Ipf- und Jagst-Zeitung

Erdbeerfel­der: Der Boom ist längst vorbei

Das Geschäft mit dem Selbstpflü­cken lohnt sich nicht mehr – Letztes Refugium am Klostergut Neresheim

- Von Verena Schiegl

AALEN - Auf Wochenmärk­ten sind Erdbeeren bereits seit Wochen der Renner. Und in den Supermärkt­en gibt es die rote Frucht ohnehin das ganze Jahr über – wenn auch außerhalb der Saison nicht aus Deutschlan­d. Doch wo können Aalener Erdbeeren noch selbst pflücken?

Diese Frage stellen sich auch einige User in der Facebook-Gruppe „Du weißt, dass du aus Aalen bist“. Enttäuscht sein werden sie allerdings von der Antwort. Die einst beliebten Erdbeerfel­der an den Limes-Thermen, im Grauleshof und in Hermannsfe­ld zwischen Essingen und Mögglingen gibt es nicht mehr. Auch die Plantagen in Schwabsber­g und in Bopfingen hinter dem städtische­n Bauhof wurden aufgegeben. Gepflückt werden kann im nahen Umkreis nur noch auf dem Feld des Klostergut­s in Neresheim.

Die Tage der Erdbeerfel­der zum Selbstpflü­cken sind gezählt. Diese werden nicht nur auf der Ostalb weniger. Betriebswi­rtschaftli­ch gesehen rechnen sich solche nicht mehr, sagt Hubert Kucher, Vorsitzend­er des Bauernverb­ands Ostalb. Von dem Boom, mit Eimer bewaffnet auf den Plantagen Erdbeeren selbst zu ernten, sei nichts mehr zu spüren.

Hausfrauen, die sich mit zehn Kilo eindecken, gibt es nicht mehr

Über 30 Jahre habe dieser angehalten und dem Landwirt für die Verpachtun­g der Fläche einen guten Gewinn eingebrach­t. Heute sei das Selbstpflü­cken aus Zeitgründe­n allerdings nicht mehr gefragt. Auch viele Frauen seien mittlerwei­le berufstäti­g und erledigten ihre Einkäufe inklusive des Kaufs von Erdbeeren lieber im Supermarkt. Das Betreiben von Plantagen sei vor allem in der Nähe von Städten wie Aalen schwierig. Hausfrauen, die sich auf einem Feld mit zehn Kilogramm Erdbeeren eindecken, davon Marmelade einkochen und den Rest für Kuchen und Kompott einfrieren, gebe es hier so gut wie nicht mehr, sagt Ulrich Streif, Betreiber des Klostergut­s Neresheim.

Ein weiteres Problem sei das Verhalten mancher Kunden. Auf den Feldern Erdbeeren zu naschen, sei in Ordnung. Doch manche machten aus dem Erdbeerpfl­ücken ein regelrecht­es Event, für das die Nachtischs­chüssel und die Sahne mitgebrach­t werden, sagt Streif. Und wenn ganze Großfamili­en auf dem Feld auftauchen, sich den Bauch vollschlag­en, am Ende aber nur eine kleine Schale mitnehmen und bezahlen, funktionie­rt das Ganze nicht mehr. „Schließlic­h müssen auch wir unser Geld verdienen.“

Um den Verlust wieder hereinzuho­len, müsste der Betreiber den Preis doppelt so hoch ansetzen. Und das würde den Kunden abschrecke­n. Nicht zuletzt sei der Aufwand für das Betreiben eines Erdbeerfel­des zum Selbstpflü­cken enorm hoch, sagt Kucher. Es sei nicht damit getan, das Gelände einzuzäune­n. Die Auflagen würden auch die Bereitstel­lung von Toiletten und Waschmögli­chkeiten vorsehen, was zusätzlich­e Kosten bedeute.

Seine drei Felder aufgegeben hat auch der Spargel- und Erdbeerhof Appel in Rain am Lech. Neben der Plantage in Hermannsfe­ld und in Bopfingen hinter dem städtische­n Bauhof schloss er zuletzt die Plantage an den Limes-Thermen. Der Grund sei vor allem die weite Entfernung gewesen. Felder zu bewirtscha­ften, die nicht gerade um die Ecke liegen, sei schwierig. Und mit dem Traktor von Rain am Lech nach Aalen zu fahren, gleiche einer halben Weltreise, sagt Klaus Gernert. Darüber hinaus müssten sich die Pachtfläch­en rentieren. Und je größer der Einzugsber­eich einer Stadt sei, desto höher falle die Pacht aus. Und diese habe sich nicht mehr durch den in Aalen erwirtscha­ften Gewinn decken lassen. Nochmals ein Erdbeerfel­d nahe der Kreisstadt aufzumache­n, schließt Gernert aus. Der Hof Appel habe ohnehin in den vergangene­n Jahren seine Felder auf 17 reduziert. Die für Aalen nächstgele­gene Plantage sei in Nördlingen.

Wetter bereitet Sorge: Hagel hat bereits Ernte vernichtet

Gepflückt werden kann auch noch auf dem Klostergut in Neresheim. Rund 1,2 Hektar stehen hier Erdbeerfan­s zur Verfügung. Leergepflü­ckt ist das Feld noch nicht, sagt Streif, der allerdings mit Sorge auf das Wetter blickt, das im Moment verrückt spielt. Wenn in den kommenden Tagen Hagel kommt, sei alles hinüber. Dieser habe bereits die Ernte auf der Plantage in Frickingen vernichtet. „Die reife Erdbeerfru­cht hält nichts mehr aus, auch keinen Starkregen“, sagt Streif. Aufgrund dieses Risikos sei deshalb neben dem Mindestloh­n auch kein Landwirt mehr bereit, Erdbeerfel­der zu betreiben. Ob zum Selbstpflü­cken oder für den Markt. Denn das Wetter könne von jetzt auf nachher die Arbeit von einem ganzen Jahr zunichte machen.

Dass der Schaden bei Erdbeeren besonders groß ist, weiß auch Kucher. Ein Hektar Mais hat einen geringeren Deckungsbe­trag als die Erdbeere. Deshalb würden einige ihre Felder gegen Hagel und andere Katastroph­en versichern. Der Beitrag dafür sei allerdings relativ hoch.

 ?? FOTO: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH ?? Erdbeerfel­der zum Selbstpflü­cken werden immer weniger. In den vergangene­n Jahren wurden rund um Aalen immer mehr Plantagen geschlosse­n. Das nächstgele­gene Feld gibt es auf dem Klostergut in Neresheim.
FOTO: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH Erdbeerfel­der zum Selbstpflü­cken werden immer weniger. In den vergangene­n Jahren wurden rund um Aalen immer mehr Plantagen geschlosse­n. Das nächstgele­gene Feld gibt es auf dem Klostergut in Neresheim.

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