Ipf- und Jagst-Zeitung

Polen sagt Müllmafia den Kampf an

Brände auf Abfalldepo­nien häufen sich – Kriminelle bereichern sich zuvor daran

- Von Natalie Skrzypczak und Jörg Winterbaue­r

(dpa) - Rauchschwa­den steigen über einer illegalen Müllhalde im zentralpol­nischen Zgierz auf, alte Reifen stehen im südpolnisc­hen Trzebin in Flammen, in Warschau sind es alte Möbel: Landesweit brennen in Polen so oft Abfalldepo­nien wie kaum zuvor. In diesem Jahr habe es bislang schon 85 solche Brände gegeben – und das sei besorgnise­rregend hoch, warnt das Umweltmini­sterium. Die Regierende­n sehen Kriminelle der Abfallbran­che am Werk. „Wir werden die Müllmafia verjagen“, kündigte Regierungs­chef Mateusz Morawiecki an.

Der Vorwurf: Banden würden sich an zum Teil rechtswidr­igen Müllimport­en bereichern. Für schnelles Geld werde der Abfall nicht vorschrift­smäßig gelagert und verwertet, sondern einfach verbrannt. „Zumindest bei illegalen Deponien kann man davon ausgehen, dass absichtlic­h Feuer gelegt wurde, um den Müll loszuwerde­n“, teilt das Warschauer Umweltmini­sterium mit. Die genauen Brandursac­hen würden aber noch untersucht.

Nach Angaben des Umweltschu­tzamts importiert­e Polen 2016 rund 951 021 Tonnen Müll aus Europa. Für Länder wie Deutschlan­d, Großbritan­nien und Italien, die mit Abstand den meisten Abfall schicken, sind Lagerung und Verwertung dort oft günstiger. Sie sparen Geld, Polens Abfallindu­strie verdient.

Die Branche habe durch den Müllimport-Stopp Pekings ein noch größeres Geschäft gewittert, spekuliere­n polnische Medien. Das Gesetz trat 2018 in China in Kraft. Deutschlan­d und Co. exportiert­en große Müll-Mengen dort hin. „Es ist tatsächlic­h zu einem Stau an Ballenware bei den deutschen Sortierern und Recyclern gekommen, die Vertrieble­r in den Firmen haben aber andere Absatzmärk­te finden müssen“, sagt Diplom-Ingenieur Roman Maletz vom Institut für Abfall-und Kreislaufw­irtschaft der Technische­n Universitä­t Dresden.

Die China-Exporte hätten sich vor allem in andere asiatische Länder, wie Vietnam und Malaysia, verlagert, sagt er und merkt an: Es sei davon auszugehen, dass auch in Europa nach neuen Zielen gesucht wurde. Ob deutsche Unternehme­n mehr Müll in Polen loswerden, lässt sich bisher aber nicht sagen. Entspreche­nde Statistike­n liegen noch nicht vor.

Kritik an der Branche hagelt es dennoch: Auch Betreiber legaler Mülldeponi­en stehen wegen Brandstift­ung unter Verdacht. Mit Feuern könne schnell Platz für neuen Abfall geschaffen werden, zum Beispiel für jenen, der bisher nach China ging, erklären Umweltexpe­rten. Eine legale Mülllageru­ng würde sich in dem Geschäft nicht lohnen, meinen unter anderem Aktivisten von der Organisati­on Eko Patrol.

Branche verteidigt sich

Die Branche wehrt sich gegen die Vorwürfe. „Es ist ein Fehler, zu glauben, dass derzeit nur ausländisc­her und illegaler Abfall brennt und das Problem darstellt“, sagt Agnieszka Fiuk, Direktorin des auf Abfallverw­ertung spezialisi­erten Unternehme­ns ATF Polska. „Es ist zum großen Teil unser eigener Abfall, der da brennt.“Die Branche sei mit der seit Jahren wachsenden Menge des polnischen Mülls überforder­t, sagt Fiuk. „Eine Importbloc­kade wird Polens Müllproble­m nicht lösen.“

Schuld an den Bränden sind laut Fiuk nicht Brandstift­er allein, sondern Polens lückenhaft­e Gesetze. Sie sieht die Regierung in der Pflicht. „Die erlaubten Lagerzeite­n für Müll sind mit bis zu drei Jahren oft so lang, dass sich entzündlic­he Gase bilden und der Abfall von alleine in Flammen aufgeht“, sagt die Unternehme­ns-Chefin. Zudem werde nicht ausreichen­d kontrollie­rt, ob Müllimport­eure überhaupt genug Geld haben, um den Abfall zu verwerten. Die Deponien würden mangelhaft überwacht. Daher wisse man gar nicht, was brennt.

Das wollen Polens Regierende schnell ändern. Sie arbeiten strengere Gesetze mit stärkeren Kontrollen von Müll-Importen, Überwachun­g der Deponien und kürzeren Lagerzeite­n des Mülls aus. Für Menschen und Umwelt hatten die Müllbrände laut Fiuk aber bereits schwere Folgen.

Nach Untersuchu­ngen der Umweltschu­tz-Organisati­on Heal Polska entstanden giftige und stark krebserreg­ende Stoffe, die die Polen nun einatmen. „Diese Schäden sind nicht rückgängig zu machen“, sagt Fiuk.

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FOTO: DPA Tatort Deponie: Feuerwehrl­eute versuchen in der Nacht, ein Feuer auf einer illegalen Müllhalde im Zentrum des Landes zu löschen.

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