschich­te zu werden. Für die gesamte Mannschaft.

Talentiert, aber inkonstant und daher unberechen­bar. Khedira nervte der Leistungsa­bfall: „In der zweiten Halbzeit haben wir alles vermissen lassen.“Für Hummels war es „kaum zu erklären“.

Doch Löw behält seinen Optimismus, seine Siegessich­erheit, gespeist aus den Erlebnisse­n von fünf Turnieren als Chefcoach. „Wir können Dinge verbessern, absolut. Aber nach zwei Wochen Trainingsl­ager fehlen die Kräfte, das ist normal. Nächste Woche werden wir mehr Power haben.“Der Bundestrai­ner ganz cool: „Sorgen mache ich mir keine, weil ich weiß, dass wir uns weiter steigern. Wenn das Turnier beginnt, werden wir da sein.“Kommt es am kommenden Sonntag in Moskau gegen Mexiko (17 Uhr MESZ) zur Form-Punktlandu­ng?

Ja, ja, die gute, alte Turnierman­nschaft ... – das nächste Sprichwort.

Kann man sich wieder auf das stetige Steigern verlassen?

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FOTO: DPA Verteidige­r Mats Hummels spielte souverän.

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